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       # taz.de -- Kabinett beschließt Bafög-Erhöhung: Die halbe Miete
       
       > Die aktuelle Bafög-Reform ist eine der besseren. Jetzt muss die Ampel nur
       > noch die restlichen Bafög-Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen.
       
   IMG Bild: Studierende vor der TU in Berlin: Mit der neuen Bafög-Reform ist nun etwas mehr Geld im Geldbeutel
       
       Für alle, die gerade an der Regierungsfähigkeit der Ampel – Stichworte
       Impfpflicht, Tempolimit, Gasdeals mit Katar – zweifeln: Sie kann es doch!
       Zumindest ist das, was das rot-grün-gelbe Bundeskabinett am Mittwoch zum
       Bafög beschlossen hat, eine geräuschlose und rekordverdächtig schnelle
       [1][Umsetzung eines Wahlversprechens] (zumindest schnell für eine
       Bafög-Reform). Das allein muss man angesichts der notorischen
       Zerstrittenheit der Ampelmänner schon mal loben. Und es wird noch besser:
       Die geplanten Neuerungen beim Bafög sind auch noch gut.
       
       Allen voran: Es gibt mehr Kohle. Um 5 Prozent sollen die Bedarfssätze zum
       Wintersemester steigen. Und, noch wichtiger: Die Wohnpauschale wird noch
       mal kräftig erhöht: von 325 auf 360 Euro im Monat. Wer nicht bei Mutti
       wohnt, sondern in einer WG oder allein oder sonst wie, kann also mit bis zu
       809 Euro rechnen (statt bisher 725 Euro). Der Höchstbetrag liegt sogar bei
       931 Euro – für alle, die zudem nicht über die Eltern versichert sind. Ein
       Tausi zum Studieren – das ist auch trotz Rekordinflation und irrer Mieten
       nicht das Schlechteste. Auch Schüler:innen, Auszubildende und Studierende
       mit Kind erhalten mehr Geld.
       
       Vor allem aber greift die neue Bundesbildungsministerin Bettina
       Stark-Watzinger (FDP) in ihrem Gesetzentwurf eine langjährige Forderung von
       Gewerkschaften und Studierenden auf, die die Groko bei ihren Bafög-Reformen
       geflissentlich ignorierte: Stark-Watzinger setzt die Altersobergrenze von
       Bafög-Empfänger:innen von bisher 30 auf 45 Jahre hoch. Und das ist
       überfällig angesichts der Lebensrealität der Studierenden heute. Vor allem
       aber berücksichtigt die Ampel damit endlich stärker all jene Studierenden,
       die über den zweiten Bildungsweg an die Uni kommen – und in der Regel
       deutlich älter sind als die Abiturient:innen.
       
       Neben der Signalwirkung für alle Hauptschüler:innen oder Azubis, die
       insgeheim doch von einem späteren Studium träumen, aber es oft auch wegen
       der finanziellen Unsicherheit doch bleiben lassen, erfüllt die Erweiterung
       des Bafög-Höchstalters auch eine ganz praktische Funktion: Sie weitet den
       Kreis der Bafög-Berechtigten aus. Für dieses Ziel hebt die Ampel auch die
       Vermögens- und Einkommensfreibeträge an. All das ist dringend nötig.
       
       ## Nachhaltiger Erfolg
       
       Zur Erinnerung: Die Zahl der Bafög-Empfänger:innen ist seit Jahren im
       Sinkflug – trotz aller Reformen, die endlich die „Trendwende“ schaffen
       sollten. Sage und schreibe 26 Reformen hat das Bafög in seiner 50-jährigen
       Geschichte bereits erlebt. Die zunehmende Bedeutungslosigkeit der
       staatlichen Förderung haben die vielen Nachbesserungen bislang nicht
       aufgehalten. Vergangenes Jahr bezogen gerade mal 11 Prozent der
       Studierenden Bafög. 1971, als es unter Kanzler Willy Brandt eingeführt
       wurde, waren es noch 44 Prozent. Trauriger kann man [2][einen 50.
       Geburtstag] kaum feiern.
       
       Was natürlich nicht heißt, dass mit der 27. Bafög-Novelle – sofern sie
       Bundestag und Bundesrat verabschieden – die Arbeit getan ist. Denn eines
       wird sich auch im kommenden Wintersemester nicht ändern: dass das Bafög
       nicht überall zum Leben reichen wird. Dafür sind die Mieten und
       Lebenshaltungskosten vielfach zu hoch. Von den [3][zu erwartenden
       Heizkosten] im nächsten Winter ganz zu schweigen. Natürlich kann man
       darüber streiten, ob man vom Bafög allein leben können müssen soll. Fakt
       ist aber: Passt die Ampel ihre Bafög-Erhöhungen nicht regelmäßig an die
       Preissteigerungen an, wird die Reform kein nachhaltiger Erfolg. Oder, um es
       im Ampelsprech zu sagen, kein Fortschritt.
       
       Und schließlich sollten SPD, Grüne und FDP nicht vergessen, was sie sonst
       noch alles beim Bafög versprochen hatten: unter anderem eine
       Studienstarthilfe für Menschen aus einkommensschwachen Familien. Auch
       wollten sie den Anteil am Bafög reduzieren, den die Empfänger:innen
       nach dem Studium zurückzahlen müssen. Also her mit der 28. Bafög-Reform! Es
       kann nur besser werden.
       
       6 Apr 2022
       
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