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       # taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Keine gute Laune
       
       > Douglas Dares Musik fügt sich ein in die gedämpfte Stimmung dieser Tage.
       > Und auch bei Joanna Gemma Auguri geht es nicht gerade heiter zu.
       
   IMG Bild: Introspektive Melancholie: Douglas Dare
       
       Uiui, plötzlich gibt’s wieder „richtige“ Konzerte. Veranstaltungen, bei
       denen sich das Publikum nicht an vier Händen abzählen lässt, bei denen
       sogar überbordende Ausgelassenheit ins Spiel kommen könnte – nicht nur die
       schon fast zur Gewohnheit gewordene verhaltene Dankbarkeit darüber, dass
       man überhaupt live präsentierter Musik beiwohnen darf. Und dann ist einem
       so gar nicht zum Feiern zumute, angesichts der irren Ereignisse da draußen.
       
       Zumindest werden die gastierenden Künstler*innen nicht mit guter Laune
       nerven. Die introspektive Melancholie des englischen Songwriters Douglas
       Dare etwa fügt sich ein in die gedämpfte Stimmung und hat doch etwas
       Tröstliches. Und das kann man dieser Tage ja durchaus brauchen.
       
       Auf seinem dritten, vor einem Jahr erschienenen Album „Milkteeth“ geht
       weniger um Abgründiges, wie noch auf dem Vorgängeralbum. Sondern eher ums
       Reminiszieren. Der im ländlichen Devon aufgewachsene Musiker, der bisweilen
       mit James Blake verglichen wird, versenkt sich darauf in
       Kindheitserinnerungen – aber eben nicht auf die kitschig-klebrige Art.
       
       Vielmehr widmet er sich unter anderem der Einsamkeit, die sein junges Leben
       begleitete – trotz der großen Familie, in der er aufwuchs. Zu erleben ist
       das am Freitag in der Kuppelhalle des Silent Green (4. 3., 20 Uhr, Eintritt
       21 Euro, [1][Tickets gibt es hier]).
       
       Auch bei Joanna Gemma Auguri geht es nicht gerade heiter zu. Die
       Melancholie auf ihrem Soloalbum „11“ ist ein deutlich andere, intimer und
       avantgardistischer, als man es von Poems of Laila kennt. Bei dem
       chansonesken Folkrock-Duo hatte sie in den letzten Jahren nicht nur
       gesungen, sondern neben Gründer Nikolai Tomás auch die Songs geschrieben.
       Jetzt ist die Berliner mit polnischen Wurzeln alleine mit Akkordeon
       unterwegs – und singt mit viel Herzblut von gebrochenen Herzen, die ihren
       Takt suchen.
       
       Am Sonntag wird sie in der sympathischen Enklave einer sonst weitgehend
       durchgentrifizierten Nachbarschaft spielen, dem [2][Club Ausland] in der
       Lychener Straße. Dort gibt es an dem Abend zwei weitere Solosets: neben der
       elektroakustischen Komponistin Andrée Burelli ist der in Berlin lebende
       argentinische Klangkünstler Mario Verandi zu Gast (6. 3., 20.30 Uhr, 10
       Euro Eintritt an der Abendkasse).
       
       Großartig wird es bestimmt beim kanadischen, in London beheimateten
       Elektronikproduzenten Dan Snaith alias Caribou. Zweimal wurde das Konzert
       des schlagzeugspielenden Sängers zuvor verschoben. [3][Auf seinem letzten
       Album „Suddenly“] hat der nerdige Bastler, der zwischenzeitlich zum
       Rave-Zeremonienmeister mutiert war, seinen Popappeal bewusst
       zurückgeschraubt.
       
       Schließlich hatte er in den Jahren, in deren er an dem Album arbeitete,
       private Drama zu verdauen, die ganz plötzlich – daher der Albumtitel –
       alles auf den Kopf stellten. Mit Ereignissen, die vieles über den Haufen
       werfen, haben wir alle ja seither reichlich Erfahrungen gemacht, insofern
       gibt es vielleicht noch mehr Resonanzräume für Snaiths warme und zugleich
       Verwirrung stiftende Melancholie, als bei Erscheinen des Albums vor zwei
       Jahren.
       
       Euphorische Momente, die sich bei dem:r Hörer:in einfräsen, hält
       „Suddenly“ trotz der runtergefahrenen Eingängigkeit bereit; man darf
       gespannt sein, wie das live funktioniert. Caribou samt Band [4][spielt am
       Montag in der Columbiahalle]. Erlebenswert auch die aus Peru stammende, in
       Berlin lebende Produzentin Sofia Kourtesis, die mit ihrer
       verspielten-verspulten Spielart von House den Support beisteuert (7. 3., 20
       Uhr, Eintritt 39,95 Euro, Achtung: Einlass nur mit 2G + tagesaktuellen Test
       – auch für Geboosterte!).
       
       4 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.eventim.de/event/douglas-dare-silent-green-kulturquartier-12861998
   DIR [2] https://ausland-berlin.de/joanna-g-auguri-andree-burelli-mario-verandi
   DIR [3] /Neues-Album-von-Mathegenie-Caribou/!5668417
   DIR [4] https://www.eventim.de/noapp/event/caribou-columbiahalle-13017228/?affiliate=KSG&utm_campaign=schoneberg&utm_medium=dp&utm_source=KSG&referer_info=1
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stephanie Grimm
       
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