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       # taz.de -- Korruptionsprozess zu Stones-Konzert: Hauptvorwurf weg
       
       > Das Hamburger Oberlandesgericht urteilt über Bestechlichkeit und Untreue
       > bei einem Stones-Auftritt im Stadtpark. Staatsanwaltschaft ruderte
       > zurück.
       
   IMG Bild: Schwerer Gang: Harald Rösler mit seinen Anwälten Kruse (l.) und Schwenn (r.) im Strafjustizgebäude
       
       Hamburg taz | Viel Lärm um wenig – mit diesem Fazit könnte der Prozess um
       Freikarten für ein Rolling-Stones-Konzert 2017 im Hamburger Stadtpark heute
       zu Ende gehen. Den schwerwiegendsten Vorwurf der Bestechlichkeit und
       Untreue hat die Staatsanwaltschaft bereits fallen lassen. Die Verteidiger
       warfen der Behörde schlampige Arbeit vor. „Die Anklage hätte in dieser Form
       nie erhoben werden dürfen“, sagte Rechtsanwalt Mathias Frommann in seinem
       Plädoyer. Er vertritt den damaligen stellvertretenden Bezirksamtsleiter Tom
       Oelrichs, der der Beihilfe bezichtigt wird.
       
       Die Staatsanwaltschaft hatte der Führung des Bezirksamts Hamburg Nord
       vorgeworfen, die Festwiese des Stadtparks für’n Appel un’n Ei an die
       Konzertagentur FKP Scorpio vermietet und dafür Eintrittskarten eingeheimst
       zu haben. Die Tickets – 100 kostenlose und 300 zum Kauf – hatte der
       inzwischen im Ruhestand befindliche Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD)
       an Mitarbeiter der Verwaltung und „Freunde des Hauses“ weitergereicht.
       
       Als Gegenleistung dafür soll er die Wiese weit unter Wert – 200.000 statt
       600.000 Euro – für das Stones-Konzert zur Verfügung gestellt haben. Aus dem
       vermuteten Schaden von 400.000 Euro leitete die Staatsanwaltschaft den
       Vorwurf der Bestechlichkeit und der schweren Untreue ab.
       
       Im Laufe des Prozesses stellte sich jedoch heraus, dass Bezirksamtsleiter
       Rösler einen „guten Deal für Hamburg“ ausgehandelt hatte, wie es der
       Konzertveranstalter Karsten Jahnke als Zeuge aussagte. „Nie hat jemand mehr
       für den Stadtpark bezahlt, niemals hat FKP Scorpio mehr für ein Konzert
       bezahlt“, sagte Till Soyka, Anwalt eines Scorpio-Promoters.
       
       ## Die Grundannahme der Staatsanwaltschaft stimmte nicht
       
       Anwalt Frommann, der selbst einmal Chef des Bezirksamtes Nord war, warf der
       Staatsanwaltschaft vor, sie hätte das wissen können, wenn sie sorgfältiger
       ermittelt hätte. Seinem Mandanten [1][Tom Oelrichs (CDU), der zu Beginn des
       Verfahrens ausführlich ausgesagt hatte], wäre dann ein belastender Prozess
       erspart geblieben, behauptete er. Stattdessen habe die Staatsanwaltschaft
       die Sache öffentlich dramatisiert.
       
       Noch ist allerdings das Urteil nicht gesprochen und an den Vorwürfen der
       Vorteilsnahme sowie Vorteilsgewährung hat die Staatsanwaltschaft in ihrem
       Plädoyer festgehalten. Dabei geht es vor allem um die 100 Freikarten, die
       Rösler sich geben ließ. Sein Anwalt Johann Schwenn verwies darauf, dass es
       bundesweit branchenüblich sei, dass Konzertveranstalter ihren Vermietern
       Freikarten zur Verfügung stellten. Im Falle der Sporthalle, die ebenfalls
       vom Bezirk Nord vermietet werde, sei das seit den 80er-Jahren der Fall.
       
