# taz.de -- Aktuelle Lage in der Ukraine: Frauen und Kinder unter Trümmern
> In Mariupol sind nach russischen Luftangriffen zahlreiche Zivilisten
> verschüttet. Auch in vielen anderen Städten gibt es Tote. Der Überblick.
IMG Bild: Am 17. März in einem Krankenhaus bei Kiew: Mitarbeiter suchen im Keller Schutz vor Bomben
Berlin taz | Es könnte das bisher blutigste Kriegsverbrechen in der Ukraine
sein. Das Drama-Theater in dem von russischen Truppen [1][eingekesselten
Mariupol], in das sich unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 500 und
1.200 Zivilisten geflüchtet hatten, wurde am Mittwochabend durch einen
russischen Bombenangriff direkt getroffen, viele Menschen wurden
verschüttet.
Einen versehentlichen Angriff schließen Beobachter aus. Das imposante
Theatergebäude liegt allein mitten in einem weitläufigen Park. Auf
Satellitenaufnahmen vom Montag war auf den Flächen vor und hinter dem
dreistöckigen Gebäude in großen weißen Buchstaben das russische Wort „deti“
(„Kinder“) zu lesen.
Ein von den Behörden veröffentlichtes Foto zeigte am Donnerstag ein
zerstörtes Gebäude und darüber dichter Rauch. Das Kellergeschoss, in dem
sich die Menschen aufhielten, ist nach Angaben der Stadtverwaltung
verschüttet. Rettungskräfte versuchten am Donnerstag, zu den Menschen
vorzudringen. Petro Andruschtschenko, ein Berater des Bürgermeisters,
sagte: „Jetzt werden die Trümmer beseitigt. Es gibt Überlebende.“
Mariupols Bürgermeister Wadym Boitschenko wies russische Angaben zurück,
das rechtsextreme Freiwilligenregiment Asow habe sein Hauptquartier in dem
Gebäude gehabt. Videoaufnahmen von dem Luftangriff zeigen Kellerräume mit
dicht zusammengepferchten Menschen, zumeist Frauen und Kinder. Aus
Theatersesseln, berichteten Bewohner, wurden Betten, aus den Holzrahmen
Feuerholz zum Kochen.
## „Das ist Terrorismus pur“
Gegenüber BBC schilderte eine 38-Jährige, wie bedrängt das Leben in den
Kellern war, wo erst nach vier Tagen Lebensmittel von der Armee angeliefert
werden konnten. Sie habe das Gebäude mit ihrem Sohn am Dienstag verlassen,
weil andere Gebäude in der Gegend bereits zerstört waren und sie damit
rechnete, das Theater käme als nächstes dran.
Russische Luftangriffe trafen nach Angaben des Verwaltungschefs auch das
Gelände des Neptun-Schwimmbads in Mariupol. Auch dort hatten Zivilisten
Schutz gesucht. „Jetzt liegen dort schwangere Frauen und Frauen mit Kindern
unter den Trümmern. Das ist Terrorismus pur“, sagte er. In Mariupol sind
nach Behördenangaben 80 bis 90 Prozent aller Gebäude zerstört und 2.400
Zivilisten sind getötet worden.
Die erneute Intensivierung der russischen Luftangriffe machte am Donnerstag
die am Mittwoch verbreiteten Hoffnungen auf eine baldige diplomatische
Lösung des Konflikts zunichte. Bombenangriffe konzentrierten sich neben
Mariupol auf das 280.000 Einwohner zählende nordukrainsiche Tschernihiw,
dessen Kontrolle russischen Truppen den Weg nach Kiew versperrt.
„Die Stadt hat noch nie solche albtraumhaften, kolossalen Verluste und
Zerstörungen erlebt“, sagte am Donnerstag Gouverneur Wjatscheslaw Tschaus.
Die Leichen von 53 Opfern russischer Angriffe seien in den vergangenen 24
Stunden geborgen worden. Laut Staatsanwaltschaft erschossen russische
Soldaten 10 Menschen in einer Schlange vor einer Bäckerei.
In der Kleinstadt Merefa südlich von Charkiw wurden am Donnerstagmorgen
nach Angaben der örtlichen Staatsanwaltschaft mindestens 21 Menschen durch
russischen Artilleriebeschuss getötet, als eine Schule und ein
Kulturzentrum zerstört wurden. Russland dementiert systematisch jeden
Angriff auf ukrainische Städte oder Zivilisten.
Iwan Federow, der von [2][russischen Besatzern] entführte Bürgermeister der
Stadt Melitopol, kam in der Nacht zu Donnerstag wieder frei. Die Ukraine
übergab im Austausch 9 gefangene russische Soldaten. (Mit rtr, afp)
17 Mar 2022
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DIR Dominic Johnson
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