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       # taz.de -- Legendärer Jugendclub in Berlin: Die Potse soll leise sein
       
       > Der Jugendclub Potse hat nach vielen Querelen neue Räume. Doch richtig
       > wohl fühlen sich die jungen Leute dort nicht, Konzerte gibt es auch
       > keine.
       
   IMG Bild: Stück für Stück wird die alte Zollgarage zu einem Jugendclub hergerichtet
       
       Berlin taz | Ein lautes Quietschen hallt durch die Zollgarage am
       Tempelhofer Feld, als sich deren weiße Stahltür langsam öffnet. Früher
       dienten die Hallen als Logistikfläche für US-amerikanische Truppen. Heute
       führt die Tür [1][zu den neuen Räumen des selbstverwalteten Jugendclubs
       Potse]. Drinnen springen einem auch direkt die blauen Potse-Lettern ins
       Auge, die schon früher den Besucher*innen klarmachten, wo sie sich
       befinden. Selbst das alte For-Free-Regal hat seinen Platz direkt neben der
       Tür gefunden.
       
       Doch seit der Vertragsunterzeichnung für die neuen Räume im September 2021
       hat sich in der alten Zollgarage auch einiges getan. Die Potse lädt
       regelmäßig zu sogenannten Bauwochenenden ein. Dabei können die Jugendlichen
       ihren Club so gestalten, wie es ihnen gefällt. „Es ist schön, so viele neue
       Jugendliche zu sehen, die Lust haben, die Potse aufzubauen“, sagt Puk*, der
       an diesem Tag das Bauwochenende leitet.
       
       Neben altbekannten Einrichtungsstücken wie dem Potse-Tresen oder den mal
       mehr, mal weniger gut funktionierenden Tischkickern findet sich
       mittlerweile jede Menge Neues. So haben sich die Jugendlichen eine mit
       Transparenten geschmückte Couch-Insel errichtet, die sich ironischerweise
       direkt neben dem ebenfalls neuen Turnbereich befindet.
       
       Doch trotz der Freude, nach drei Jahren Suche endlich neue Räumlichkeiten
       zu haben, gibt es viele Probleme mit dem neuen Ort. Denn von adäquaten
       Ersatzräumen kann nicht die Rede sein.„Ich finde die neue Räumlichkeiten –
       ehrlich gesagt – beschissen“, sagt Yoshi*, einer der Potse-Sprecher. „Es
       ist schön, endlich wieder einen Raum zu haben, das ist zumindest ein
       Anfang. Fakt ist aber, dass wir den Großteil unserer Angebote wie Konzerte,
       Bandproberäume und KüfA (Küche für Alle) nicht mehr umsetzen können.“ Dass
       die Zollgarage zudem unter Denkmalschutz steht, bringe ebenfalls eine Menge
       Probleme mit sich.
       
       Wer die alten Räumlichkeiten kennt, erinnert sich an die bunt verzierten
       Wände, die über 40 Jahre lang als Leinwände für viele Generationen von
       Jugendlichen fungierten. Auch wenn die weißen Wände der neuen Potse
       förmlich dazu einladen, diese auch hier zu verzieren, muss mit dieser
       Malerei Schluss sein. Denn laut Potse-Sprecher Paul wurde bereits mündlich
       mit einer Kündigung gedroht, sollten Schäden an der Zollgarage entstehen.
       
       Natürlich können die Potse-Jugendlichen auf das Bemalen der Wände
       verzichten – was ist aber mit Besucher*innen? „Spätestens nach der ersten
       Veranstaltung wird irgendwo ein Tag sein“, befürchtet Yoshi.
       
       Ein essenzieller Bestandteil der Jugendarbeit der Potse waren seit ihrer
       Gründung 1979 Konzert- und Tanzveranstaltungen, bei denen Jugendliche
       kostenfrei ihre ersten Partyerfahrungen sammeln konnten. Auch damit ist
       hier Schluss: Eine „laute Nutzung“ der Zollgarage sei nicht möglich, da
       diese „nur über einen begrenzten baulichen Schallschutz“ verfüge und man
       „eine Beeinträchtigung der langjährigen Mieter in der unmittelbaren
       Nachbarschaft“ vermeiden wolle, bestätigt die Tempelhof Projekt GmbH, die
       Eigentümerin der Zollgarage ist, auf Anfrage der taz.
       
       Das Lärmproblem war sowohl der Potse als auch dem Bezirksamt und der
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vor Unterzeichnung des Mietvertrags
       bekannt. Aber: „Wir haben die Zusage bekommen, dass Gelder geklärt werden
       und ein Umbau stattfindet“, sagt Paul. Dabei sei es bisher allerdings
       geblieben.
       
       Ein Schallschutzgutachten erbrachte mehrere Vorschläge, wie eine laute
       Nutzung ermöglicht werden könnte: Neben dem Einbau einer schalldämpfenden
       Decke sei auch eine „Raum-in-Raum-Lösung“ denkbar. Dabei würde ein
       schallisolierter Raum in die bereits bestehenden Räumlichkeiten eingebaut.
       Es fehlen allerdings noch konkrete Pläne und vor allem Geld für die
       Umsetzung.
       
       Auf taz-Anfrage, welche Baumaßnahmen in der Zollgarage geplant seien,
       antwortete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: „Die Finanzierung
       notwendiger Umbauten für die von der Potse gewünschte Nutzung ist nicht
       gesichert, dementsprechend gibt es keine Planungen für Baumaßnahmen.“ Auch
       die Tempelhof Projekt GmbH sieht sich nicht in der Verantwortung und
       erklärt, „dass ein Budget für die Umbauten momentan nicht vorhanden ist“.
       
       Die Jugendlichen befürchten, dass die Potse das gleiche Schicksal ereilen
       wird wie den Partnerclub Drugstore. Denn trotz bereits im Juni 2019
       unterschriebenen Mietvertrags sitzt dieser auf der Straße, da die neuen
       Räume in der Potsdamer Straße immer noch nicht bezugsfertig sind. Zudem
       läuft der neue Mietvertrag bereits kommendes Jahr aus. Ob er von der
       Eigentümerin Gewobag verlängert wird, ist ungewiss.
       
       Der Vertrag der Potse für die Zollgarage ist auf fünf Jahre begrenzt, mit
       Option auf Verlängerung. Denn eigentlich ist geplant, Potse und Drugstore
       im noch zu erbauenden Haus der Jugend unterzubringen. Wann das sein wird,
       ist noch nicht bekannt. Der Tempelhof-Schöneberger Jugendstadtrat Oliver
       Schworck (SPD) erklärt auf taz-Anfrage: „Das Haus der Jugend ist derzeit
       gerade mal in der Planung, es wird also noch eine Zeit dauern.“ Die
       Vermutung liege nahe, so die Potse-Sprecher, dass der Senat den Umbau der
       Zollgarage aussitze, bis das Haus der Jugend fertiggebaut sei.
       
       * Die Sprecher von Potse und Drugstore ziehen es vor, in Medien mit ihren
       Spitznamen genannt zu werden
       
       12 Apr 2022
       
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