URI: 
       # taz.de -- BVB gegen Leipzig ohne Pepp: Brüchiges Gefüge
       
       > Borussia Dortmund findet in dieser Spielzeit enfach nicht zu sich selbst.
       > Zwangsläufig verliert das Team 1:4 gegen RB Leipzig.
       
   IMG Bild: Mit den Gedanken woanders: Erling Haaland möchte zu einem Großklub
       
       Dortmund taz | Freudlos, unsicher, ja verschüchtert standen die Dortmunder
       Spieler am Ende eines enttäuschenden Fußballspiels vor dieser Erscheinung,
       nach der sie sich so lange gesehnt hatten. Zwei Jahre lang hatten sie immer
       wieder davon gesprochen, wie schön es wäre, vor einer komplett gefüllten
       Südtribüne zu spielen. Um sich beflügeln zu lassen, um endlich wieder den
       ganzen Zauber von Borussia Dortmund zu spüren.
       
       Doch nun stieß die gelbe Wand zornige Pfiffe hervor, einige Leute machten
       den Trainer als Schuldigen aus und riefen „Rose raus“. Der BVB hatte nicht
       nur mit 1:4 Toren gegen RB Leipzig verloren, die 81.365 Zuschauer im
       erstmals seit 763 Tagen komplett gefüllten Stadion hatten eindrucksvoll zu
       sehen bekommen, was für eine brüchige Mannschaft Borussia Dortmund derzeit
       ist. Wieder einmal. „Sie haben verdient gewonnen“, sagte Mats Hummels,
       wobei dem Abwehrspieler wichtig war zu betonen, dass sein Team trotz des
       klaren Ergebnisses keinesfalls „an die Wand gespielt worden“ sei.
       
       Das mag stimmen, zwanzig Minuten lang war Dortmund tatsächlich stark, das
       Stadion vibrierte, und Marco Reus hatte eine tolle Chance zum 1:0. Aber in
       dieser und in vielen, vielen anderen Szenen zeigten sich all die Probleme,
       die Trainer Rose und seine Spieler seit vielen Monaten ohne Erfolg
       bekämpfen: Sie spielen nicht entschlossen genug, machen zu viele
       individuelle Fehler, wie der schwache Emre Can vor dem 0:1, der ohne jede
       Not tief in der eigenen Hälfte einen Ball gegen den Leipziger Konrad Laimer
       verloren hatte.
       
       Außerdem: Sie können nicht gut mit Rückschlägen umgehen und sind vielen
       Gegnern körperlich unterlegen. Unverzichtbare Offensivspieler wie Marco
       Reus oder [1][Erling Haaland] sind auch aufgrund von Verletzungen außer
       Form. Da hilft nicht einmal die grundsätzliche Einsatzbereitschaft, die das
       Team zeigt.
       
       Es sei „nicht der Wille, wenn man die Struktur verliert, wenn man seine
       Position verlässt, wenn das Spiel wild wird, wenn man zu früh Sachen
       erzwingen will“, erläuterte Mats Hummels, der schließlich ein hartes Urteil
       fällte. Dem BVB fehle „Spielintelligenz“. Das ist ein neues Defizit, das
       eine lange Reihe von Problemen ergänzt, die die Mannschaft und ihre Trainer
       einfach nicht in den Griff bekommen.
       
       ## Leipzig: ruhiger und cleverer
       
       Erheblich reifer und stabiler wirkten da die Leipziger, die genau wussten,
       was zu tun ist. „Ruhig“ und „clever“ habe RB auf Balleroberungen und Konter
       gelauert, und in beiden Strafräumen mit der Konsequenz agiert, die den
       Dortmundern fehlte. Beispielhaft für diesen Unterschied war der schlaue
       Konrad Laimer, der die ersten beiden Treffer selbst schoss und das dritte
       vorbereitete.
       
       „Er ist jemand, der viel vereint, ein aggressiver Spieler, der immer
       versucht, fair den Ball zu gewinnen, er leitet Konter ein, durch einen
       Pass, durch ein Dribbling, kann Tore schießen, und ist für uns ein
       wichtiger Spieler“, sagte Domenico Tedesco. Der Trainer der Leipziger hat
       nach dem schwachen Saisonbeginn unter Jesse March mit seinen Spielern
       während der vergangenen Monate genau jene Stabilität entwickelt, die in
       Dortmund einfach nicht entstehen will.
       
