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       # taz.de -- Spanische Sängerin Rosalía: Lausiger Liebhaber Ruhm
       
       > Der spanische Superstar Rosalía veröffentlicht mit „Motomami“ ein neues
       > Album, das seine kreative Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt.
       
   IMG Bild: Rosalía hat den Masterplan und Bonsai-Zöpfe dazu
       
       Nach dem Trommelwirbel ruft eine Frauenstimme auf Spanisch: „Mädchen, was
       sagst du?“ Wenig später gesellen sich bedrohlich wirkende Synthesizersounds
       und ein jazzig getöntes Klavier hinzu. So zackig beginnt Rosalía Vila
       Tobella ihr neues Album „Motomami“. Als Auftaktsong klingt „Saoko“ ziemlich
       eigenwillig. Wenn sie singt: „Ich bleibe mir treu, ich verändere mich“,
       müssen wir wahrlich keine Prophet:innen sein, um zu wissen, was uns die
       28-jährige Künstlerin damit sagen will. Rosalía bringt ihre künstlerische
       Philosophie auf den Punkt. Anders als die Konkurrenz probiert der spanische
       Star Dinge aus, die ihren Kolleg:innen nicht einmal im Traum einfallen
       würden.
       
       In den 16 Songs von „Motomami“ entsteht etwas Neues und man kann diesem
       enorm vielfältigen kreativen Durcheinander kein Label verpassen: Pop? Folk?
       Flamenco? Dancefloor? Rosalías abwechslungsreiche Musik hat zudem Ecken
       und Kanten. Akustische Instrumente kontrastieren mit Beats.
       
       Kehlige Rappassagen setzt Rosalía ebenso selbstverständlich wie
       harmonischen Gesang. Stilbrüche sind ihr Markenzeichen – mal reizen Rosalía
       Experimente, mal trimmt sie ihre Songs wie mit der Gartenschere auf scharfe
       Hookline. Nicht zu vergessen: Sie ist tief in der modernen (Latin-)Popwelt
       sozialisiert, der größte Einfluss bleibt Rosalías Liebe zum Flamenco.
       
       ## Nordlicht mit Südwind
       
       Kein Wunder also, dass sie in dem auf ihren eindringlichen Gesang
       fokussierten „Bulerías“ darauf pocht: Sie bleibe immer eine
       Flamenco-Sängerin, egal, ob sie nun einen Versace-Anzug trägt oder ein
       spanisches Trachtenkleid. Mit solchen Aussagen bringt Rosalía in Spanien
       regelmäßig Flamenco-Purist:innen auf die Palme. Ihnen war die in Katalonien
       geborene Sängerin, die in einer Kleinstadt nahe Barcelona aufwuchs, nie
       geheuer. Ein Nordlicht und südspanische Volksmusik, das passt für viele
       nicht zusammen. Rosalía hat diese Kritik stets an sich abprallen lassen.
       
       Dank einiger Gastarbeiter:innen aus Südspanien entdeckte sie mit 13
       die Musik von Flamenco-Ikonen wie Caméron de la Isla und Paco de Lucía.
       Deren Lieder faszinierten sie dermaßen, dass Rosalía als 16-Jährige
       beschloss, Flamenco-Gesang zu studieren.
       
       Doch es würde viel zu kurz greifen, sie allein auf dieses traditionelle
       Genre zu reduzieren. Schon auf ihrem [1][Debütalbum] „Los Ángeles“
       inszenierte sich Rosalía 2016 vielseitiger, als die Traditionalisten es
       erlauben. Sie verwob Flamenco mit Klassik und Singer-Songwriter-Folk. Zwei
       Jahre später ging sie dann mit dem Zweitling „El Mal Querer“ noch einen
       Schritt weiter. Sie begeisterte mit einem Mix aus Flamenco und Pop nicht
       nur die spanischsprachige Welt, sondern wurde zum internationalen Star; und
       sie orientierte sich äußerlich zusehends an den Anforderungen von
       Mainstreampop. Ihre Outfits wurden knapper, ihre Fingernägel länger.
       
       ## HipHop-Slang mit Latingroove
       
       Was andere als Verrat deuteten, will Rosalía als einen großen Schritt in
       Richtung Emanzipation verstanden wissen. Mit dieser Haltung gibt sie ihrem
       Ex mit ihrer neuen Single „Candy“ selbstbewusst zu verstehen: Sie hat es
       zur Kunst erhoben, ihn zu vergessen. Nicht bloß inhaltlich könnte dieser
       Titel auch von Beyoncé stammen, man muss ihm R&B-Clubhit-Qualitäten
       bescheinigen, er schielt auf die Tanzfläche. „Chicken Teriyaki“ dagegen ist
       ein geradliniger Rap – mit Slang und Latin-Groove.
       
       Einschmeichelnd, doch wehmütig breiten sich in „Delirio de Grandezza“
       Salsa-Rhythmen horizontal aus, flankiert von Bläsern. Mit der
       Klavierballade „Hentai“ gönnt sich Rosalía eine Verschnaufpause, ohne dass
       dabei Gähnen aufkommt. Aufgebrochen wird dieses musikalische Idyll am
       Schluss mit elektronischen Uptempo-Spielereien. So endet ein Lied über Sex,
       das keinen Zweifel daran lässt, wer die Zügel in der Hand hält: die Frau.
       
       „La Fama“ ist ein Duett mit dem kanadischen Superstar The Weeknd. Rosalía,
       ausgezeichnet mit einem Grammy und acht Latin-Grammys, brachte ihn
       tatsächlich dazu, auf Spanisch zu singen. Das Ergebnis ist eine süffige
       Reflexion über Ruhm. „Ruhm ist ein lausiger Liebhaber, und er liebt mich
       niemals wirklich“, verkünden die beiden abwechselnd.
       
       Verführerisch, dem Ruhm zu verfallen. Doch auf den Höhenflug folgt ein
       knallharter Absturz, der musikalisch allerdings durch partytauglichen
       elektronischen Pop, gepaart mit [2][Bachata] (ein Bolerogenre aus der
       Dominikanischen Republik), abgefedert wird. Während Rosalía hier
       Stilbewusstsein markiert, sind andere Stücke eher sentimental. Diese
       Wandlungsfähigkeit bringt „Motomami“ auch insgesamt zum Tragen. Es
       funktioniert extrem gut.
       
       24 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Debuetalbum-von-Popmusikerin-Alma/!5686628
   DIR [2] https://www.youtube.com/results?search_query=bachata+youtube
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dagmar Leischow
       
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