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       # taz.de -- Warum Schleifer Magath in Berlin ist: Hart, härter, Hertha
       
       > Hertha BSC vertraut in der Not auf einen ausrangierten Trainertyp. Und
       > nun sitzt Felix Magath wegen Corona auch noch in Quarantäne.
       
   IMG Bild: Auf dem Hertha-Feldherrenhügel: Felix Magath nach seiner Inthronisierung beim Bundesligisten
       
       Die Grenzen zwischen Realität und Fantasie hat Hertha BSC vergangenen
       Montag mit der Verpflichtung von Felix Magath geradezu magisch verschwimmen
       lassen. Die Idee von Geschäftsführer Fredi Bobic, den Mann wieder ins
       Geschäft zu bringen, der als Prototyp des Schleifers vor einem Jahrzehnt
       [1][nach seiner Kündigung beim VfL Wolfsburg] als Auslaufmodell in der Liga
       verabschiedet wurde, hat ein kollektives Kneifen insbesondere bei den
       Hertha-Fans ausgelöst. Vermutlich hätten sich viele noch am Samstag im
       Olympiastadion gefragt, ob das wirklich Felix Magath sein kann, der da auf
       der Trainerbank ihren geliebten Klub gegen Hoffenheim dirigiert.
       
       Nun wird der 68-Jährige zu Beginn seiner vielfach mit Spannung erwarteten
       Rettungsmission aber gar nicht präsent sein können. Wegen eines
       coronapositiven Tests, so informierte der Verein am Donnerstag, wird er
       sein neues Team vom Hotel aus, genauer vom Laptop aus, coachen müssen. Es
       ist kaum zu glauben, wie fantasievoll auch das Schicksal sein kann. Der
       Schleifer Magath startet als Laptoptrainer bei Hertha. Laptoptrainer
       wurden bislang diejenigen Kollegen genannt, für die Magath nur Spott übrig
       hatte, weil sie statt über Disziplin und Fitness lieber über strategische
       Überlegungen dozierten.
       
       Seit geraumer Zeit werden bei Hertha BSC Entscheidungen getroffen, als wäre
       der Verein Teilnehmer in einem abgefahrenen Phantasyspiel. Zehnjähriges
       Jubiläum etwa feierte jüngst die originelle Eingebung, den damals
       73-jährigen Otto Rehhagel mit dem Auftrag Klassenerhalt zu verpflichten,
       obwohl er bereits 12 Jahre keine Klubmannschaft mehr trainiert hatte. Der
       darauffolgende Abstieg erscheint da fast nebensächlich in der Erinnerung.
       Unnachahmlich eigenwillig war auch der Spielzug, Jürgen Klinsmann aus den
       USA einfliegen zu lassen. Seine fehlende Erfahrung machte er mit großen
       Visionen wett. Er hinterließ vor zwei Jahren [2][nach zehnwöchiger
       Dienstzeit] und fast 80 Millionen Euro Transferausgaben ein für den Klub
       kompromittierendes Tagebuch und auf Facebook seine Kündigung („HaHoHe, Euer
       Jürgen“).
       
       Fredi Bobic, der zu seinem Amtsantritt vergangenen Sommer Vernunft und
       Kontinuität anmahnte („Fünf Trainer in zwei Jahren sind einfach zu viel“),
       greift nun mit seinem dritten Coach in dieser Saison auf einen Trainertyp
       zurück, der in den letzten Jahren nur als Nostalgieinterviewpartner
       angefragt wurde. Wenn der Fußball irgendwie zu kompliziert werden schien,
       bezeugten Felix Magath alias „Quälix“, Eduard Geyer („Ede Gnadenlos“) oder
       Werner Lorant („Werner Beinhart“) auf Bestellung, dass alles eigentlich
       ganz einfach ist. „1860 braucht einen harten Trainer, der auch hart zu sich
       selbst ist“, erklärte Lorant etwa unlängst seinem alten Münchner Verein.
       
       ## Oberfeldwebel im Trainingsanzug
       
       Für den Profifußball, der zunehmend sensibleren Umgang mit Themen wie etwa
       der psychischen Gesundheit pflegt, schienen diese Oberfeldwebel im
       Trainingsanzug nicht wirklich mehr vermittelbar. Schalkes Jefferson Farfan
       nannte bereits vor zehn Jahren Magaths Methoden „menschlich fragwürdig“.
       
       Diese Woche machten wieder einmal die grenzüberschreitenden
       Magath-Anekdoten aus der Vergangenheit die Runde. Die Geschichte etwa, wie
       er das Team des VfB Stuttgart nach einer Niederlage nachts nach der
       Busfahrt auf den Platz in ihrer taktischen Formation Aufstellung nehmen
       ließ und ihnen nach 90 Minuten beschied, so bewegungslos hätten sie heute
       gespielt, konnte man in der Süddeutschen Zeitung nachlesen.
       
       Der Schreckensruf von Magath ist bei Hertha BSC nicht unwillkommen. Bei
       dessen Vorstellung ließ Fredi Bobic erkennen, dass sein Verhältnis zu den
       Hertha-Profis ein sehr distanziertes geworden ist. Die Spieler habe er über
       Magaths Verpflichtung nicht unterrichtet. Es sei nicht seine Aufgabe, jeden
       einzeln abzuholen. Er habe ihnen gesagt: „Schaut immer auf eure Handys,
       weil da guckt ihr ja oft drauf.“ Bereits vor der Niederlage in Gladbach
       hatte Bobic die Frage nach der Verantwortung für die derzeitige
       Hertha-Misere geklärt: „Die Spieler haben im Dialog klar erkannt, dass sie
       das Problem sind.“
       
       Diese Analyse beim Tabellenvorletzten, der sich trotz der Finanzspritze von
       375 Millionen Euro [3][in den letzten drei Jahren durch Investor Lars
       Windhorst] sogar noch in eine schlechtere Position gebracht hat, scheint
       etwas unterkomplex. Der Handlungsdruck in Krisenzeiten fördert oft eher
       grobschlächtige Erkenntnisse zutage.
       
       Magath hat die Woche getan, was von ihm erwartet werden kann. Er
       verbreitete etwas Angst und bemerkte zu Peter Pekarik, der bereits beim VfL
       Wolfsburg unter ihm gespielt hatte: „Ich denke, dass sich der ein oder
       andere Spieler bei ihm erkundigt hat, wie schön das in den nächsten Tagen
       wird.“ Er verzehnfachte die Geldstrafen fürs Zuspätkommen und holte seinen
       vertrauten Konditionstrainer, den ehemaligen Bundeswehroberstleutnant
       Werner Leuthard, nach Berlin.
       
       Bobic glaubt offenbar, dass nur ein autoritäres Regime seinen Spielern noch
       Beine machen kann. Vielleicht ist sein Ansatz aber auch humaner als es
       scheint. Denn Magath zieht alle öffentliche Aufmerksamkeit auf sich und
       sorgt dadurch für ein von Bobic möglicherweise gewünschtes Stück Entlastung
       bei den Spielern. Das ist jedoch am Samstag tragischerweise nur graue
       Theorie. Gegen Hoffenheim wird Felix Magath nicht zu sehen sein. An der
       Seitenlinie steht sein schottischer Assistent Mark Fotheringham. Alle
       Blicke werden sich auf die Profis von Hertha BSC konzentrieren.
       
       19 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /VfL-Wolfsburg-entlaesst-Felix-Magath/!5080959
   DIR [2] /Klinsmann-kapituliert/!5659723
   DIR [3] /Hauptstadt-Club-mit-Defiziten/!5758744
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
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