# taz.de -- Hilfen wegen der hohen Energiekosten: Wir müssen über Belastungen reden
> Statt die Gesellschaft auf steigende Belastungen vorzubereiten, kauft man
> sich Lösungen. Die Ampel gewichtet den Koalitionsfrieden höher.
IMG Bild: zerstörtes Kiew am 21. März: Die Solidarität mit der Ukraine ist groß – kosten soll sie wenig
Trifft man am [1][Berliner Hauptbahnhof auf die Menschen, die aus der
Ukraine ankommen], dann kriecht neben Mitleid auch eine leise Scham in
einem hoch. Da die Frauen und Kinder, die ihr gesamtes bisheriges Leben
zurücklassen mussten. Menschen, die brutal zum Verzicht gezwungen wurden.
Und hier wir, die wir unberührt von diesem Krieg unser Leben weiterleben.
Trotz der [2][fatalen Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle], die zu einem
Gutteil aus Russland stammen und deren Verkauf Woche für Woche 1 Milliarde
Euro in Putins Kriegskassen fließen lässt, trotz des moralischen Drucks auf
Deutschland, sich aus dieser für andere tödlichen Abhängigkeit umgehend zu
lösen, gibt es vier Wochen nach Kriegsbeginn noch immer keine
Ad-hoc-Maßnahme, den Konsum fossiler Energie einzuschränken: kein
Tempolimit, keine autofreien Tage und keine ungeheizten öffentlichen
Gebäude.
Im Gegenteil: Die Ampel-Regierung hat diese Woche ein [3][Entlastungspaket]
auf den Weg gebracht, das die hohen Energiepreise abfedern soll und den
Menschen suggeriert: Macht so weiter, wir sorgen dafür, dass es euch nichts
kostet. Dabei hat die Ampel die Gelegenheit versäumt, die Gesellschaft auf
Verzicht und steigende Belastungen vorzubereiten.
Krisen öffnen auch immer Möglichkeitsfenster. Als die Brennstäbe in den
Reaktorblöcken von Fukushima schmolzen, beschloss die Regierung Merkel den
Ausstieg aus der Kernenergie. Als Russland in die Ukraine einmarschierte,
sagte die Regierung [4][Scholz über Nacht Ja zu Waffenexporten und
Aufrüstung]. Auf anderen Feldern lässt sie diese Radikalität bislang
vermissen.
Doch die Ampel gewichtet den Koalitionsfrieden höher. Statt Konflikte
auszufechten, kauft man sich Lösungen. Sonst hätten sich SPD und Grüne
längst mit der FDP angelegt, die ein Tempolimit auf Autobahnen für einen
Angriff auf die individuelle und Steuererhöhungen für einen Anschlag auf
die unternehmerische Freiheit hält.
Den Debatten über Zumutungen ist jedoch nicht zu entkommen. Wenn im
nächsten Jahr die Schuldenbremse wieder greift und die Quelle grenzenloser
Kredite versiegt, dann muss man für steigende Ausgaben entweder an anderer
Stelle sparen oder über neue Einnahmequellen nachdenken, etwa über Steuern
auf Vermögen und Erbschaften. Der grüne Wirtschaftsminister muss den
Mineralölkonzernen nicht nur drohen, ihre Kriegsgewinne abzuschöpfen,
sondern es tatsächlich tun.
Die Debatte über ein Tempolimit dürfte da noch die unkomplizierteste sein.
Wenn die einen alles zurücklassen mussten, ist es für die anderen zumutbar,
etwas langsamer zu fahren. Hier denkt die Mehrheit der Bürger:innen
längst weiter als die Regierung.
25 Mar 2022
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## AUTOREN
DIR Anna Lehmann
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