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       # taz.de -- Wissenschafts-Kooperationen mit Russland: Auf Eis gelegt
       
       > Norddeutsche Unis und Hochschulen haben ihre Zusammenarbeit mit
       > russischen Institutionen eingefroren. Aber persönliche Kontakte sollen
       > bleiben.
       
   IMG Bild: Damals war Russland noch beteiligt: Die Mosaic-Expedition der „Polarstern“ im Jahr 2020
       
       Osnabrück taz | Für die Wissenschaft ist internationaler Austausch wie die
       Luft zum Atmen. Wird ihr diese Luft abgeschnürt, leidet sie. So gut die
       Gründe also auch sind, wissenschaftliche Verbindungen nach Russland zu
       kappen: Die Konsequenzen für Forschung und Lehre sind hart. Putins
       [1][Angriff] auf sein Nachbarland hat auch in der norddeutschen
       Wissenschaftslandschaft zu klaren Statements geführt.
       
       „Wir pflegen neun institutionelle Kooperationen nach Russland“, sagt Frieda
       Berg, Sprecherin der Uni Osnabrück, der taz. „Diese Kontakte [2][liegen
       temporär auf Eis].“ Zudem seien alle neuen projektbezogenen Mobilitäten aus
       Russland nach Deutschland ausgesetzt. „Das ist eine grundsätzliche
       Entscheidung“, sagt Berg. „Universitäten sind weder in der Lage noch
       willens, eine Gesinnungsüberprüfung vorzunehmen und werden dies auch nicht
       tun.“
       
       In Osnabrück ist der persönliche Austausch zwischen WissenschaftlerInnen
       beider Staaten „selbstverständlich“ weiterhin möglich. „Wir wollen die
       Bande nicht für immer kappen.“ Auch die Zusammenarbeit mit russischen
       KollegInnen in Osnabrück geht weiter: „Alle Mitarbeitenden sind Teil
       unserer akademischen Gemeinschaft“, sagt Berg. „Unabhängig von ihrer
       Nationalität. Sie genießen unser Vertrauen und stehen unter unserem Schutz.
       Weder die Herkunft noch die politische Gesinnung dürfen zu Diskriminierung
       führen.“
       
       An der Uni Hamburg (UHH) sieht man das ähnlich. Sie habe „alle
       institutionellen Kooperationsaktivitäten mit russischen Einrichtungen
       vorübergehend ausgesetzt“, wird der taz mitgeteilt: „Bisher gab es keine
       Resonanz von betroffenen Institutionen.“
       
       Kontakte „auf der individuellen Ebene“ zwischen deutschen
       WissenschaftlerInnen und ihren KollegInnen in Russland seien nicht
       untersagt. Brauchen russische WissenschaftlerInnen Hilfe, leistet ihnen
       die UHH, Mitglied von Scholars at Risk, Unterstützung. Einen Braindrain,
       den forcierten Abfluss qualifizierter Fachkräfte, um Russland zu schwächen,
       unterstützt die UHH nach eigenen Angaben nicht: „Eine gezielte Anwerbung
       russischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler findet nicht statt.“
       
       Auch die Carl-von-Ossietzky-Uni Oldenburg blockiert Russland. „Uns ist
       bewusst, dass unser Aussetzen von Kooperationen und der aktiven
       Zusammenarbeit mit russischen Wissenschaftsorganisationen auch Kolleginnen
       und Kollegen sowie Studierende trifft, die den Krieg gegen die Ukraine
       ablehnen“, sagt Uni-Präsident Ralph Bruder. „Gleichwohl sehen wir
       angesichts der gegenwärtigen Krisensituation keine Alternative zu diesem
       Schritt.“
       
       „Wir haben unsere Wissenschaftskooperationen mit Russland unterbrochen“,
       sagt auch Claudia Eulitz, Sprecherin der Kieler Christian-Albrechts-Uni
       (CAU), der taz. „Das beschränkt sich zunächst auf den Monat März.“ Auch ein
       gemeinsamer Studiengang mit einer russischen Universität ist betroffen:
       „Der Studierendenaustausch in diesem Studiengang wird dieses Sommersemester
       nicht stattfinden.“
       
       Die CAU hat 92 Studierende und Doktoranden aus Russland, zudem weitere
       Mitarbeitende und Forschende. „Ihre Teilnahme am akademischen Leben wird
       nicht beeinträchtigt“, betont Eulitz. „Weder stellen wir unsere russischen
       Studierenden und KollegInnen unter einen Generalverdacht der Unterstützung
       des Krieges noch fordern wir ein Bekenntnis gegen den Krieg.“
       
       Für eine derartige „Gesinnungsprüfung“ gebe es weder Grundlage noch Anlass.
       „Die vielen tausend WissenschaftlerIinnen und Studierenden, die sich in
       Russland gegen den Krieg aussprechen, sind ein deutliches Zeichen, dass
       zwischen den Menschen als Einzelpersonen und den offiziellen
       Verlautbarungen staatlicher Wissenschaftsinstitutionen unterschieden werden
       muss.“
       
       Die CAU unterstützt, dass Forschende individuelle wissenschaftliche
       Kontakte zu russischen KollegInnen aufrechterhalten und beteiligt sich an
       Programmen, „die es Studierenden in Russland, die aufgrund von Protesten
       exmatrikuliert worden sind, ermöglichen, nach Kiel zu kommen“. Man
       versuche, mit Repressalien bedrohten russischen WissenschaftlerInnen zu
       ermöglichen, ihr Land zu verlassen.
       
       Wie Wissenschaftskooperationen mittelfristig aussehen können? Die CAU
       orientiert sich hier an Bundesregierung und EU. Ferner an der Position des
       Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der Allianz der
       Wissenschaftsorganisationen, deren Sprecherrolle 2022 die Deutsche
       Forschungsgemeinschaft (DFG) innehat.
       
       ## DFG setzt Projekte aus
       
       Derzeit hat die DFG alle von ihr geförderten Projekte zwischen
       WissenschaftlerInnen aus Russland und Deutschland ausgesetzt; Förderanträge
       für neue deutsch-russische Kooperationen und Fortsetzungsanträge für
       laufende Projekte werden nicht angenommen. Sie bedauere diese Maßnahmen
       „für die [3][Wissenschaft] zutiefst“.
       
       Der DAAD hat seinen Austausch mit Russland gegenwärtig eingeschränkt.
       Aufenthalte deutscher Studierender, Lehrender und Forschender sind davon
       betroffen, auch Veranstaltungen deutscher mit russischen Hochschulen.
       
       „Auf ein Minimum“ reduziert die Uni Bremen derzeit ihre Kooperationen mit
       russischen Wissenschaftseinrichtungen. Austauschprogramme sind eingefroren,
       neue werden nicht begonnen. Der Kontakt zu russischen WissenschaftlerInnen
       besteht jedoch fort. Besonders heikel ist die Lage für die
       [4][Forschungsstelle Osteuropa] (FSO). Kooperationsfortsetzung, Reisen nach
       Russland? Beides steht in den Sternen. Hart auch für Promovierende, die
       jetzt womöglich komplett umdenken müssen.
       
       Die Zusammenarbeit mit russischen Forschenden läuft in Bremen weiter. „Die
       Universität steht für Weltoffenheit, demokratische Werte, Diversität und
       Toleranz“, sagt deren Sprecherin Meike Mossig zur taz. „Niemand wird
       aufgrund seiner Herkunft oder Staatsbürgerschaft ausgegrenzt.“
       
       4 Apr 2022
       
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   DIR [4] https://www.forschungsstelle.uni-bremen.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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