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       # taz.de -- Rolle der EU im Ukrainekrieg: Strafen statt Reden
       
       > Zwischen der EU und Russland herrscht seit Beginn des Ukrainekriegs
       > weitgehend Funkstille. Nur Deutschland und Frankreich bemühen sich als
       > Vermittler.
       
   IMG Bild: Setzt derzeit nicht auf diplomatische Gespräche mit Russland: EU-Chefdiplomat Josep Borrell
       
       Brüssel taz | Die EU hat die Daumenschrauben für Russland nochmals
       angezogen. Diesmal trifft es weitere, bisher verschonte russische
       Oligarchen und ihre Familien. Sie dürfen nicht mehr einreisen, ihre
       Vermögenswerte werden eingefroren. Außerdem wurde die Ausfuhr von
       Schifffahrtsausrüstung verboten. Nach den russischen Flugzeugen will die EU
       nun auch die Schiffe lahmlegen.
       
       So geht das seit Tagen, eine [1][Strafmaßnahme] jagt die nächste. Das
       amerikanische Ölembargo setzt die Europäer unter Druck, den
       Wirtschaftskrieg weiter zu verschärfen. Beim EU-Sondergipfel am Donnerstag
       in Versailles dürfte es deshalb erneut um Sanktionen und „hard power“, also
       Waffen, gehen. Doch wo bleibt die „soft power“, auf die die EU einst so
       stolz war? Wo bleibt die Diplomatie?
       
       In Brüssel sucht man sie in diesen Tagen vergebens. Die Diplomaten reden
       darüber, wie sie den Preis für Kremlchef Wladimir Putin in die Höhe treiben
       können. Die Ständigen Vertreter der 27 EU-Staaten eilen von einer
       Krisensitzung zur nächsten, immer wieder stehen „restriktive Maßnahmen“ auf
       der Tagesordnung. Von Diplomatie spricht keiner, nicht einmal Josep
       Borrell.
       
       Der Außenbeauftragte ist zwar Europas Chefdiplomat. Doch seit er vor einem
       Jahr bei einem Moskau-Besuch von seinem russischen Amtskollegen Sergei
       Lawrow gedemütigt wurde, findet er keine diplomatischen Worte für Russland
       mehr. Im Gegenteil: Beim letzten Treffen der EU-Außenminister kündigte
       Borrell die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine an. Seine Worte waren so
       harsch und ungeschickt, dass es selbst die Minister grauste.
       
       Wenig diplomatisch gibt sich auch Ratspräsident Charles Michel. Der
       liberale Belgier hält zwar noch einen heißen Draht zu Kremlchef Wladimir
       Putin. Doch als der Kriegsherr am Montag in Brüssel anrief und um
       Vermittlung im Streit um „humanitäre Korridore“ in der Ukraine bat, wurde
       er von Michel abgebügelt. Er habe Putin dazu aufgefordert, die
       Feindseligkeiten umgehend einzustellen und humanitäre Hilfe zu ermöglichen,
       so der EU-Chef.
       
       Diplomatie überlässt man den anderen 
       
       Vermittlung? Fehlanzeige. Die EU hat längst Partei für die Ukraine
       ergriffen und setzt alles daran, Präsident Wolodimir Selenski zu stärken.
       „Die Solidarität, Freundschaft und beispiellose Hilfe der EU für die
       Ukraine sind ungebrochen“, twitterte Michel nach dem frostigen Telefonat
       mit Putin. Eine Vermittlerrolle kommt ihm bisher ebenso wenig in den Sinn
       wie eine diplomatische Initiative. Die überlässt man anderen, wie China
       oder der Türkei. Ausgerechnet das Land, das sich unter Präsident [2][Recep
       Tayyip Erdoğan] immer mehr von Europa und seinen Werten entfernt, soll nun
       zwischen Russland und der Ukraine vermitteln.
       
       Die EU glänzt durch Abwesenheit. Nur Deutschland und Frankreich versuchen,
       die europäische Fahne hochzuhalten. In einer Videokonferenz am Dienstag
       seien sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel
       Macron und Chinas Präsident Xi Jinping einig gewesen, alle Verhandlungen zu
       unterstützen, die auf eine diplomatische Lösung des Konflikts gerichtet
       seien, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin mit.
       
       Demnächst sollen sogar die Außenminister der drei Staaten einen Ausweg aus
       dem Krieg suchen. Doch sie sprechen für Deutschland, Frankreich und China –
       nicht für die EU. Der Club der 27 ist abwesend, wenn es um eine
       Friedenslösung geht.
       
       9 Mar 2022
       
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