URI: 
       # taz.de -- Hommage an Polizeikomödien: Ein widerwärtiges Milieu
       
       > Die Krimikomödie „Mord in Saint-Tropez“ ist eine harmlose Klamotte.
       > Schwierig ist der Gastauftritt eines Franzosen mit russischer
       > Staatsbürgerschaft.
       
   IMG Bild: Der Unternehmer Tranchant (Benoît Poelvoorde) und der getarnte Inspektor Boulin (Christian Clavier)
       
       Der schöne Renault Floride ist hin. Ein Mann im schwarzen Taucheranzug
       hatte nachts heimlich die Bremsschläuche durchtrennt, Sabotage. Der Fahrer
       überlebte unverletzt.
       
       Doch der Besitzer, der vermögende Unternehmer Claude Tranchant (Benoît
       Poelvoorde), der mit illustren Freunden gerade auf seiner Sommerresidenz in
       Saint-Tropez weilt und rein zufällig nicht selbst gefahren war, hat Grund,
       einen Anschlag zu vermuten, der seiner Frau (Virginie Hocq) gegolten hat.
       Sie erhält seit einiger Zeit anonyme Drohbriefe.
       
       Tranchant verständigt seinen Freund, den Minister Jacques Chirac, man
       schreibt das Jahr 1970, er solle ihm den besten Ermittler von Paris
       schicken. Ferienzeitbedingt steht niemand Kompetentes zur Verfügung, und so
       muss Inspektor Boulin ([1][Christian Clavier]) als einzige verfügbare Kraft
       im Dienst den Fall übernehmen. Als Butler getarnt soll er sich unter die
       Hautevolee mischen, die am Pool von Tranchants Anwesen herumlümmelt.
       
       „Mord in Saint-Tropez“ nennt sich die Krimikomödie des Regisseurs Nicolas
       Benamou, die sich im Titel als Hommage an die großen Polizeiklamotten mit
       Louis de Funès, beginnend mit „Der Gendarm von St. Tropez“ (1964), zu
       erkennen gibt.
       
       ## Slapstickhafte Elemente
       
       Die Komik des Films folgt überwiegend dem schlichten Prinzip der
       mechanischen Kollision: Da Boulin nicht nur zu den weniger hellen
       Zeitgenossen gehört, sondern zudem von bemerkenswerter Ungeschicklichkeit
       ist, müssen in der Folge viele Gegenstände, dem Gesetz der Schwerkraft
       folgend, zu Bruch gehen. Wenn Boulin etwa ein Tablett mit Cocktails
       servieren soll, landen selbstverständlich nicht alle der versammelten
       Gläser in den Händen der Gäste Tranchants.
       
       Wie der Fall sich entwickelt, gerät darüber zur Nebensache. Was zählt, ist,
       eine Verkettung von Slapstick-Einlagen herbeizuführen. Dies sorgt durchaus
       für einige Lacher, Quatsch kann schließlich sehr befreiend wirken.
       
       Und für neunzig Minuten ist im Grunde zu verschmerzen, dass der Film
       ansonsten wenig mehr zu bieten hat als alberne Situationskomik, von ein
       wenig halbgarer Sozialkritik einmal abgesehen: Als Boulin von seinem
       Auftrag erfährt, lautet sein erster Kommentar gegenüber seinem
       Vorgesetzten: „Ein widerwärtiges Milieu.“
       
       Heikel wird es hingegen bei der Figur dieses Vorgesetzten, des Chefs der
       Pariser Polizei, Maurice Lefranc. Den spielt niemand Geringeres als
       [2][Gérard Depardieu. Gegen den französischen Schauspielstar war 2018 eine
       Anzeige der Schauspielerin Charlotte Arnould wegen Vergewaltigung
       eingegangen].
       
       Depardieu wehrte sich, die Vorwürfe seien unbegründet, das Verfahren wurde
       vorübergehend eingestellt. Vergangenen Donnerstag entschied die
       französische Justiz, dass die Ermittlungen weiterlaufen, weil es
       „schwerwiegende und übereinstimmende Indizien“ für eine Vergewaltigung
       gebe.
       
       ## Steuerflüchtling und Putinfreund
       
       Damit nicht genug, sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Depardieu aus
       „Steuergründen“ seit 2013 die russische Staatsbürgerschaft hat, die ihm vom
       Präsidenten Wladimir Putin persönlich angeboten worden war. Depardieu
       bezeichnete diesen wiederholt als „Freund“.
       
