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       # taz.de -- In einer Neuköllner Hertha-Kneipe: Drei Schnäpse für ein Halleluja
       
       > Im Rosel in Neukölln leiden sie seit Wochen mit der Herta. Am Samstag
       > gewannen die Berliner ihr erstes Bundesligaspiel im neuen Jahr.
       
   IMG Bild: Auch im Olympiastadion ging es zu wie in einer Kneipe
       
       Und plötzlich kommt man gar nicht mehr hinterher damit, sich die
       überzuckerten Partyschnäpse “Kleiner Klopfer“ hinter die Binde zu kippen,
       die es in der Neuköllner [1][Hertha-Fankneipe Rosel] frei Haus gibt. Immer
       dann, wenn die Hertha ein Tor schießt. Ganze drei Mal darf beim Spiel gegen
       TSG 1899 Hoffenheim gratis geklopft und getrunken werden.
       
       Oliver, Stammgast im Rosel und seit seinem Umzug von Karlsruhe nach Berlin
       vor 15 Jahren Hertha-Fan, sagt, auch in den letzten Wochen und Monaten gab
       es ordentlich Schnäpse bei gefallenen Toren. Und Tore gab es nicht zu
       knapp. Doch die wurden fast ausschließlich von den gegnerischen
       Mannschaften erzielt. Und die habe man dann leider selbst bezahlen müssen.
       
       Am Tag eins der Wiedergeburt von Hertha BSC – und nichts anderes ist dieser
       überraschend deutliche Sieg gegen Hoffenheim, da sind sich alle in der
       Rosel einig – ist in der Fankneipe, an deren Eingang trotzig die blauweiße
       Hertha-Fahne im Wind weht, nicht besonders viel los. Selbst Oliver, der
       Stammgast, sei in der letzten Zeit nicht mehr ganz so regelmäßig
       vorbeigekommen, gibt er zu. Es war einfach zu bitter: Woche für Woche eine
       Klatsche nach der anderen. Da überlegt sich auch der treueste Fan, ob er
       seine Samstage nicht doch auch sinnvoller verbringen könnte.
       
       Selbst jemand, der sich kein Stück für Fußball interessiert, hatte ja
       mitbekommen, dass die Hertha seit Monaten eine verrückte Seifenoper
       inszeniert. Die zig Millionen von einem halbseidenen Investor: verprasst.
       Ein Verein, der eigentlich weit oben in der Bundesliga mitspielen will,
       wanderte Woche für Woche weiter nach unten in der Tabelle, um schließlich
       auf einem direkten Abstiegsplatz angekommen zu sein. Aus den Fanforen klang
       es inzwischen nicht mehr nach Verzweiflung, sondern man war schon eine
       Stufe weiter. Hohn war zu vernehmen und der Wunsch: hoffentlich steigen wir
       endlich ab, damit das Elend ein Ende hat.
       
       ## Magath rettet die Hertha
       
       Und nun ist der sagenumwobene Felix Magath der neue Trainer des Vereins,
       von dem viele wahrscheinlich gar nicht wussten, dass der überhaupt noch
       lebt. Und Oliver sagt: “Mit Magath schaffen wir den Klassenerhalt.“ Da
       steht es allerdings bereits Zwei zu Null für die Hertha.
       
       Es mag daran liegen, dass spätestens nach dem dritten Tor allen klar ist,
       dass der Sieg heute nicht mehr aus der Hand gegeben wird und die “kleinen
       Klopfer“ zusätzlich die Stimmung anheben, aber von der aus den Fanforen
       herauszulesenden Bitterkeit ist bei den Fans in der Rosel nichts zu spüren.
       Paul, der neben Oliver hinter dem Tresen der Fankneipe sitzt, sagt, er sei
       in den letzten Wochen nie negativ gegenüber seinem Lieblingsverein
       eingestellt gewesen. Er sei einfach “nur traurig“ gewesen.
       
       Und es klingt ziemlich reflektiert, wenn Oliver bestätigt, dass man bei
       Hertha, sobald man mal ein Spiel gewonnen hat, einfach zu schnell von
       Höherem träumt und zu wenig von Demut versteht. “Bei Union Berlin“, sagt er
       mit Blick auf die große Nemesis in der Hauptstadt, “singen sie auch dann
       noch, wenn die Mannschaft verliert. Das ist bei uns anders.“ Und er räumt
       ein: “Wir wollen zu schnell alles.“
       
       ## Windhorst stellt Machtfrage
       
       Das wollte auch Investor Lars Windhorst. 374 Millionen hat er bei der
       Hertha verbrannt. Inzwischen hat Windhorst seinen Hauptgegner in
       Hertha-Präsident Werner Gegenbauer ausgemacht. „Für mich ist klar, dass ich
       als Person mit Herrn Gegenbauer nicht mehr zusammenarbeiten kann und
       werde“, sagte Windhorst nach dem Herthasieg – und sprach sich für eine
       Abwahl des Präsidenten bei der Mitgliederversammlung im Mai aus.
       
       Bis dahin aber muss Hertha den Klassenerhalt klarhaben. Aber das sollte
       kein Problem sein, meinen sie im Rosel. Oder doch nicht? Es klingt fast
       schon ein wenig selbstironisch, wenn Oliver sagt, die nächsten Spiele gegen
       Leverkusen und Union und überhaupt gegen jeden, werde man eh gewinnen.
       
       20 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
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