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       # taz.de -- Fehlplanung bei Invasion in der Ukraine: Moskauer Machtkämpfe
       
       > In Russlands Führungselite rumort es gewaltig. Hintergrund sollen die
       > strategischen Fehler beim Überfall auf die Ukraine sein.
       
   IMG Bild: Wem vertraut er? Russlands Präsident Putin bei einer Videokonferenz am vergangenen Donnerstag
       
       Das hat es noch nie gegeben in Wladimir Putins Russland: Es ist
       offensichtlich zum Zerwürfnis gekommen zwischen dem Präsidenten und
       Ex-FSB-Chef Putin und ebendiesem FSB. Ausgerechnet für den Chef der 5.
       Abteilung des Geheimdienstes, der für die Aufklärung im Ausland und damit
       auch für die russischen Geheimdienstaktivitäten in der Ukraine zuständig
       ist, Sergej Beseda, wurde Hausarrest angeordnet. Auch Besedas
       Stellvertreter, Anatolij Boljuch, befindet sich derzeit im Hausarrest. Dies
       berichtet der ehemalige Duma-Abgeordnete Ilja Ponomarjow auf seiner
       Facebook-Seite.
       
       Ponomarjow hat gute Kontakte zur russischen Elite. Er war der einzige
       russische Abgeordnete, der 2014 gegen die Annexion der Krim stimmte.
       Inzwischen ist er ukrainischer Staatsbürger. „Der Machtkampf zwischen der
       Armee und den Geheimdienstlern bei der Suche nach den Schuldigen für das
       Fiasko in der Ukraine eskaliert in Moskau“, schreibt Ponomarjow auf seiner
       Facebook-Seite.
       
       Der als Blitzkrieg geplante Einsatz wird für Moskau zunehmend ein Desaster.
       „Es war die 5. Abteilung, die Wladimir Putin am Vorabend der Invasion mit
       Informationen über die politischen Entwicklungen in der Ukraine versorgt
       hatte. Und es scheint, dass Putin nach zwei Wochen Krieg endlich begriffen
       hat, dass er einfach in die Irre geführt wurde: Der 5. Dienst hat ihm aus
       Angst, ihn zu verärgern, nur das erzählt, was er selbst hören wollte“,
       analysiert die aus dem Exil arbeitende oppositionelle russische Plattform
       meduza.io.
       
       Und nun sorgt diese Fehleinschätzung für eine als Hausarrest getarnte
       Verhaftung der vermeintlich Schuldigen. Für die von tschetschenischen
       Oppositionellen betriebene Plattform Kavkaz-Center ist dieser Hausarrest
       bereits ein Hinweis auf einen Machtkampf in der russischen Elite.
       
       ## Wer hat Einfluss auf Putin?
       
       Keine Hoffnungen auf einen Aufstand von Russlands Oligarchen macht sich die
       israelische Journalistin Sofi Schulman. Die Oligarchen in Putins Umfeld, so
       Schulman, hätten wenig Einfluss auf dessen Entscheidungen in militärischen
       Fragen. Da halte sich Putin eher an die Chefs der militärischen Aufklärung,
       des Inlands- und des Auslandsgeheimdienstes.
       
       Wirklichen Einfluss auf Putin hätten nur die „nicht sehr reichen“
       Oligarchen Igor Setschin und die Brüder Rotenberg. Zu klar sei den
       Oligarchen, dass es ihnen ergehen könnte wie Michail Chodorkowski, der
       lange in Haft war. Im günstigsten Fall. Möglicherweise warte auf
       widerspenstige Oligarchen aber auch eine Kugel. Und selbst wenn sich die im
       Volk verhassten Oligarchen gegen Putin stellen würden, würde das in der
       öffentlichen Meinung wenig bewirken, so die israelische Journalistin auf
       vesty.co.il. Nur wenn Millionen Menschen auf die Straße gingen, zitiert
       Schulman einen Oligarchen, ließe sich der Tyrann stürzen.
       
       Noch sind es keine Millionen. Aber der Widerstand gegen den Krieg ist in
       ganz Russland unübersehbar. Seit Kriegsbeginn sind fünfzehntausend Menschen
       in 70 russischen Städten wegen ihrer Beteiligung an Aktionen gegen den
       Krieg festgenommen worden. Und vor wenigen Tagen hat der bekannte
       kommunistische Abgeordnete und Publizist Maxim Schewtschenko aus Protest
       gegen den Krieg sein Mandat im Rat des Gebietes Wladimir niedergelegt.
       
       Am Dienstag muss sich die 80-jährige Menschenrechtlerin Swetlana
       Gannuschkina, Vorsitzende der Flüchtlingsorganisation „Komitee
       Bürgerbeteiligung“, Vorstandsmitglied des Menschenrechtszentrums Memorial
       und Trägerin des Alternativen Nobelpreises von 2016, vor einem Moskauer
       Gericht verantworten. Der Vorwurf: Sie habe sich an einer nicht genehmigten
       Veranstaltung gegen die „Sonderoperation in der Ukraine“ beteiligt.
       
       14 Mar 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
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