# taz.de -- Aufnahme von Geflüchteten in Berlin: Seehofers Nein war rechtmäßig
> Berlin wollte Flüchtlinge aus Moria aufnehmen, der damalige Innenminister
> blockierte. Zurecht, entschied nun das Bundesverwaltungsgericht.
IMG Bild: Abflug von 101 anerkannten Geflüchteten aus dem Aufnahmelager Moria nach Deutschland im Oktober 2020
Leipzig taz | Der Bund kann Flüchtlings-Aufnahmeprogramme der Länder
blockieren, wenn diese eine einheitliche deutsche Asylpolitik gefährden.
Das entschied das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag in einem
Grundsatzurteil. Eine Klage des rot-grün-rot regierten Landes Berlin gegen
den einstigen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wurde abgelehnt.
Im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos lebten
zeitweise rund 20.000 Menschen unter katastrophalen Bedingungen. Im
Frühjahr 2020 beschloss der Bund schließlich die Aufnahme von rund 1.500
Flüchtlingen aus Moria, die auf die Bundesländer verteilt wurden.
Berlin übernahm dabei 136 Personen, wollte aber noch mehr tun. Im Juni
entwarf Berlin ein Landes-Aufnahmeprogramm für 300 weitere Schutzsuchende
aus Moria. Die Länder Bremen und Thüringen waren ebenfalls zur zusätzlichen
Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland bereit.
Laut Aufenthaltsgesetz ([1][Paragraph 23]) können solche Aufnahmeprogramme
von Bundesländern beschlossen werden. Dafür ist das „Einvernehmen mit dem
Bundesinnenministerium“ erforderlich. Horst Seehofer aber verweigerte die
Zustimmung. Das Land Berlin klagte beim Bundesverwaltungsgericht in
Leipzig. Der Vorwurf: Seehofer habe seine Kompetenzen überschritten.
## Faeser bleibt bei Seehofers strenger Linie
Viele hatten damit gerechnet, dass sich Seehofers Nachfolgerin Nancy Faeser
(SPD) mit dem Land Berlin einigt und der Prozess ausfällt. Doch Faeser zog
Seehofers Linie durch und schickte sogar den ultra-konservativen
78-jährigen Asylrechtler Kay Heilbronner zur mündlichen Verhandlung nach
Leipzig.
Heilbronner argumentierte bei der Verhandlung, dass der Bund die Kontrolle
über die deutsche Asylpolitik behalten müsse. Es sei gefährlich, wenn
Bundesländer wie Berlin durch humanitäre Aufnahmeprogramme „Signale
setzen“, dass es sich lohnt, nach Griechenland zu fliehen. Solche
„Pull-Faktoren“ wolle der Bund verhindern.
Das Bundesverwaltungsgericht gab dem Innenministerium nun Recht. Seehofer
durfte die Zustimmung zum Berliner Programm verweigern. Grundsätzlich
bezwecke das Gesetz, dass der Bund für eine „kohärente und einheitliche“
Vertretung der deutschen Asylpolitik nach außen sorge, betonte der
Vorsitzende Richter Uwe Berlit, der an diesem Tag seine letzte Verhandlung
vor der Pensionierung leitete. Zwar müsse der Bund auch die Interessen der
Bundesländer berücksichtigen, aber wenn alle Länder mit eigenen
Aufnahme-Programmen in der Asylpolitik „mitspielen“, sei das geeignet, die
deutsche Position zu schwächen, argumentierte Richter Berlit.
## Die Geflüchteten wären bevorzugt worden, meint das Gericht
Im konkreten Fall habe Seehofer zurecht die Zustimmung abgelehnt, so das
Gericht, weil Berlin die Moria-Flüchtlinge ohne konkrete Prüfung des
Schutzbedarfs mit einer dreijährigen Aufenthaltserlaubnis ausstatten
wollte. Damit wären sie gegenüber anderen Flüchtlingen, die ein
„ergebnisoffenes“ Asylverfahren durchlaufen müssen, bevorzugt gewesen.
Die Anwältin des Landes Berlin, Roya Sangi, kommentierte das Urteil
lapidar: „Es gibt keine Gleichbehandlung im Schlamm“. Ihr Kollege Ulrich
Karpenstein forderte die aktuelle Innenministerin Faeser auf, nach Klärung
der Rechtslage nun doch dem Berliner Aufnahmeprogramm zuzustimmen.
Schließlich habe die SPD Seehofer immer kritisiert. Berlin jedenfalls stehe
trotz Ukraine-Krise zu seinem damaligen Plan.
15 Mar 2022
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## AUTOREN
DIR Christian Rath
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