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       # taz.de -- Juventus Turin scheitert erneut: Italien auf Identitätssuche
       
       > Juventus Turin scheidet wieder frühzeitig in der Champions League aus. Im
       > Land des Europameisters löst das eine Untergangsstimmung aus.
       
   IMG Bild: Am Boden: Juventus und Königstransfer Dušan Vlahović befinden sich in beklagenswerter Lage
       
       Der Jubel in den spanischen Gazetten war überschwänglich. „Das U-Boot
       versenkt Juventus“, titelte Il Mundo Deportivo. Gelbes U-Boot ist der
       Spitzname des FC Villarreal, der im Allianz-Stadium von Turin die dort
       heimische Alte Dame mit einem herzhaften 3:0-Kick aus der Königsklasse
       beförderte. Entsprechend düster reagierten die italienischen Medien. Vom
       „Desaster Juve“ schrieb Tuttosport, eine „Endstation“ sah die Turiner La
       Stampa. Der konservative Libero wurde ganz persönlich und klassifizierte
       Juve-Coach Massimiliano Allegri als „eingebildeten Trainer, der dem Team
       keine Identität verleihe“ ab.
       
       Groß war vor allem das Erschrecken über das einfallslose Spiel des
       einstigen Branchenführers. „Das ist kein Fußball!“, urteilte Alttrainer
       Arrigo Sacchi und forderte eine Reaktion des italienischen Fußballs. Auch
       Alttrainerkollege Fabio Capello sah das ganze Land herausgefordert. „Das
       war eine Lektion für den italienischen Fußball. Alle hier müssen verstehen,
       dass man mehr laufen, mehr Zweikämpfe suchen und auch technisch besser
       werden muss“, sagte der einstige Champions-League-Sieger mit dem AC
       Mailand. Das bedeutet knapp gesagt: Alles, was zum Fußball gehört, muss
       besser werden.
       
       Weil Juventus zugleich der letzte italienische Vertreter in der Champions
       League war, greift die Angst vor einer noch größeren Misere um sich:
       [1][Dem Scheitern bei den anstehenden K.o.-Spielen zur
       Last-Minute-Qualifikation für die WM in Katar.] „Der italienische
       Fußball, vor wenigen Monaten noch Europameister in Wembley, ist kurz vor
       den Ausscheidungsspielen am Nullpunkt angelangt“, analysierte der Corriere
       dello Sport.
       
       So klingt Untergangsstimmung. In Sachen Juventus versucht Trainer Allegri
       zwar noch dagegen anzukämpfen. „Es herrscht große Enttäuschung. Aber von
       einem Bankrott zu sprechen wäre intellektuelle Unehrlichkeit“, urteilte er.
       Im Recht sind aber eher die Kritiker. Denn Juve ist nicht nur zum
       wiederholten Mal vorzeitig in der Champions League ausgeschieden. Zum
       dritten Mal hintereinander war im Achtelfinale Schluss.
       
       ## Fehler des Managements
       
       Und in den letzten vier Jahren waren die Gegner zumindest auf dem Papier
       allesamt schwächer einzuschätzen: Ajax Amsterdam, Lyon, Porto und zuletzt
       Villarreal. Niemals wurde Juventus seiner Favoritenrolle gerecht. Das kann
       man den Trainern anlasten, gegen Ajax und jetzt wieder gegen Villarreal saß
       Allegri auf der Bank. Zwischendrin versuchten Maurizio Sarri und Andrea
       Pirlo vergeblich ihr Glück. Man kann auch die Spieler in der Verantwortung
       sehen; sie standen schließlich auf dem Platz. Immer mehr aber rücken die
       Fehler des Managements in den Blickpunkt.
       
       Der erste bestand 2018 in der Verpflichtung von Torjäger Cristiano
       Ronaldo. Der bis dahin finanziell stabile Klub verschuldete sich enorm.
       Ronaldo sorgte zwar für Tore, machte aber den Rest der Mannschaft
       schlechter. Die Trainerwechsel im Jahresrhythmus verunsicherten den Kader.
       Jeder Coach hatte seine eigene Philosophie. Das überforderte die Spieler.
       Vor allem fehlt es an einer Identität, an einer funktionierenden
       Spielidee. „Man muss aufs Spiel setzen. Das verletzt sich niemals. Wir
       aber setzen unsere Hoffnung immer auf den Retter des Vaterlands“, klagte
       Sacchi.
       
       Denn in der Winterpause mobilisierte Juventus mal wieder alle finanziellen
       Reserven und holte für mehr als 120 Millionen Euro (Ablöse, Gehalt und
       Prämien) den Serben Dušan Vlahović vom AC Florenz. Der führte sich im
       Hinspiel auch prächtig mit einem Treffer ein. Im Rückspiel kam aber kaum
       ein Ball zu ihm.
       
       Die Folgen für Juventus sind beträchtlich. Der Imageschaden ist groß. Die
       Champions League war angesichts des Rückstands in der Serie A die einzige
       Chance auf einen Erfolg in dieser Saison. Bedeutsamer ist der finanzielle
       Schaden. Aufgrund des frühen Aus in der Champions League entgehen Juventus
       etwa 15 Millionen fest eingeplante Euro. [2][Dabei steht der Klub ohnehin
       unter verschärfter Beobachtung der Uefa.] Die prüft im Rahmen des Financial
       Fairplay derzeit die Bilanzen ab 2019. Das führt zu einem Verkaufsdruck im
       Sommer. Spieler mit hohen Salären müssen abgegeben, preiswertere Akteure
       möglichst besserer Qualität erworben werden.
       
       17 Mar 2022
       
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