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       # taz.de -- Flüchtlingsunterkünfte in Hotels: Comeback der Ehemaligen
       
       > In Hamburg haben Catering-Unternehmen im Auftrag der Stadt zwei ehemalige
       > Hotels zu Flüchtlingsunterkünften umgebaut. Es herrscht
       > Aufbruchsstimmung.
       
   IMG Bild: Gespendet: Kinderspielwiese im ehemaligen Sofitel am Alten Wall
       
       Hamburg taz | Die Lage ist exzellent, mitten in der Hamburger Innenstadt.
       Fünf Sterne, drei Gänge, eine Poolbar – das ist hier Vergangenheit. Jetzt
       ist der größte Luxus im acht Stockwerke hohen Sofitel am Alten Wall eine
       verriegelbare Zimmertür und ein privates Bad. In dem ehemaligen Hotel am
       Alten Wall kommen seit Dienstag [1][Geflüchtete] unter, bislang etwa 220.
       
       In der Lobby ist es ruhig, nur vereinzelt sitzen Menschen an den Tischen.
       „Täglich kommen zwischen 100 und 150 Geflüchtete hier an“, erzählt Moritz
       Crone-Rawe, der die Unterkunft mit Elke Nüstedt leitet. Weil die meisten
       selbst anreisen und nicht in Reisebussen hier ankommen, bleibt die Lage an
       der Rezeption meist entspannt. Crone-Rawe ist Geschäftsführer des
       Catering-Unternehmens „Rolling Taste“. Den Auftrag, das Hotel zu betreiben,
       haben er und seine Kolleg:innen vor zwei Wochen von der Stadt erhalten.
       
       In Zukunft soll das Sofitel, das im vergangenen Sommer schloss, abgerissen
       werden, aber bis jetzt stand es leer, keine fünf Minuten vom Rathaus
       entfernt. Das Mobiliar war in Teilen noch vorhanden, vieles aber auch
       defekt oder verschmutzt.
       
       Das Gebäude in zwei Wochen zu einer Erstaufnahmeunterkunft umzugestalten,
       war für das rund 20-köpfige Team hinter „Rolling Taste“ ein Kraftakt im
       Eiltempo. Schon [2][2015] hatte die Firma im Auftrag der Stadt in
       Aufnahmeeinrichtungen gekocht, einige Geflüchtete sind zu Mitarbeitenden
       geworden.
       
       Dutzende Stockbetten hat das Team Möbelhäusern in ganz Norddeutschland
       abgekauft und in den Zimmern mithilfe der freiwilligen Feuerwehr aufgebaut,
       um die Kapazität im Haus zu verdoppeln. Die meisten Räume haben vier
       Schlafplätze, einige zwei, die ehemaligen Suiten sogar acht. Die Kapazität
       wuchs so auf 850 Plätze. Jedes Zimmer hat ein eigenes Bad, einen Tisch,
       Stühle und eine abschließbare Tür. All das hebt die Unterkunft von
       notdürftig hergerichteten Turnhallen oder dem Bettenlager in den
       Messehallen ab.
       
       Elke Nüstedt behält den Überblick über die Lage. „Als wir vor zwei Wochen
       hier angekommen sind, hat man sich so manches Mal gefühlt wie in einem Lost
       Place“, schildert sie ihre ersten Eindrücke vom Hotel. Eigentlich ist sie
       Küchenchefin, jetzt managt sie eine der größten Unterkünfte für Geflüchtete
       in Hamburg. Zum Glück habe man schon einige Mitarbeitende, die entweder
       ukrainisch oder russisch sprechen, erzählt Nüstedt. Sogar Geflüchtete, die
       vor ein oder zwei Wochen in Hamburg angekommen seien, würden sich jetzt
       bewerben. Dass sich außerdem bereits über 100 Menschen für ehrenamtliche
       Mitarbeit gemeldet haben, freut sie sehr.
       
       In einem ehemaligen Konferenzraum des Hotels hat das Team eine Spielwiese
       eingerichtet und, weil unter den Spenden so viele Bobbycars abgegeben
       wurden, dahinter auch gleich noch eine kleine Rennstrecke. Im Raum davor
       reihen sich Dutzende Brettspiele aneinander. Heute spielen nur wenige
       Kinder hier. Viele Familien seien bei Behörden, die Lage in der Unterkunft
       auch generell noch entspannt, erzählt Crone-Rawe, den hier alle Moe nennen.
       
       Die ehemaligen Konferenzräume des Hotels sind weitestgehend in
       Aufenthaltsräume umfunktioniert und ermöglichen soziale Begegnungen. Auch
       für die medizinische Versorgung stehen Räume bereit. Ob die Stadt
       allerdings eine erste Anlaufstelle für die Gesundheitsversorgung in der
       Unterkunft einrichten wird, ist noch offen.
       
       Ebenfalls vor zwei Wochen startete in St. Pauli am Neuen Pferdemarkt die
       „Kochfabrik“ damit, das in die Jahre gekommene Hotel „Pacific“ fit zu
       machen, um bis zu 180 Geflüchtete unterzubringen. Die 60 Zimmer des
       einfachen Hotels, das seinen Betrieb zum Jahreswechsel eingestellt hatte,
       sind kleiner als jene im Sofitel, haben oft auch kein eigenes Bad.
       Doppelbetten wurden gegen Stockbetten ausgetauscht, die allerdings online
       bestellt werden mussten – die Bestände der Möbelhäuser in der Region gingen
       an „Rolling Taste“ und das Sofitel. Gemeinschaftsräume stehen im Hotel
       „Pacific“ bis auf das alte Restaurant nicht zur Verfügung. Die Küche ist
       klein, viele Küchengeräte haben Helfer:innen von zu Hause mitgebracht.
       
       Kinderspielzeug und Kinderbetten haben Nachbar:innen gespendet. Doch
       neben ehrenamtlicher Hilfe muss auch neues Personal eingestellt werden, um
       die [3][Arbeit zu bewältigen].
       
       Die ersten Bewohner:innen werden am Montag erwartet. Die Stadt möchte
       möglichst schnell eine Vollbelegung erreichen, um die Kosten gering zu
       halten. Für ein Jahr sind die ehemaligen Hotels vorerst angemietet.
       
       26 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Flucht/!t5201005
   DIR [2] https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/217367/das-jahr-2015-flucht-und-fluechtlinge-im-fokus-ein-rueckblick/
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