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       # taz.de -- Trinkwasser in Berlin: Trinkt mehr Abwasser!
       
       > Das 25. Berliner Stadtgespräch widmete sich den Herausforderungen des
       > Wassersparens in der Klimakrise.
       
   IMG Bild: Eine wachsende Stadtbevölkerung benötigt mehr Trinkwasser und erzeugt mehr Abwasser
       
       Berlin taz Den Scherz konnte er sich nicht verkneifen: „Wir haben mit der
       [1][Berliner Regenwasseragentur] gesprochen, und die haben es möglich
       gemacht, dass es heute nach sechs Wochen endlich mal wieder regnet“, so
       Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe (BWB) und Moderator des
       [2][25. Stadtgesprächs der Stiftung Zukunft Berlin] im Säälchen des
       Holzmarkts. Rund 100 BesucherInnen verfolgten am Montagabend Vorträge und
       beteiligten sich an Workshops zum Thema „Der Masterplan Wasser in der
       Klimakrise“.
       
       Ein zentraler Punkt des von der [3][Initiative „Wasser bewegt Berlin“]
       veranstalteten Abends klang zu Unrecht trivial: „Hilft Wassersparen?“
       Schließlich gilt es, den wachsenden Bedarf der BerlinerInnen an Trinkwasser
       zu befriedrigen, ohne dass an anderer Stelle ökologische Schäden entstehen,
       etwa durch fallende Grundwasserpegel oder Dürreschäden an Straßenbäumen.
       
       Ein Planungsinstrument hat die Senatsverwaltung für Umwelt und Klimaschutz
       dafür mit dem im Sommer 2021 als erster Entwurf vorgstellten [4][Masterplan
       Wasser] bereits, daran erinnerte Frauke Bathe von der Abteilung
       „Integrativer Umweltschutz“. Das Planwerk ist eine Art Work in Progress und
       soll auch erst einmal klären, wie der Wasserbedarf Berlins sich überhaupt
       entwickeln wird, um dann entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
       
       Bathe erläuterte mögliche Szenarien und stellte klar, dass die Auswirkungen
       des Kimawandels keineswegs eindeutig sind: Zwar sei momentan damit zu
       rechnen, dass „vielleicht ein bisschen mehr Regen im Winter und etwas
       weniger im Sommer fällt“, insgesamt mache die Wissenschaft hier aber ein
       „großes Fragezeichen“. Auch die Auswirkungen der Tagebau-Stilllegung in der
       Lausitz (wo riesige Löcher in der Landschaft mit Wasser gefüllt werden
       müssen) sei relativ unklar. Unzweifelhaft hingegen: Eine wachsende
       Stadtbevölkerung benötigt mehr Trinkwasser und erzeugt mehr Abwasser.
       
       Bathes Fazit: „Gereinigte Abwässer aus den Klärwerken stellen zunehmend
       eine wichtige Trinkwasserrssource dar“ – ob uns das nun schmeckt oder
       nicht. Im übertragenen Sinne natürlich: Da künftig alle Klärwerke deutlich
       mehr Stoffe herausfiltern werden als heute, dürfte der steigende
       „Abwasseranteil“ im Glas die hohe Qualität des Berliner Trinkwassers nicht
       verändern. Aber auch ein deutlich ausgebautes Regenwassermanagement (für
       das es seit einigen Jahren die erwähnte Agentur gibt) könnte dazu
       beitragen, das an einigen Stellen der Stadt absinkende Grundwasser zu
       stabiliseren.
       
       Der Vortrag von Jens Burgschweiger von den Wasserbetrieben überraschte mit
       der Erkenntnis, dass der Wasserverbrauch in der Region Berlin-Brandenburg
       im Jahr 2016 bei weniger als der Hälfte der Menge von 1990 lag. Dazu trug
       vor allem die Modernisierung vieler Heizkraftwerke bei, die früher weitaus
       größere Mengen in Form gewaltiger Dampfwolken in die Atmosphäre entließen.
       Auch in den Haushalte sorgten sparsamere Armaturen und ein gewachsenes
       Bewusstsein für einen geringeren Verbrauch.
       
       ## „Luxuswassernutzung“
       
       Seit 2011 steigt der Trinkwasserverbrauch aber wieder an, und offenbar hat
       sogar das zwangsweise Nichtstun in der Pandemie den Bedarf noch einmal
       erhöht, so Burgschweiger: Es sei zu einer „Luxuswassernutzung“ in Form von
       Pools oder Gartenduschen gekommen. Das natürlich auch vor dem Hintergrund
       mehrerer heißer und trockener Sommer.
       
       Erwin Nolde, der für den Bundesverband für Betriebs- und Regenwasser sprach
       und auch am „Berliner Wassertisch“ sitzt, monierte, dass die
       Wasserbetriebe, die noch in den 1980er Jahren unter dem Motto „Jeder
       Tropfen zählt“ regelmäßig zum Wassersparen aufriefen, längst diesen Impetus
       verloren hätten: „Weil sie auch dazu verdammt sind, Gewinne zu
       erwirtschaften.“
       
       Was Nolde ärgert, ist die Tatsache, dass fast niemand einen Überblick über
       seine Wassernutzung hat, anders als beim Strom etwa. „Wer rechnet schon
       aus, wie viele Liter er am Tag wofür verbraucht?“ Er plädierte für
       elektronische Wasserzähler, die auch Verluste durch Lecks offenlegten,
       ebenso wie für das Recycling von „Grauwasser“ im Haushalt – also etwa
       Spülwasser, das anschließend noch in der Toiletzte genutzt werden kann.
       Dann gebe es im Übrigen auch keine Problem mehr mit Verbrauchs-Peaks wie
       den legendären WM-Halbzeitpausen.
       
       Ein Vorschlag zum Wassersparen, der an diesem Abend auch in den Workshops
       mehrfach genannt wurde: differenzierte Wasserpreise. Wenn das Nass ab einer
       bestimmten Volumengrenze teurer wird, dürfte das einen bewussteren
       Verbrauch stimulieren. Und möglicherweise wäre es nicht nicht einmal mit
       einer Einnahmenminderung der Wasserbetriebe verbunden.
       
       5 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.regenwasseragentur.berlin/
   DIR [2] https://www.stiftungzukunftberlin.eu/veranstaltungen/einzelansicht/detail/news/25-stadtgespraech-wasser-bewegt-berlin/
   DIR [3] https://www.wasser-bewegt-berlin.de/
   DIR [4] https://www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/wasser-und-geologie/masterplan-wasser/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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