       Von der Ukraine war 2015 sogar ein Einreiserverbot für Depardieu verhängt
       worden, da dieser 2014, im Jahr der Annexion der Krim, gesagt hatte: „Ich
       liebe Russland und die Ukraine, die Teil von Russland ist.“ Distanziert hat
       er sich von der Aussage bisher nicht.
       
       In jüngerer Zeit äußerste sich Depardieu mutmaßlich etwas anders zu Putins
       Politik. Die französische Presseagentur AFP zitierte ihn Anfang des Monats
       mit den Worten: „Russland und die Ukraine waren immer Bruderländer. Ich bin
       gegen diesen Bruderkrieg. Ich sage: Lasst die Waffen ruhen und verhandelt“.
       
       Wenn man diesen Aufruf mit seiner Bemerkung von früher zusammendenkt,
       können die Verhandlungen für Depardieu allerdings eigentlich bloß das Ziel
       verfolgen, die Ukraine „wieder“ mit dem Bruderland zu vereinen, was ganz im
       Sinne seines Freundes Putin wäre. Oder Depardieu müsste sich spätestens
       jetzt von seinem Bekenntnis von vor acht Jahren distanzieren. Falls er das
       überhaupt kann.
       
       15 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Essay-zum-Erfolgsfilm-Monsieur-Claude/!5027711
   DIR [2] /Vergewaltigungsvorwurf-in-Frankreich/!5532580
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tim Caspar Boehme
       
       ## TAGS
       
   DIR Französischer Film
   DIR Komödie
   DIR Russland
   DIR Wladimir Putin
   DIR Krimi
   DIR Schwerpunkt #metoo
   DIR Spielfilm
   DIR Krimi
   DIR Französischer Film
   DIR taz Plan
   DIR taz Plan
   DIR Film
   DIR Schwerpunkt Berlinale
   DIR Schwerpunkt Berlinale
   DIR Schwerpunkt Berlinale
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Schauspieler zum Verhör geladen: Depardieu auf die Wache zitiert
       
       Der Schauspieler Gérard Depardieu ist nach Übergriffsvorwürfen zum Verhör
       geladen worden. Es geht um zwei Klagen von Frauen gegen ihn.
       
   DIR Krimikomödie „Medusa Deluxe“ im Kino: Frisuren wie die von Lady Gaga
       
       Die Krimikomödie „Medusa Deluxe“ geht es optisch üppig an, ohne beim Tempo
       zu überdrehen. Ein kurioser Todesfall trifft auf großartige Haarkreationen.
       
   DIR Kriminalkomödie „See How They Run“: Keine voreiligen Schlüsse ziehen
       
       Krimikomödien sind gerade wieder sehr gefragt. „See How They Run“ versucht
       sich an einer historischen Variante mit Agatha Christie im Gepäck.
       
   DIR Sozialdrama mit Juliette Binoche: Stippvisite bei der Arbeiterklasse
       
       In Emmanuel Carrères Film „Wie im echten Leben“ brilliert Juliette Binoche
       neben LaiendarstellerInnen. Sie mimt eine Putzfrau auf Undercovermission.
       
   DIR Neue Musik aus Berlin: Kaum erforschter Stil
       
       Die Kritik verkannte Telemann, doch sogar Bach schrieb bei ihm ab: Antoine
       Tamestit gibt mit „Viola Concertos“ Einblick in sein galantes Werk.
       
   DIR Konzertempfehlungen für Berlin: Eifersucht und Nähmaschinen
       
       Lange Dauern sind ein Thema in den Konzerten am Wochenende. Bauchrednerei
       und Alttestamentliches neu vertont sind ebenfalls zu hören.
       
   DIR Neuer Actionfilm von Michael Bay: Autos zu Blechschrott türmen
       
       Die Kamera springt, die Handlung eskaliert in „Ambulance“. Der
       schnörkellose Actionthriller bringt zwei ungleiche Brüder in unguter
       Mission zusammen.
       
   DIR Finale der Berlinale: Festival auf Abstand
       
       Auf der 72. Berlinale gewinnt mit „Alcarràs“ ein Film über Obstbauern in
       Katalonien. Das Filmfestival stand im Zeichen der Pandemie.
       
   DIR Regisseur Godard auf der Berlinale: Bilder für die Wildschweine
       
       Regisseur Jean-Luc Godard ist mit und in mehreren Filmen bei der Berlinale
       zu sehen. Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin bietet eine Ausstellung.
       
   DIR Retrospektive der Berlinale: Umkämpfte Freiräume
       
       Die Retrospektive der Berlinale ehrt die Hollywoodstars Mae West, Rosalind
       Russell und Carole Lombard. Frauen, die sich Erwartungen entziehen.