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       # taz.de -- Verwaltungsgericht Köln zur AfD: AfD darf überwacht werden
       
       > Der Verfassungsschutz hat die AfD als extremistischen „Verdachtsfall“
       > eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln hat das nun gebilligt.
       
   IMG Bild: Tino Chrupalla, Vorsitzender der Afd am Dienstag vor dem Prozess am Kölner Verwaltungsgericht
       
       Köln taz | Der Verfassungsschutz darf die AfD als rechtsextremistischen
       Verdachtsfall einstufen. Das entschied am Dienstagabend das
       Verwaltungsgericht Köln nach zehnstündiger Verhandlung. Auch der besonders
       radikale „Flügel“ um Björn Höcke sowie die AfD-Jugendorganisation „Junge
       Alternative“ (JA) durften als Verdachtsfall bewertet werden.
       
       Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte in den letzten zwei Jahren
       auf über tausend Seiten aufgelistet, warum es „tatsächliche Anhaltspunkte“
       sieht, dass die AfD rechtsextremistisch ist. BfV-Anwalt Wolfgang Roth
       argumentierte vor Gericht, dass große Teile der AfD ein ethnisch homogenes
       deutsches Volk anstreben, zu dem Migranten und eingebürgerte Deutsche (so
       genannte „Passdeutsche“) von vornherein nicht gehören können. Wie
       Rechtextremisten sprächen AfD-Politiker vom drohenden „Volkstod“ oder einer
       geplanten „Umvolkung“ durch Zuwanderung.
       
       Der jüngst ausgetretene [1][langjährige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen] wurde
       vom Verfassungsschutz immer wieder als Kronzeuge für den wachsenden
       Einfluss des radikalen „Flügels“ in der AfD angeführt. Die Partei warf
       Meuthen dagegen vor, er wolle nur der AfD schaden und eine neue Partei
       gründen.
       
       Das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Michael Huschens hielt die
       Argumentation des Verfassungsschutzes für plausibel. Das Bundesamt habe
       seine Vorwürfe ausreichend belegt und belastende Äußerungen nicht aus dem
       Zusammenhang gerissen.
       
       Die Einstufung als Verdachtsfall erfordere keine sichere Gefahr, so Richter
       Huschens, es genüge ein Gefahrverdacht. „Wenn es im Erdreich nach Öl
       riecht, ist eine Probebohrung erlaubt“.
       
       Zwar seien viele der monierten AfD-Äußerungen von der Meinungsfreiheit
       gedeckt und als solche zulässig. Bei Parteifunktionären werde aber immer
       unterstellt, dass diese ihre Vorstellungen auch umsetzen wollten, so
       Richter Huschens.
       
       ## Telefone von AfD-Politiker:innen dürfen abgehört werden
       
       Konkret darf die AfD nun mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht
       werden, das heißt, der Verfassungsschutz darf Telefone abhören, E-Mails
       mitlesen und in der Partei Spitzel anwerben. Auch eine Erwähnung im
       Verfassungsschutzbericht ist nun möglich.
       
       Die AfD kann noch Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster einlegen.
       Die AfD-Spitze will das Kölner Urteil aber zunächst prüfen. Die Überwachung
       kann auch nicht sofort beginnen. Im Rahmen eines Eilverfahrens hatte das
       Kölner Gericht im März 2021 den Verfassungsschutz vorläufig zum Stillhalten
       verpflichtet. Das Gericht wolle nun dieses Eilverfahren „zeitnah“
       abschließen, sagte Richter Huschens. Dann wird es ernst für die AfD.
       
       Die [2][Jugendorganisation JA wurde vom Verfassungsschutz] schon 2019 als
       Verdachtsfall eingestuft. Die JA hatte ihre völkische und
       ausländerfeindliche Argumentation daraufhin zwar etwas gemäßigt, aber nicht
       genug, so das Gericht. Die JA bleibt damit Verdachtsfall. Richter Huschens
       nannte die JA-Entscheidung den „eindeutigsten Fall“.
       
       Auch der „Flügel“ um den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke wurde vom
       Verfassungsschutz 2019 als Verdachtsfall eingestuft, im März 2020 sogar als
       gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Auf Druck des
       AfD-Bundesvorstands löste sich der Flügel daraufhin im April 2020 formal
       auf.
       
       ## Flügel darf nicht als rechtsextrem bezeichnet werden
       
       Das Verwaltungsgericht billigte nun die ursprüngliche Einstufung als
       Verdachtsfall. Der Flügel darf heute aber nicht als rechtsextreme
       Bestrebung bewertet werden, so das Gericht, weil seine Fortexistenz
       fraglich ist. Auch der Verfassungsschutz konnte keine sicheren Erkenntnisse
       vorlegen, dass sich Höcke und Co. weiter als eigene Gruppierung
       organisieren. [3][Hier erzielte die AfD einen Teilerfolg], der sich schon
       früh in der Verhandlung angedeutet hatte.
       
       Außerdem darf der Verfassungsschutz nicht mehr behaupten, der Flügel habe
       bis zu seiner formalen Auflösung im April 2020 rund 7.000 Mitglieder
       gehabt. Hier genüge es nicht, „Potenziale“ des Flügels zu schätzen. Das
       Bundesamt hatte sich unter anderem auf Erklärungen von Björn Höcke berufen,
       wonach mindestens ein Drittel der AfD-Mitglieder seinem „Flügel“
       zuzurechnen seien.
       
       Die Beobachtung der AfD ist laut Gesetz zeitlich nicht befristet. Solange
       in einer Partei radikalere und gemäßigtere Kräfte um den Kurs ringen, darf
       sich der Verfassungsschutz ein genaues Bild verschaffen, so das Gericht.
       
       Im Rahmen der Verhandlung hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz
       zugesichert, dass es derzeit nicht plane, die AfD als gesichert
       rechtsextreme Bestrebung einzustufen. Die AfD zog daraufhin einen Antrag
       zurück, der auf die Feststellung abzielte, dass eine solche Einstufung
       rechtswidrig wäre.
       
       9 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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