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       # taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in Flensburg: Immer noch Unterversorgung
       
       > Durch die Fusion von Kliniken fallen in Flensburg Kapazitäten für
       > Abtreibungen weg. Das ist lange bekannt, aber es gibt nach wie vor keine
       > Lösung.
       
   IMG Bild: Zurück zur Engelmacherin? Demonstration gegen die christliche Klinikfusion 2019 in Flensburg
       
       Neumünster taz | Wenn in Flensburg das diakonische und das katholische
       Krankenhaus zur ersten ökumenischen Klinik Deutschlands verschmelzen, wird
       es dort [1][nur noch in medizinischen Notfällen Schwangerschaftsabbrüche
       geben]. Seit rund zwei Jahren befasst sich ein Arbeitskreis mit der Frage,
       wie auch Frauen geholfen werden kann, die aus sozialen Gründen abtreiben
       wollen. Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) schlägt nun ein Ambulantes
       Operationszentrum in der Nähe der neuen Klinik vor – und hofft, dass das
       Land bei der Finanzierung und Einrichtung hilft. Denn ein solches Zentrum
       wäre teuer.
       
       „Die Versorgung in Flensburg und Umland wird immer prekärer“, sagt Clemens
       Schmidt, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat. Es seien schon
       Frauen im Krankenhaus abgewiesen worden. Gleichzeitig schieden im ganzen
       Land ältere Gynäkolog*innen aus den Praxen aus, die Erfahrung mit
       Abbrüchen hätten. Jüngere würden dagegen weniger nachrücken. Ähnlich
       schildert die Beratungsstelle Pro Familia die Lage. Und auch der
       Arbeitskreis, der unter Moderation der Oberbürgermeisterin tagt, kommt zum
       selben Schluss.
       
       Doch wie die Lösung aussehen könnte, ist weiter unklar. „Alles ist noch in
       der Schwebe“, sagt Rathaussprecher Christian Reimer. Generell ist eine
       Abtreibung ein ambulanter Eingriff. Allerdings wählen in Schleswig-Holstein
       vergleichsweise viele Frauen die Klinik. „Wenn diese Möglichkeit fehlt,
       haben wir natürlich irgendwann ein Problem“, sagt Reimer. Laut dem
       Schwangerschaftskonfliktgesetz sei das Land zuständig. Doch das
       Gesundheitsministerium von Heiner Garg (FDP) sieht [2][keine Notwendigkeit,
       etwas zu unternehmen].
       
       Dass sich die Beratungen im Kreis drehen, ärgert auch die Stadtverordneten:
       „Wir hören immer wieder dieselben Punkte“, sagte Gabriele Stappert (CDU)
       bei einer Anhörung im Rat. Sie warnte davor, „Frauen und Mädchen zu
       verunsichern“.
       
       Die neueste Idee des Arbeitskreises ist nun, ein Ambulantes
       Operationszentrum einzurichten. Dafür müsse das Land „entsprechende
       Ärztestellen schaffen“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.
       
       Allerdings können Ärztestellen nicht einfach „geschaffen“ werden: Wie viele
       Ärzt*innen einer bestimmten Fachrichtung sich in einer Region ansiedeln
       dürfen, ist festgelegt. „Für die Genehmigung eines Zentrums, egal wer der
       Betreiber ist, müssten freie Sitze da sein“, sagt Marco Dethlefsen,
       Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein (KVSH).
       Eine Anfrage der Stadt Flensburg, ob mittelfristig eine passende Stelle
       frei werde, gebe es aber nicht.
       
       Fraglich ist auch, ob ein Operationszentrum sinnvoll ist, das vor allem
       Abtreibungen vornimmt. „Aus fachlicher Sicht bräuchte es das nicht“, sagt
       Doris Scharrel, Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte in
       Schleswig-Holstein. Sie wünscht sich, dass noch mehr Frauen die
       Schwangerschaft medikamentös unterbrechen, aus fachärztlicher Sicht die
       schonendste Methode.
       
       Aktuell, darauf verweist auch die Stadt, gibt es einige Hürden, warum nicht
       mehr Praxen Abbrüche per Tablette ermöglichen. So bestehen Lieferengpässe
       bei den Medikamenten. Zudem sind die Hürden für eine Praxis vergleichsweise
       hoch, sich als „Einrichtung zur Durchführung eines
       Schwangerschaftsabbruches“ registrieren zu lassen. Als drittes Hindernis
       sieht Scharrel, dass größere Praxisverbünde Arztsitze aufkaufen, darunter
       auch gynäkologische. „Wenn diese Verbunds-Praxen keine Abbrüche mehr
       durchführen, fehlen Kapazitäten.“
       
       Allerdings existiert noch eine dritte Variante in den Richtlinien: Auch
       Träger wie die Beratungsstelle Pro Familia könnten eine „Einrichtung“
       gründen, in der eine ungewollte Schwangerschaft beendet wird – so ein
       Zentrum gibt es etwa in [3][Bremen].
       
       In Flensburg wurde diese Idee offenbar noch nicht besprochen. Aber der
       Arbeitskreis wird weiter beraten, so der Rathaussprecher: „Es wird ja noch
       Zeit vergehen, bis die Fusion tatsächlich ansteht.“
       
       Allerdings sind die ersten zwei Jahre bereits vergangen – ohne Lösung.
       
       5 Apr 2022
       
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