# taz.de -- Naturkatastrophe in Japan: Wo bleibt das Mitgefühl?
> „Fukushima“ steht in Deutschland vor allem für die Gefahren der
> Atomkraft. Die Toten und Verletzten in Japan interessieren kaum – 2011
> wie heute.
IMG Bild: Supermarkt in Sendai, Miyagi. Heute wie damals vor 11 Jahren wurde die Stadt vom Erdbeben getroffen
Vor elf Jahren im März: Der japanische Fernseher läuft ununterbrochen.
Jeden Tag zeigen neue Bilder gewaltige Flutwellen und Menschen, die davor
zu fliehen versuchen. Es ist eine Dauerschleife von zerrissenen Häusern und
weinenden Kindern. Darauf folgen Aufzeichnungen von Menschen, die im
Schlamm und Wasser nach ihren Familienangehörigen suchen.
Derweil interessierten sich Medien hierzulande nur für „Fukushima“ und die
Atomkraftwerke. Parallel dazu gingen Tausende auf die Straße. Nicht etwa,
um Solidarität auszudrücken. Sie protestierten gegen Kernkraftwerke. In
Deutschland, wo es kein Erdbeben gibt.
Die Region [1][Fukushima] ist in der deutschen Sprache zu einem
Universalbegriff geworden, der gern genutzt wird, um eigene
[2][Anti-Atomkraft-Argumente] zu stützen. Gleichzeitig kursierten Witze wie
„Früher haben Japaner gelacht, heute strahlen sie“.
In der damaligen Berichterstattung kam die Menschlichkeit zu kurz. Und das
wiederholt sich dieses Jahr. Nach dem [3][Erdbeben] am 16. März berichteten
deutsche Medien erneut von „Fukushima“. Dabei hat das Erdbeben ganz
Nordjapan getroffen, sogar in Tokio bekam man es zu spüren. Drei der vier
Toten hat es nicht in Fukushima, sondern in Miyagi gegeben.
Auch 2011 haben Miyagi und Iwate hierzulande keinen interessiert. Laut den
Angaben der japanischen Polizeibehörde für Katastrophenschutz wurden damals
in Fukushima 1.614 Menschen als tot und 196 als vermisst gemeldet. Andere
Regionen waren aber auch schwer betroffen. In Iwate kamen 4.675 Menschen
ums Leben, in Miyagi 9.543. Doch diese Region kennt hier niemand.
Eine angemessene Berichterstattung über Flutkatastrophen ist überfällig –
samt einer angemessenen Reaktion darauf. Damit nicht schon wieder das
Atomkraftwerk im Vordergrund steht. Damit Deutsche nicht wieder sofort ihre
Anti-AKW-Schilder in die Höhe halten. Denn um die geht es gerade nicht,
sondern um Verletzte und Verstorbene. Bevor man für die eigene Sicherheit
auf die Straße geht, darf man auch einfach mal Mitgefühl empfinden.
17 Mar 2022
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## AUTOREN
DIR Shoko Bethke
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