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       # taz.de -- Kampf um Einflusssphäre: Chinas Schachzüge im Südpazifik
       
       > Die Salomonen und China wollen ein Sicherheitsabkommen unterzeichnen.
       > Australien und Neuseeland sind alarmiert, haben aber die Region
       > vernachlässigt.
       
   IMG Bild: Der salomonische Premier Sogavare und der chinesische Premier Keqiang, Zermonie in Peking, 2019
       
       Canberra taz | China versucht seit Jahren mit günstigen Krediten und
       Infrastrukturprojekten Länder im Südpazifik für sich zu gewinnen. Doch seit
       letzte Woche bekannt wurde, dass die Salomonen und China ein
       Sicherheitsabkommen schließen wollen, sind Australien und Neuseeland
       alarmiert.
       
       Die konservative Regierung in Canberra von Premierminister Scott Morrison
       drückt mit zum Teil markigen Worten ihre Ablehnung einer engeren
       Kooperation zwischen Honiara und Peking aus. Schon der Gedanke an einen
       chinesischen Militärstützpunkt nur 2.000 Kilometer vor Australiens Ostküste
       ist inakzeptabel.
       
       Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern fürchtet die „potenzielle
       Militarisierung der pazifischen Region“. Wellington sehe keine
       Notwendigkeit für Chinas Militärpräsenz auf den Salomonen. Australien und
       Neuseeland sehen sich traditionell als Verbündete der Südpazifikstaaten.
       Doch die Allianzen lösen sich zunehmend auf.
       
       Mit 700.000 Einwohnern sind die Salomonen dort einer der politisch
       bedeutendsten Staaten. Die rohstoffreiche, aber bitterarme Nation verbündet
       sich immer enger mit China – trotz Kritik im eigenen Land.
       
       ## Salomonen empfinden Reaktionen beleidigend
       
       Nachdem die Regierung von Premier Manasseh Sogavare 2019 die diplomatische
       Anerkennung Taiwans aufgegeben und sich Peking zugewandt hatte, [1][kam es
       im November in der Hauptstadt Honiara zu Brandschatzungen] chinesischer
       Geschäfte.
       
       Letzte Woche gelangte der unterschriftsreife geheime Kooperationsvertrag
       mit Peking an die Öffentlichkeit. Am Dienstag empörte sich Sogavare über
       die Reaktionen in Australien und Neuseeland. Diese seien „sehr beleidigend“
       gewesen, sagte er im Parlament. „Es ist klar, dass wir die Beziehungen des
       Landes zu anderen Partnern diversifizieren müssen, und was ist daran
       falsch?“ Australien und Neuseeland hätten die Salomonen „als unfähig
       gebrandmarkt“, selbst als souveräner Staat zu handeln.
       
       Sein Unmut überrascht nicht. Australien hat als größter und reichster Staat
       der Region laut Kritikern die Unterstützung der kleinen pazifischen
       Nachbarn in den letzten Jahren vernachlässigt. Und die China-kritische
       Rhetorik australischer Politiker und Kommentatoren eskaliert seit Monaten.
       
       Der Ex-Chefredakteur der einflussreichen Fachzeitschrift The Diplomat,
       David Llewellyn-Smith, warnte gar vor einem „Verlust der australischen
       Souveränität und Demokratie“, sollte Peking in den Salomonen einen
       Militärstützpunkt bauen dürfen.
       
       ## Arrogante Reaktionen in Australien
       
       Chinesische Raketen könnten Australiens Ostküstenstadt Brisbane von Honiara
       aus „in 15 Minuten erreichen“. Canberra dürfe Pekings Ausbau der
       Militärpräsenz „unter keinen Umständen akzeptieren“, sondern müsse dann
       erwägen, die Salomonen militärisch zu besetzen und die China-freundliche
       Regierung zu stürzen.
       
       Premier Sogavare erklärte: „Es gibt keine Absicht, China zu bitten, eine
       Militärbasis auf den Salomonen zu errichten“, und sprach von „unbegründeten
       Geschichten“, die „beleidigend“ seien. Doch dürfte dies Canberra und
       Wellington kaum besänftigen.
       
       China hat in den letzten Jahren auch in anderen Südpazifikstaaten wie
       Kiribati und Vanuatu seinen Einfluss vergrößert. Dort wächst die Rolle
       Pekings als Verbündetem auf Kosten der traditionellen Partner Australien
       und Neuseeland.
       
       So wurden bei den Unruhen im November in den Salomonen schon chinesische
       Waffen gegen Protestierende eingesetzt. Die dortige Polizei wird inzwischen
       von chinesischen Experten in der Kontrolle von Demonstrationen ausgebildet.
       
       ## Peking dehnt Einfluss in Medien aus
       
       Am größten aber ist Chinas Einfluss in den Medien. Laut der
       Medienforscherin Sue Ahern nutze China die finanziellen Schwierigkeiten
       vieler Verlage, um die Berichterstattung zu lenken. „Viele Medien haben
       wegen Covid gelitten. Dazu kam die Digitalisierung. Manche Zeitungen haben
       ihr gesamtes Anzeigeneinkommen verloren. Journalisten sind entlassen
       worden, andere haben seit Monaten kein Gehalt“, so Ahern zur taz. Anders
       als Australien und Neuseeland helfe China gerne und rasch.
       
       „Es ist leichtes Geld. Journalisten müssen nur die chinesische Botschaft
       anrufen. Und sie bekommen, was sie wollen“ – Computer, Autos und sogar
       Reisen nach China. „Es ist Teil einer weltweiten Kampagne Pekings“, glaubt
       Ahern. „Es geht darum, die chinesische Sichtweise rund um die Welt zu
       verbreiten.“
       
       Auch die Internationale Journalisten-Föderation warnt, dass ausländische
       Medienschaffende mit Austauschprogrammen, Reisen und finanzieller
       Unterstützung gelockt würden. Peking biete ausländischen Zeitungen
       kostenlose Inhalte an. Chinesische Botschafter schrieben Meinungsartikel
       für lokale Medien.
       
       ## Experten sind sich uneinig über Pekings Ziele
       
       Doch sei die Großzügigkeit nicht bedingungslos, sagt Ahern. China nehme
       direkt und indirekt Einfluss auf die Berichterstattung unterstützter
       Medien. Als Beispiel nennt sie ein Medienunternehmen, dessen Manager
       geglaubt habe, Chinas Botschafter akzeptiere, dass seine Zeitung eine
       unabhängige Redaktionspolitik verfolge. Doch dann sei er aufgefordert
       worden, wortwörtlich eine Pressemitteilung des Diplomaten zu
       veröffentlichen.
       
       Experten sind sich nicht einig über Chinas Absichten im Südpazifik. Die
       einen meinen, Peking sei vor allem an wirtschaftlicher Expansion in dem
       fisch- und rohstoffreichen Gebiet interessiert. Andere dagegen warnen vor
       militärischer Aufrüstung.
       
       Sie dürften sich durch die neusten Entwicklungen bestätigt sehen.
       Unbestritten ist: Peking will möglichst viele Länder dazu bringen, sich von
       Taiwan abzuwenden. Nachdem 2019 auch Kiribati die Seite gewechselt hatte,
       stehen von den insgesamt 14 Kleinstaaten nur noch vier zu Taiwan.
       
       30 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
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   DIR Urs Wälterlin
       
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