       Denn Borussia Dortmund funktioniert nicht als Kollektiv, dem Team fehlen
       Souveränität, Widerstandsfähigkeit sowie Vertrauen in die Mitspieler. Das
       lässt sich an vielen, vielen kleinen Situationen erkennen: Wer genau
       hinsieht, kann immer wieder Gesten beobachten, mit denen einzelne Spieler
       ihren Unmut über Kollegen zum Ausdruck bringen.
       
       Erling Haaland spielt ohnehin sein eigenes Spiel auf dem Weg zu Manchester
       City oder einem anderen Gigantenklub, und die Führungskräfte Reus und
       Hummels achten viel zu sehr darauf, selbst gut auszusehen, statt sich um
       das Wohl der Gruppe zu kümmern. Eigentlich ist es ein Wunder, dass bis zu
       diesem Wochenende die Hoffnung bestand, vielleicht doch noch deutscher
       Meister werden zu können. Aber das ist jetzt vorbei, wie auch Hummels
       befand.
       
       ## Wollen sich weiterentwickeln
       
       In den verbleibenden sechs Spielen gehe es beim Tabellenzweiten nun
       lediglich darum, „sich selber weiterzuentwickeln, sich als Mannschaft
       weiterzuentwickeln und den Grundstein für die nächste Saison zu legen“,
       sagte der Abwehrchef. Ähnliche Gedanken beschäftigen auch Coach Rose. „Wir
       müssen uns weiterentwickeln, wir müssen mit der Gruppe an der Gruppe
       arbeiten und die Gruppe ein Stück weit verändern, um genau diese Dinge dann
       auch auf den Weg zu bringen“, sagte der Trainer.
       
       In der vergangenen Woche soll Sebastian Kehl, der Leiter der Dortmunder
       Lizenzspielerabteilung, in Salzburg gewesen sein, um beim geplanten
       Transfer des Angreifers Karim Adeyemi weiterzukommen; es würde passen, wenn
       bereits in den kommenden Tagen Vollzug vermeldet würde.
       
       Schon den Frust über das 2:5 gegen Leverkusen im Februar hatten die
       Dortmunder mit der Meldung bekämpft, dass Niklas Süle vom FC Bayern München
       nach Dortmund wechselt. Trost über die graue Gegenwart spendet derzeit vor
       allen Dingen der Blick in eine vielleicht verheißungsvollere Zukunft.
       
       3 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.transfermarkt.de/erling-haaland/profil/spieler/418560
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Theweleit
       
       ## TAGS
       
   DIR Fußball
   DIR Fußball-Bundesliga
   DIR Borussia Dortmund
   DIR RB Leipzig
   DIR Kolumne Frühsport
   DIR FC Bayern München
   DIR DFB-Pokal
   DIR Fußball
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Trainerentlassungen in der Bundesliga: Erfolgreich gescheitert
       
       Wie kann es sein, dass ein Absteiger alles richtig gemacht hat? Ein kleines
       Lehrstück aus der Welt der Rauswürfe.
       
   DIR Unentschieden bei Bayern und Bayer: Süle hängt sich noch rein
       
       Beim Unentschieden gegen Bayer zeigt Niklas Süle großes Engagement.
       Bayern-Bosse hatten das zuletzt infrage gestellt, weil er nach Dortmund
       wechselt.
       
   DIR FC St. Pauli überrascht im DFB-Pokal: Lektion in Sachen Leistungskultur
       
       Der FC St. Pauli wirft den Titelverteidiger Borussia Dortmund mit 2:1 aus
       dem DFB-Pokal. Damit unterstreicht er seine Aufstiegsambitionen.
       
   DIR Nachwuchs in der Fußball-Bundesliga: Nur Verlierer
       
       Vereine wie Eintracht Frankfurt und RB Leipzig setzen auf sehr junge
       ausländische Talente. Bislang überwiegen die Enttäuschungen auf allen
       Seiten.