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       # taz.de -- Mehr Diversität in der NFL: Voll in die Offensive
       
       > In der National Football League müssen die US-Klubs bei der
       > Trainerauswahl künftig mehr auf Diversität achten. Eine Klage ist
       > Auslöser für den Wandel.
       
   IMG Bild: Coach Brian Flores (l.) von den Miami Dolphins hat mit seiner Klage die NFL unter Druck gesetzt
       
       Man stelle sich vor: Die Vertreter der 36 deutschen Fußballklubs der ersten
       und zweiten Bundesliga treffen sich und beschließen, dass künftig jeder
       Klub mindestens einen Assistenztrainer mit Migrationshintergrund einstellen
       muss. Oder eine Frau.
       
       Eben: Das ist kaum vorstellbar. Obwohl auch in diesem Land langsam
       ernsthafter über Rassismus diskutiert wird. Obwohl im Fußball überdeutlich
       ist, dass Spieler mit türkischen oder afrikanischen Wurzeln zwar die
       DFB-Auswahlmannschaften dominieren, aber auf der Funktionärsebene
       Minderheiten immer noch kaum vorkommen. Allerdings: [1][Tayfun Korkut] hat
       noch nicht die Bundesliga wegen Rassismus verklagt. Brian Flores aber hat
       das getan. Und weil Flores im Februar mit seiner Klage gegen die National
       Football League (NFL) und einige ihrer Klubs gewaltige Schlagzeilen machte,
       sah sich der umsatzstärkste Sportunterhaltungsbetrieb der Welt zu einem
       spektakulären Schritt gezwungen.
       
       Am Montag verkündete die NFL, künftig müsse jedes NFL-Team mindestens einen
       Assistenztrainer, der einer Minderheit angehört, oder eine
       Assistenztrainerin einstellen. Die Liga selbst übernimmt in den ersten
       Jahren einen Teil des Gehalts der neu Eingestellten, die im Offensivbereich
       beschäftigt werden müssen. Der Grund: In den für die Verteidigung
       verantwortlichen Trainerstäben sieht es mit Minderheiten viel besser aus,
       nahezu die Hälfte aller Defensiv-Koordinatoren identifizieren sich als
       Minderheiten. Aber die Cheftrainer sind meist Offensiv-Spezialisten.
       
       Die Folge: Zwar sind ungefähr 70 Prozent der NFL-Spieler Afro-Amerikaner,
       aber aktuell nur zwei von 32 Cheftrainern Schwarz, nur fünf gehören
       ethnischen Minderheiten an. „Es gibt den Trend, dass Cheftrainer aus der
       Offensive kommen“, erklärte Art Rooney, der Besitzer der Pittsburgh
       Steelers, „aber gerade dort gibt es zu wenige Vertreter von Minderheiten.“
       
       ## Vorab vergebene Jobs
       
       Dass die NFL Rooney vorschickte, um vor der Presse die neuen Bestimmungen
       zu erläutern, war kein Zufall. Handelt es sich doch um eine Verschärfung
       der sogenannten Rooney Rule, die auf seinen Vater Dan Rooney zurückgeht.
       Der war die treibende Kraft dafür, dass NFL-Teams seit 2003 verpflichtend
       Kandidaten aus Minderheiten zu Vorstellungsgesprächen einladen müssen, wenn
       sie Toppositionen in ihrem Trainerstab besetzen. Eine Vorschrift, die von
       vielen US-Unternehmen adaptiert wurde, deren Wirksamkeit indes umstritten
       ist. In der NFL hatte sie zur Folge, dass nicht mehr Chefcoaches mit einem
       diversen Background eingestellt wurden, sondern dass potenzielle Kandidaten
       wie Brian Flores auf ausgiebige, aber schlussendlich erfolglose
       Jobinterview-Reisen geschickt wurden. Die Jobs waren schon vorab an weiße
       Bewerber vergeben. Dagegen unter anderem klagte Flores im Februar.
       
       Zu den neuen Vorschriften gehört auch, dass Frauen den Minderheiten in der
       „Rooney Rule“ gleichgestellt werden. Theoretisch könnte also ein
       NFL-Eigentümer, der einen Cheftrainer sucht, zwei weiße Frauen zum
       Vorstellungsgespräch einladen, um den Vorschriften gerecht zu werden. Ein
       unwahrscheinliches Szenario, glaubt Art Rooney: „Es gibt einfach aktuell zu
       wenige Frauen im Kandidaten-Pool.“
       
       Zusätzlich beschloss die Liga, ein Komitee für Diversity einzurichten, das
       die Implementierung der Regeln überprüfen soll, das aber nur beratende
       Funktion besitzt. Auch dass es kaum Minderheitenvertreter*innen
       unter den mächtigen Klubbesitzern gibt, wurde kritisiert. Konkrete
       Maßnahmen, das zu ändern, wurden im offiziellen Statement der Liga
       allerdings nicht angemahnt. [2][Wie ernst es ihr mit der neuen Politik
       ist], steht schon bald auf dem Prüfstand: Der Verkauf der Denver Broncos
       steht an. Mindestens vier Milliarden US-Dollar dürfte die Franchise kosten.
       Welchen Hintergrund der oder die Käufer*in oder die Mitglieder*innen
       des Konsortiums haben, das den Zuschlag erhält, wird nun vermutlich eine
       größere Rolle spielen.
       
       30 Mar 2022
       
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