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       # taz.de -- Kunsthistoriker über rare Freundschaft: „Generationen treffen aufeinander“
       
       > Ungewöhnliche Freundschaft im New York der 1960er: Der Oldenburger
       > Kunsthistoriker Tobias Vogt über Barnett Newman und Dan Flavin.
       
   IMG Bild: Zeugnis des Respekts: Dan Flavins „untitled (to Barnett Newman) four, 1971“ im Bucerius Kunstforum
       
       taz: Herr Vogt, wer waren Barnett Newman und Dan Flavin? 
       
       Tobias Vogt: Barnett Newman gilt als abstrakter Expressionist und
       Farbfeld-Maler. Er gehört einer [1][anderen Generation] an als Dan Flavin.
       
       Newman ist 1905 geboren, Flavin 1933. 
       
       Newman hat während des Zweiten Weltkriegs mit der Malerei begonnen und
       gehörte dann zu den US-amerikanischen Malern, die [2][weltweit Erfolge
       gefeiert] haben: in der unmittelbaren Nachkriegszeit beginnend, in größerem
       Stil in den 60er-Jahren. Barnett Newman war also gerade besonders bekannt,
       als der junge Dan Flavin begonnen hat, sich darüber Gedanken zu machen, wie
       eigentlich seine Kunst aussehen soll. Ich weiß nicht, ob das Bild eines
       Vater-Sohn-Verhältnisses zutrifft. Ich würde sagen, es sind Generationen,
       die da aufeinandertreffen – und interessanterweise eine Form von
       Freundschaft eingegangen sind.
       
       Was nicht üblich war? 
       
       Normalerweise ist es so, dass die nachfolgende Generation sich absetzen
       will von der vorangegangenen – nicht nur bei Künstler:innen. Dan Flavin hat
       auch eine ganz andere Form von Medium benutzt, er gilt als Künstler der
       Leuchtstofflampen; Barnett Newman war hauptsächlich malerisch tätig. Da
       unterscheiden beide sich schon sehr stark.
       
       Sie sprechen im Rahmen der [3][Hamburger Ausstellung „Minimal Art“], und
       das als Teil einer Reihe namens „Powercouples“. Sind Newman und Flavin so
       eines gewesen? 
       
       Tobias Vogt: Wenn man davon ausgeht, dass „Power couple“, sagen wir mal: im
       neoliberalen System so das geschlossene Pärchen ist, das über seine private
       Beziehung auch eine öffentliche Wirksamkeit erreicht, dann nicht. Es trifft
       aber in einer für mich sehr interessanten anderen Hinsicht zu.
       
       Nämlich? 
       
       Der Begriff der Power ist sozusagen auch im künstlerischen Sinne wirksam.
       Beide operieren mit Vorstellungen von Kunst des 20. Jahrhunderts, die noch
       auf Autonomie rekurrieren und besonders auch auf den Begriff des Erhabenen;
       eine ästhetische Kategorie, die, glaube ich, von beiden wiederbelebt worden
       ist. Und insofern, in dieser zweiten Hinsicht, finde ich den Begriff Power
       couple sehr viel zutreffender.
       
       Was war das für eine Landschaft, das New York der Künstler:innen in den
       1960er-Jahren? 
       
       Es spielt sich alles in Manhattan ab. Die jeweiligen Gruppen hatten so ihre
       Orte, an denen sie sich getroffen haben. Dann hat sich aber auch mit der
       Gentrifizierung von Manhattan eine ganz neue Landschaft ergeben: Die
       Künstler:innen haben ab Mitte der 50er-Jahre Soho entdeckt. „Entdeckt“
       ist ein bisschen euphemistisch: Sie sind nach Soho gegangen, weil es da
       große, leere Fabriketagen gab. Diese Veränderungen im Stadtbild, die neuen
       Nutzungen, die Besetzung, sozusagen, mit Ateliers: Das alles hängt auch
       damit zusammen, dass die Kunstschaffenden wenig Geld hatten. Das heißt, die
       jüngere Generation ist nach Soho gegangen, die ältere Generation war eher
       in der Gegend um das Museum of Modern Art herum zu finden, südlich des
       Central Park.
       
       Auch Barnett Newman. 
       
       Newman hatte seine ersten Ausstellungen in der Betty Parsons Gallery,
       unterhalb des Central Park, nördlich von Soho. Andere Galerien, in denen
       die Minimal Art ausgestellt wurde, haben dann Soho für sich entdeckt. Wenn
       man New York kennt: Das ist alles nicht weit voneinander entfernt. Im
       Prinzip hatten die also viele Berührungspunkte, und von Barnett Newman ist
       bekannt, dass er eine Art Partylöwe war, der auch gerne zu den
       Ausstellungseröffnungen der Jüngeren gegangen ist. Man kann, glaube ich,
       sagen, dass unter den abstrakten Expressionisten Newman am offensten war,
       und seine Kunst am anschlussfähigsten.
       
       Wie zeigt sich das? 
       
       Ich werde im Vortrag hauptsächlich auf seine Gemäldeserie zu sprechen
       kommen, [4][„Who’s afraid of Red, Yellow and Blue“], …
       
       … vier großformatige Gemälde, entstanden 1966 bis 1970. 
       
       Wenn man vor diesen Bildern steht, sieht man Ähnlichkeiten zu dem, was dann
       die Künstler der sogenannten Minimal Art gemacht haben. Und das ist für
       mich interessant: Wie findet ein schon etablierter Künstler Anschluss an
       das, was junge Künstler:innen machen? Und umgekehrt: Wie nehmen Junge
       wahr, was gut war, was sie goutieren können an den Älteren?
       
       9 Apr 2022
       
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