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       # taz.de -- MenschenrechtlerInnen in Russland: Razzien in Moskau
       
       > Russische Behörden durchsuchen gleich mehrere Büros von Organisationen
       > wie Memorial. Vertreterin Swetlana Gannuschkina wird zum Verhör gebeten.
       
   IMG Bild: Ende 2021 in Berlin: DemonstrantInnen protestieren gegen die Schließung von Memorial
       
       Berlin taz | Erneut gingen die russischen Behörden am Freitag gegen ihre
       KritikerInnen vor. Am Freitagvormittag durchsuchten sie zwei Büros der
       [1][Menschenrechtsorganisation Memorial] in Moskau. Beamte der
       Bundespolizei Rosgwardija waren in das Gebäude eingedrungen. Gegenüber der
       Nachrichtenagentur RIA Novosti bestätigte die [2][Vertreterin von Memorial,
       Swetlana Gannuschkina], die Hausdurchsuchung.
       
       Man habe keinen Kontakt zu den MitarbeiterInnen, so Gannuschkina, die vor
       dem Gebäude warten musste. Offensichtlich habe man diesen die Mobiltelefone
       abgenommen. Gegenüber der taz erklärte der Vorsitzende der Gesellschaft
       Memorial, Jan Ratschinskij, er wisse nicht, was in den Räumlichkeiten von
       Memorial genau vor sich gehe, da man ihm den Zutritt zum Gebäude verwehrt
       habe.
       
       Ebenso erging es der Anwältin Svetlana Sidorkina. Auch sie durfte die
       Räumlichkeiten von Memorial in der Maly Karetny-Straße, dessen Mandat sie
       hat, nicht betreten. Inzwischen haben die AnwältInnen von Memorial den
       Europäischen Menschengerichtshof gebeten, die russischen Behörden
       anzuweisen, die Durchsuchungen einzustellen.
       
       Im November hatten die Generalstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft
       Moskau die Auflösung der [3][Gesellschaft Memorial und des
       Menschenrechtszentrums Memorial] beantragt. Am 28. Dezember ordnete der
       Oberste Gerichtshof Russlands die [4][Auflösung von Memorial International]
       an. Am folgenden Tag erließ das Moskauer Stadtgericht ein ähnliches Urteil
       gegen das Menschenrechtszentrum Memorial.
       
       Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hat die Gesellschaft Memorial das
       Gedenken an den Zweiten Weltkrieg verfälscht und die UdSSR als Terrorstaat
       beschrieben. Gleichzeitig hatte man Memorial verdächtigt, sich von
       terroristischen und extremistischen Organisationen nicht abgegrenzt zu
       haben. Auch bezichtigte man die beiden Organisationen, das Gesetz zu den
       „ausländischen Agenten“ durch fehlende Kennzeichnung missachtet zu haben.
       
       ## „Niemand wird gefoltert“
       
       Das russische Gesetz zu ausländischen Agenten verpflichtet das
       Justizministerium, regierungskritische Organisationen in eine Liste
       „ausländischer Agenten“ einzutragen. Wer in dieser Liste eingetragen ist,
       muss bei allen Veröffentlichungen angeben, dass er als ausländischer Agent
       geführt wird. Die russischen Menschenrechtsorganisationen sehen in diesem
       Gesetz eine Diskriminierung unabhängiger gesellschaftlicher Arbeit.
       
       Ein weiterer Vorwurf war, Memorial könnte mit seiner Arbeit bei seinen
       Mitbürgern Depressionen verursachen. Die Gesellschaft Memorial beschäftigt
       sich vor allem mit der [5][Aufarbeitung der Stalin-Zeit], das
       Menschenrechtszentrum Memorial arbeitet zu Menschenrechtsverletzungen in
       der Gegenwart. Beide Organisationen sind seit fünf Jahren im Register der
       „ausländischen Agenten“ eingetragen.
       
       Am Freitagnachmittag tauchten Beamte des russischen Innengeheimdienstes FSB
       auch bei der Organisation Bürgerlicher Beistand auf und führten dort eine
       Hausdurchsuchung durch. Dabei wurden Computer und andere Gegenstände
       beschlagnahmt. Anschließend wurde die Vorsitzende der Organisation,
       [6][Swetlana Gannuschkina], zu einem Verhör „gebeten“. Dies berichtet
       Gannuschkina telefonisch der taz.
       
       Bei einer Zigarettenpause habe eine FSB-Mitarbeiterin, so berichtet das
       Portal ovd.news, die Mitarbeiterinnen des Bürgerlichen Beistandes beruhigt:
       „Wir führen hier lediglich Ermittlungen durch. Niemand wird gefoltert.“
       
       4 Mar 2022
       
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