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       # taz.de -- Politologe über Schleswig-Holstein: „Vergleichsweise arm“
       
       > Im Saarland hat die CDU verloren. Hat das Auswirkungen auf die Wahl in
       > Schleswig-Holstein? Sie wird spannender, sagt Politologe Christian
       > Martin.
       
   IMG Bild: Gelingt der grünen Spitzenkandidatin Monika Heinold der Einzug in die Kieler Staatskanzlei?
       
       taz: Herr Professor Martin, im Saarland hat der CDU-Amtsinhaber krachend
       verloren. Gibt das der SPD in Schleswig-Holstein Rückenwind, muss
       Ministerpräsident Daniel Günther zittern? 
       
       Christian Martin: Daniel Günther ist in anderer Position als Tobias Hans,
       der ohne Wahl Annegret Kramp-Karrenbauer ins Amt folgte. Günther hat
       bereits gezeigt, dass er eine Wahl gewinnen kann, und er hat eine Koalition
       gebildet, die ziemlich geräuschlos funktioniert hat. Gleichzeitig gilt,
       dass ein Sieg einer Partei natürlich Rückenwind gibt. Ob Daniel Günther
       zittern muss, weiß ich nicht, aber die Wahl wird spannender.
       
       Ukraine-Krieg, Corona und Klima-Krise – wie wichtig sind angesichts dieser
       großen Herausforderungen die lokalen Themen für Wahlen? 
       
       Es gibt ein lokales Thema in Schleswig-Holstein, das die Menschen in
       Umfragen als sehr wichtig einschätzen: Bildung, von Kita bis Hochschule.
       Die zuständige CDU-Ministerin Karin Prien hat sich dabei nicht nur mit Ruhm
       bekleckert, Stichwort Twitter-Shitstorm. Das belastet sie, das belastet die
       CDU bei dieser wichtigen Frage. Auch den Fachkräftemangel nehmen Menschen
       als wichtig wahr. Da wird die CDU als kompetenter eingeschätzt. Das dritte
       im Land relevante Thema ist Klima- und Umweltschutz, verbunden mit dem
       Ausbau Erneuerbarer Energie – nun kommt die Debatte um Flüssiggas dazu.
       Interessant wird sein, ob Corona im öffentlichen Bewusstsein am Wahltag
       noch eine Rolle spielt. Anders als im Saarland gibt es in
       Schleswig-Holstein kaum Angst vor Arbeitsplatzverlust. Das ist ein Faktor,
       der gegen Regierungswechsel spricht.
       
       Sie haben zu Kommunalpolitik in Schleswig-Holstein geforscht und
       herausgefunden, dass die Rolle der Parteien hinter den Erfordernissen vor
       Ort zurücktritt. Gilt ähnliches auch auf Landesebene? 
       
       Man kann als Regel aufstellen: Je kleiner die politische Einheit, desto
       unwichtiger sind Parteien. Auf Landesebene gibt es durchaus
       Parteibindungen, gerade in Schleswig-Holstein mit einer linken SPD und
       einer eher rechten CDU, die sich allerdings unter Daniel Günther gewandelt,
       modernisiert hat. Also: Ja, Parteien sind wichtig, aber sie müssen auch
       Lösungen für die Sorgen der Menschen finden.
       
       Dabei fehlen politische Visionen. Trauen die Parteien sich den großen Wurf
       nicht zu? 
       
       Man kann das große Rad drehen und daran erinnern, dass das Fehlen solcher
       Zukunftsbilder ein Zeichen der Spätmoderne ist. Doch wenn in der
       Gesellschaft diese Vorstellungen fehlen, können die Parteien sie nicht
       liefern. Wer heute auf Pateitage geht, hört, was für ein breites
       Themenspektrum die Menschen für wichtig halten. Es geht um die Bewältigung
       des Alltags und einen Ausblick in die Zukunft, so gut das geht bei
       fünfjährigen Regierungszyklen.
       
       Jamaika hat gut funktioniert, trotz der Unterschiede der Parteien. Ist das
       das richtige Konzept, seine Differenzen nach außen zu zeigen und den
       gewählten Kurs durchzuhalten? 
       
       In den Augen der WählerInnen durchaus. Ja, man hätte für Bildung oder Klima
       mehr machen können, aber die Koalition hat verstanden, dass sie die
       Menschen nicht überfordern darf. Schleswig-Holstein ist ein Flächenland und
       vergleichsweise arm. Man stößt an die Grenzen dessen, was möglich ist –
       etwa bei Alternativen zum eigenen Auto. Die drei Parteien haben ihre Linie
       gut erklärt. Das passt zu der Erzählung, dass die Beteiligten vor allem
       nach Lösungen suchen.
       
       Im Saarland hat offenbar die Person der SPD-Kandidatin eine große Rolle
       gespielt. SPD-Spitzenmann Thomas Losse-Müller ist weitgehend unbekannt –
       anders als die Grüne Monika Heinold. Könnte ihr der Einzug in die
       Staatskanzlei gelingen? 
       
       Das geben die Umfragen aktuell nicht her. Aber die Grünen sind stark.
       Vielleicht reicht es ja, wenn eine dritte Partei dazu kommt. Nicht zu
       vergessen, im Kieler Landtag sitzt auf jeden Fall auch die
       Minderheitenpartei SSW. Ich erwarte, wie oft in Schleswig-Holstein, eine
       spannende Regierungsbildung.
       
       30 Mar 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
       ## TAGS
       
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