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       # taz.de -- Zentralasien und der Ukrainekrieg: U-Haft und Proteste
       
       > In Kirgistan werden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung unter
       > Druck gesetzt. In Kasachstan gehen Menschen gegen den Krieg auf die
       > Straße.
       
   IMG Bild: Protest gegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine am vergangenen Sonntag in Almaty
       
       Berlin taz | In der zentralasiatischen Republik Kirgistan geraten
       Journalisten wegen ihrer Berichterstattung über [1][Russlands Angriffskrieg
       gegen die Ukraine] zunehmend unter Druck. So wurden am Montag zwei Reporter
       des lokalen Fernsehkanals NEXT TV vom Komitee für Nationale Sicherheit
       (GKNB) vorgeladen, da der Inhalt eines Berichtes angeblich zu
       interethnischem Hass aufgestachelt haben soll.
       
       Laut Rawschan Jeenbekow, Gründer von NEXT TV und Oppositionspolitiker, den
       der Sender Freies Europa zitiert, soll dort ein Interviewpartner eine
       Vereinbarung zwischen Moskau und Bischkek erwähnt haben. Dieser
       Vereinbarung zufolge würden auch kirgisische Truppen in die Ukraine
       entsendet.
       
       In der vergangenen Woche war NEXT-Chefredakteur Taalai Duischembiew
       ebenfalls wegen besagtem Bericht festgenommen worden. Ein Gericht in
       Bischkek hatte eine zweimonatige Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet. In
       dem Beitrag kommt auch noch ein früherer Chef des kasachischen nationalen
       Sicherheitsdienstes mit folgendem Statement zu Wort: Kirgistan und
       Tadschikistan hätten sich damit einverstanden erklärt, zur Unterstützung
       Russlands Truppen in die Ukraine zu entsenden.
       
       NEXT TV wurde mittlerweile abgeschaltet. Dabei war der inkriminierte
       Bericht nicht über den Sender gegangen, sondern auf dessen Telegram-Kanal
       veröffentlicht worden. Bei einer Razzia in den Redaktionsräumen
       beschlagnahmten Sicherheitskräfte alle Unterlagen und die gesamte
       technische Ausstattung.
       
       ## Nur ein Vorwand
       
       Jeenbekow hält besagten Bericht für einen Vorwand, um gegen seinen Sender
       vorzugehen. „Der GKNB hat mich dazu gezwungen, den Sender für mehrere
       Monate zu schließen. Endlich haben sie einen Grund dafür gefunden“,
       schreibt er auf seiner Facebook-Seite, die das Onlineportal eurasianet.net
       zitiert. „Sie täten besser daran, mich ebenfalls einzusperren.“
       
       Das kirgisische Außenministerium rief unterdessen lokale Medien dazu auf,
       ihre Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine ausschließlich auf
       offizielle Verlautbarungen der Regierung zu stützen.
       
       Am vergangenen Samstag hatte Kirgistans Außenminister Ruslan Kazakbajew bei
       einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow in Moskau
       Russland als strategischen Partner bezeichnet, mit dem Bischkek
       privilegierte Beziehungen unterhalte. Diese beruhten auf gegenseitigem
       Vertrauen und Verständnis – bilateral und in internationalen
       Organisationen.
       
       Damit ist auch das Militärbündnis Organisation des Vertrages über
       kollektive Sicherheit (OVKS) gemeint, dem neben Russland als Führungsmacht
       auch Armenien, Belarus, Kirgistan, Tadschikistan und Kasachstan angehören.
       
       ## Massenproteste niedergeschlagen
       
       Im vergangenen Januar [2][waren OVKS-Truppen Kasachstans Präsident
       Kassim-Schomart Tokajews Ruf gefolgt] und hatten dabei „geholfen“, in dem
       bevölkerungsreichsten zentralasiatischen Staat Massenproteste gegen die
       Regierung niederzuschlagen. Zu den schwersten Ausschreitungen war es in der
       Wirtschaftsmetropole Almaty gekommen. Offiziellen Angaben zufolge waren 225
       Menschen getötet und Tausende verletzt worden.
       
       Almaty war am vergangenen Samstag auch Schauplatz von Protesten gegen
       Moskaus Krieg in der Ukraine. Angaben des kasachischen Dienstes von Radio
       Freies Europa, Radio Asattyk, zufolge nahmen zwischen 3.000 und 5.000
       Menschen an den Demonstrationen teil.
       
       Unter Rufen, wie „Es lebe die Ukraine!“, „Kein Krieg“ und „Putin, Den Haag,
       Gefängnis!“ schwenkten die Protestierenden ukrainische Flaggen. Auf
       Plakaten war zu lesen: „Wenn dieser Krieg nicht gestoppt wird, ist
       Kasachstan als nächstes dran!“ Vereinzelt wurde die Forderung laut,
       Kasachstan solle die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) sowie die OVKS
       verlassen.
       
       Bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung über eine Resolution, die den
       Krieg Russlands gegen die Ukraine verurteilt, hatte sich Kasachstan in der
       vergangenen Woche enthalten. „Wir hier sind nicht gegen die Russen oder die
       Ukrainer“, zitiert Radio Asattyk einen Teilnehmer der Demonstration. „Wir
       sind gegen Putin und gegen den Krieg.“
       
       8 Mar 2022
       
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