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       # taz.de -- Golfstar Tiger Woods bei den US-Masters: Noch mehr Hysterie
       
       > Vor den Masters in Augusta hat die Golfwelt fast aus dem Nichts eine neue
       > Nummer eins. Aber alle schauen aufs unerwartete Comeback von Tiger Woods.
       
   IMG Bild: Proberunde in Augusta: Tiger Woods versucht, den richtigen Schwung zu finden
       
       Golf, der vermeintliche Altherrensport mit lauter schlägerschwingenden
       Methusalems, wird immer jünger. Erstmals in der Geschichte sind seit März
       die besten fünf in der Männer-Weltrangliste unter 30 Jahre alt. Insofern
       passte es, dass jetzt einer der jüngsten Golfer aller Zeiten mit seinem
       Turniersieg in Austin, Texas, auf Platz 1 gelandet ist: Scottie Scheffler,
       25, nebenan aus Dallas.
       
       Scottie who? Der auffällig muskulöse Mann ist jenseits von Fachkreisen
       nicht sonderlich bekannt. Zuletzt spielte er oft oben mit, [1][überzeugte
       im Herbst schon als Neuling im US-Ryder-Cup-Team], holte aber in gut 70
       Anläufen nie einen Titel. Bis Mitte Februar – seitdem gelangen ihm auf der
       US-Elitetour binnen sechs Wochen drei Siege. Das gab Punkte satt und
       reichte als Katapult nach ganz oben. Im Vorjahr war er kaum mal in den Top
       30.
       
       In Austin hatte Scheffler vier Jahre lang für sein Uniteam gespielt. „Es
       ist ein Traum, dass ich in meiner Heimat gewinne“, sagte er. Und die
       Weltspitze? „So weit bin ich in meinen Träumen nie gekommen.“
       
       Scottie Scheffler hat auch dieses Mal Schläger von sechs Herstellern in
       seinem Bag. Das ist sehr ungewöhnlich, denn oft sind Spieler zugleich auch
       Markenrepräsentanten. Sein Schwung ist nicht nach Lehrbuch
       durchchoreografiert wie etwa bei dem Perfektionisten Tiger Woods. Nach dem
       Ballkontakt schleift Schefflers rechter Fuß ein auffälliges Stück nach
       schräg hinten, als wolle er einen Tanzschritt machen. „Einzigartige
       Fußarbeit“, schreibt amüsiert der Analyst der PGA Tour. „Ein move wie beim
       Cricket“, findet ein Fan. „Ich bin überrascht, dass er sich den Knöchel
       noch nicht verstaucht hat“, wundert sich ein anderer.
       
       ## Mit vielen Schrauben im Bein
       
       Scottie Scheffler ist der Gegenpol zu zwei anderen, die vor den 86. Masters
       ab Donnerstag im Scheinwerferlicht stehen: Bernhard Langer, mittlerweile 64
       Jahre alt, nach wie vor wettkampfhart und zum sagenhaft 39. Mal dabei. Nur
       noch acht Jahre, dann wäre der Sieger von 1985 und 1993 mit zarten 72
       Lenzen bei jeder zweiten Masters-Austragung seit 1934 am Start gewesen.
       Kaum wer würde wetten, dass das auszuschließen ist.
       
       Und da ist plötzlich wieder Tiger Woods, der Jungsenior mit 47: Sehr
       überraschend war der fünfmalige Masters-Champ in der vergangenen Woche ohne
       Ankündigung in Augusta angereist. Woods hatte im Februar 2021 einen
       fürchterlichen Autounfall, Schienbein und Fuß waren fast zertrümmert.
       Anfangs war unklar, ob er wieder ohne Krücken werde gehen können, falls das
       Bein nicht ohnehin amputiert werden müsse.
       
       Zweieinhalb Proberunden absolvierte Woods jetzt, eine davon, wie niedlich,
       mit seinem talentierten zwölfjährigen Sohn Charlie. Das rechte Bein des
       früheren Dominators ist mit vielen Schrauben, Stiften und kleinen Stangen
       gespickt, aber offenbar halten sie dynamische Drehbelastungen aus.
       Mitspieler Fred Couples analysierte seine Schläge: „He’s bombing it“ –
       Woods bombardiere die Bälle wieder.
       
       Der 15-malige Majorsieger selbst macht es tagelang spannend, Dienstagabend
       sagte er dann zu. Okay, er habe jeden Tag Schmerzen, aber nicht der
       Golfschwung sei belastend, sondern: „Gehen ist das Schwierigste.“ 70.000
       bis 80.000 Schritte liegen die nächsten Tage vor ihm. Ob er gewinnen könne,
       genau 25 Jahre nach seinem ersten Masters-Titel? Lächelnd: „Ja, sonst wäre
       ich nicht hier.“
       
       Viele Tausend Zuschauer waren bei Tigers Proberunden dabei, brüllend,
       tobend: Hysterische Tigermania wie immer? [2][Es geht noch enthusiastischer
       zu als 2019], als er nach vielen Rückenoperationen erstmals wieder nach
       Augusta gekommen war – und prompt gewann. Der englische Exsieger Nick Faldo
       twitterte jetzt: „Tiger kam aus dem Klubhaus. Es gab dort Szenen und eine
       Atmosphäre, wie man sie nie zuvor gesehen hat.“ Und, ergänzte er, „es ist
       erst Montag“.
       
       Für einen wie Scottie Scheffler ist Woods ein guter Schutzschild: „Er saugt
       alle Aufmerksamkeit auf.“ Wenn Woods dabei ist, erklärte ein US-Kommentator
       den Mitkonkurrenten, „dann könnt ihr Jungs alle nackt spielen und niemand
       würde bemerken, dass ihr da seid.“
       
       Scheffler hasst Grünkohl, aber das hässliche grüne Siegerjacket hätte er
       schon gern. Favorit für die Masters? Höchstens einer von vielen. Manche
       Profis schmieren bei den ganz großen Aufgaben auch ab. Scheffler indes
       scheinen die vier Major-Turniere zu liegen; 2021 endete er dreimal unter
       den Top 8, bei den Masters war er 18., immerhin.
       
       Die Weltrangliste kann sich übrigens wieder umkrempeln: Sechs Spieler
       stehen bereit für die Ranglistenposition 1, darunter der Norweger Viktor
       Hovland, gerade 24.
       
       7 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ueberlegener-Ryder-Cup-Sieger-USA/!5800314
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
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