       Da Rösler so oder so hätte davon ausgehen müssen, dass es Freikarten geben
       würde, habe das auch seine Entscheidung zu dem Konzert im Stadtpark nicht
       beeinflussen können, plädierte Schwenn. Zudem sei über die im Übrigen nicht
       übermäßig hohe Zahl an Tickets erst verhandelt worden, nachdem der Vertrag
       über die Stadtparknutzung bereits unter Dach und Fach war.
       
       Darüber hinaus habe Rösler die Tickets ja nicht unter der Hand verteilt,
       sondern sei ganz offen damit umgegangen. Sein Stellvertreter sei involviert
       gewesen, ebenso seine Vorgesetzte, die Staatsrätin Elke Badde, und selbst
       der Antikorruptionsbeauftragte des Bezirks habe keine Einwände erhoben.
       
       Staatsrätin [2][Badde ist vor anderthalb Jahren wegen Vorteilsnahme und
       Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat] zu einer Geldstrafe von
       20.400 Euro verurteilt worden. Das Gericht hielt ihr vor, dass sie sich
       zwei Kaufkarten hatte reservieren und für Rösler eine Genehmigung zum
       Konzertbesuch rückdatiert hatte. Badde legte Berufung gegen das Urteil ein.
       
       Anwalt Schwenn argumentierte, dass Rösler keinen persönlichen Vorteil von
       der Weitergabe der Tickets gehabt habe. Der Vorwurf der Staatsanwältin,
       Rösler habe mit der Weitergabe sein persönliches Image verbessern wollen,
       sei „spekulativ“. Rösler habe auch [3][keine Dienste als Gegenleistung für
       die Tickets verlangt]. Der Senat habe sich bei einer anderen Gelegenheit
       ähnlich verhalten, ohne gerügt worden zu sein: „Ein Viertel aller
       Staatsanwälte ist wegen der Mehrarbeit durch den G20-Gipfel in die
       Elbphilharmonie eingeladen worden“, sagte der Anwalt.
       
       Dass Rösler zusammen mit seiner Frau das Konzert besucht habe, sei Teil
       seiner repräsentativen Aufgaben gewesen. Das gelte auch für ein Essen im
       Landhaus Walter. „Ein Nicht-Erscheinen wäre ein Affront gewesen“,
       bestätigte Till Soyka, der einen der beiden Angestellten von FKP Scorpio
       vertritt.
       
       ## Freikarten für Amtsträger sind nichts Ungewöhnliches
       
       Der Senat erwarte von seinen Amtsträgern, dass sie an öffentlichen
       Veranstaltungen teilnehmen, sekundierte Anwalt Frommann. Er erinnerte
       daran, dass der FC St. Pauli Amtsträgern wie Innensenator Andy Grote (SPD)
       und Polizeipräsident Ralf Martin Meyer Dauerkarten überlassen habe. „Der
       Angeklagte wollte nicht das Beste für sich, sondern für die Freie und
       Hansestadt Hamburg“, sagte Schwenn und plädierte auf Freispruch wie sein
       Kollege Frommann.
       
       Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer Mitte Februar elf Monate
       Haft auf Bewährung für Rösler gefordert, zudem eine sogenannte Einziehung
       von Wertersatz in Höhe von mehr als 15.000 Euro. Für Röslers damaligen
       Stellvertreter forderte die Staatsanwältin 13.200 Euro Geldstrafe. Bei den
       beiden Mitarbeitern der Veranstaltungsagentur plädierte sie auf Freispruch.
       
       Das Strafmaß begründete die Staatsanwältin damit, dass das Vertrauen der
       Bevölkerung in die Behörden durch das Verhalten des Ex-Bezirksamtsleiters
       gelitten habe. Deshalb habe diese Verhandlung auch eine hohe präventive
       Bedeutung: „Wir wollen, dass man Amtsträgern vertrauen kann.“
       
       7 Apr 2022
       
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