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       # taz.de -- Schwarze Studierende in der Ukraine: Flucht in die Ratlosigkeit
       
       > Erst haben es Studenten aus Nigeria schwer, die Ukraine zu verlassen,
       > weil rassistische Kontrollen sie nicht durchlassen. Dann wissen sie
       > nicht, wohin.
       
   IMG Bild: Viele Schwarze berichten über Aussonderung bei der Flucht aus der Ukraine
       
       Cotonou taz | Somto Orah hat es geschafft. Der 25-jährige Nigerianer, der
       in Kiew Management studiert, ist in Polens Hauptstadt Warschau angekommen
       und damit in Sicherheit. Doch die Bilder der Flucht aus der Ukraine werden
       bei ihm noch lange nachwirken.
       
       „Als wir versuchten, in einen Zug zu steigen, sagten uns ukrainische
       Sicherheitskräfte: nur Frauen und Kinder. Das galt aber nicht für all jene
       aus Afrika.“ Dagegen protestierten sie mit Erfolg. Die Männer mussten
       jedoch weiter warten. „Wir konnten erst in der Nacht einen Zug nehmen.“
       
       Kurz vor der [1][Grenze] ein weiterer Vorfall: Die Flüchtenden wurden nach
       Hautfarbe sortiert. „Afrikaner und Südostasiaten mussten auf der einen,
       Weiße auf der anderen Seite warten. Nach 100 Weißen, die gehen durften,
       waren es zwei Afrikaner. Es war so verrückt.“ Eins betont er im Gespräch
       mit der taz allerdings auch: Nicht die einfachen Ukrainer*innen waren
       für den Rassismus verantwortlich, sondern Uniformierte.
       
       Somto Orah hat in den vergangenen Tagen immer wieder [2][Videos] gepostet
       und darüber gesprochen. Später sagt er am Telefon sehr nüchtern: „In
       Nigeria sind wir Diskriminierungen untereinander gewöhnt.“ Man kümmere sich
       nicht groß darum.
       
       ## Erste Evakuierungsflüge sind unterwegs
       
       Was sich an der ukrainischen Westgrenze abspielt, hat dennoch mittlerweile
       weltweit für Entsetzen gesorgt. Die Afrikanische Union (AU), deren
       Vorsitzender Senegals Präsident Macky Sall ist, verurteilte die Situation
       scharf: Alle Menschen, gleich welcher Nationalität, hätten das gleiche
       Recht, in einem Konflikt eine Staatsgrenze zu überqueren, mahnte er.
       
       Der Resolution der [3][UN-Vollversammlung] zur Verurteilung des russischen
       Angriffs auf die Ukraine stimmten jedoch nur 28 der 54 afrikanischen
       Staaten zu. 16, darunter Senegal, enthielten sich – ein Land stimmte
       dagegen: Eritrea. Auf Twitter wird nun über die panafrikanische Solidarität
       gespottet.
       
       Am Flughafen von Ghanas Hauptstadt Accra sind am Dienstag die ersten
       evakuierten Ghanaer*innen angekommen. In Nigeria wurde am Donnerstag das
       erste Evakuierungsflugzeug erwartet. Die zuständigen Botschaften in Polen,
       Ungarn, Rumänien und der Slowakei hatten in den vergangenen Tagen gut 2.000
       Menschen registriert, um sie zurück nach Nigeria zu bringen, heißt es aus
       dem Außenministerium. Es wird geschätzt, dass an ukrainischen Universitäten
       rund 16.000 Afrikaner*innen eingeschrieben sind.
       
       Ein erster Flug soll mittlerweile Rumäniens Hauptstadt Bukarest verlassen
       haben, wo die nigerianische Botschaft 940 Landsleute registriert hat. Nicht
       an Bord ist Medizinstudent [4][Pascal Patrick], über dessen
       Fluchtgeschichte die taz berichtet hatte. „Bis zum Abflug wurden wir in
       einem Hotel untergebracht und sind mit Essen versorgt worden“, sagt er am
       Donnerstagmorgen in einem Whatsapp-Gespräch. „Doch ich möchte nicht zurück,
       weshalb ich jetzt auf mich allein gestellt bin.“ Im Moment weiß er nicht,
       wo er unterkommen soll und was die nächsten Tage bringen.
       
       ## Studium in Europa fortsetzen? Wer weiß, ob das möglich ist
       
       Statt nach Nigeria zu fliegen, will Pascal Patrick sein Studium in Europa
       fortsetzen. Aber wo und wie? Er sucht nach Informationen, ob es
       möglicherweise Stipendien oder vereinfachte Aufnahmeverfahren gibt. Aber
       darf er überhaupt innerhalb der EU reisen? Und was passiert am Tag 91? Nur
       90 Tage dürfen alle Ukraine-Flüchtlinge ohne Visum bleiben.
       
       Auch Somto Orah in Warschau schließt eine Rückkehr nach Nigeria aus. „Ein
       Hochschulabschluss ist meine einzige Chance.“ Sein Hotelzimmer zahlt er im
       Moment selbst und bekommt Geld von Freunden. Er würde eigentlich gerne
       wieder in Kiew studieren. „Das war gut dort. Fast alle meine Freunde sind
       in die Ukraine gegangen.“ Ein wichtiger Grund, neben der Ratenzahlung der
       niedrigeren Studiengebühren, sei auch das Visum für die Ukraine gewesen.
       „Wir Nigerianer bekommen das viel leichter als für andere Länder.“
       
       3 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Krieg-in-der-Ukraine/!5838886
   DIR [2] https://twitter.com/nzekiev
   DIR [3] /UN-Generalversammlung-verurteilt-Krieg/!5839174
   DIR [4] /Flucht-aus-der-Ukraine/!5837996
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gänsler
       
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