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       # taz.de -- Workshopteilnehmer der Panter Stiftung: Flucht aus dem Versteck
       
       > Nach dem Putsch in Myanmar konnte sich der Journalist Kyaw Soe lange
       > verstecken. Dann gelang mithilfe der Panter Stiftung die Ausreise nach
       > Berlin.
       
   IMG Bild: Verhaftung eines Journalisten in Yangon, Myanmar, Archivbild vom Februar 2018
       
       „Wir fragen beim Mailen oder Telefonieren unter Kollegen nicht, wo der
       andere gerade ist,“ sagt Kyaw Soe. „Das fragen nur Spitzel. Wir müssen
       vorsichtig sein.“ Der 37-jährige Videojournalist hat sich nach dem
       [1][Militärputsch in Myanmar vom 1. Februar 2021] mehr als zehn Monate lang
       versteckt, bevor er im Dezember zu einem sechsmonatigen Praktikum der taz
       Panter Stiftung nach Berlin ausreisen konnte.
       
       2019 hatte er am coronabedingt bisher letzten Workshop der Stiftung in
       Berlin für Journalisten aus Südostasien teilgenommen. Schon damals fiel er
       durch große Neugierde und Offenheit auf.
       
       „Wir hatten ja keine Ahnung, wie in Europa gedacht wird,“ erinnert er sich.
       Zu seinem eigenen Erstaunen sei ihm ausgerechnet in Berlin klar geworden,
       dass er sich mehr mit der Außenpolitik Chinas beschäftigen sollte.
       
       Er stammt aus einer Familie von Kautschukbauern aus Myanmars Süden an der
       Grenze zu Thailand. Dort kämpfen seit Jahrzehnten ethnische Rebellen. Ein
       französischer Öl- und Gaskonzern betreibt dort eine umstrittene Pipeline
       ins Nachbarland.
       
       ## Migration als Ausweg, Gespräche über Politik als Tabu
       
       „Viele aus meiner Generation sind zum Arbeiten nach Thailand gezogen. Über
       Politik oder Menschenrechte wurde nicht gesprochen – aus Angst,“ erzählt
       er.
       
       Er kam auf die Oberschule in der Provinzhauptstadt und hatte in seinem
       grenznahen Dorf dank einer thailändischen SIM-Karte schon früh einen
       Internetzugang.
       
       Kyaw Soe handelte mit Kautschuk und betrieb einen CD-Verleih, um
       Internationale Beziehungen in Yangon studieren zu können. „Wir hörten
       heimlich BBC. Unsere Professoren rieten uns, nicht über Politik zu
       sprechen, aber nachzudenken.“
       
       Später schrieb er einen Bericht über Proteste der Pipelinearbeiter und
       mailte den an den [2][Exilsender Democratic Voice of Burma (DVB)] in
       Norwegen. Das verhalf den Arbeitern zu Aufmerksamkeit und ihm zu einem
       Medientraining in Thailand.
       
       ## Öffnung ermöglichte legale Arbeit als Journalist
       
       Nach Myanmars Öffnung ab 2012 konnte DVB im Land legal arbeiten, Kyaw Soe
       wurde dessen Korrespondent für den Süden. Dort gründete er das regionale
       Journalistennetz mit als Vertretung des nationalen Journalistenverbandes,
       der sich für die Pressefreiheit einsetzt. Er gab auch Journalistenkurse. Ab
       2018 arbeitete er als freier Journalist sowie als Fixer ausländischer
       Korrespondenten.
       
       Nach dem Putsch 2021 verboten die Generäle DVB und andere Medien. Manche
       Redakteure flohen ins Exil, andere tauchten unter. Kyaw Soe versteckte sich
       erst in Yangon, dann bei Bekannten in Mandalay.
       
       „Früher war ich stolz, dass als Beruf Journalist in meinem Ausweis steht.
       Doch heute kann ich den an Checkpoints nicht mehr zeigen, das ist zu
       gefährlich.“
       
       Reporter ohne Grenzen bezeichnet Myanmar als das „zweitgrößte Gefängnis für
       Journalisten“ (nach China). Recherchieren geht nur noch per Internet oder
       Telefon.
       
       ## Bewaffneter Kampf oder Flucht?
       
       „Einmal erkannte ich an der Stimme, dass ein Rebellensprecher ein früherer
       Journalistenschüler von mir war“, berichtet Kyaw Soe. Sollte auch er sich
       den bewaffneten sogenannten lokalen Volksverteidigungskräften gegen das
       Militär anschließen? Oder den ethnischen Rebellen im Grenzgebiet? Oder ins
       Ausland fliehen?
       
       Von den insgesamt 45 Journalist*innen aus Myanmar, die von 2013 bis
       2019 an Workshops der Panter Stiftung in Berlin teilnahmen, ist nach dem
       Putsch noch etwa ein Drittel versteckt journalistisch aktiv. Ein weiteres
       Drittel floh ins Ausland, oft nach Thailand. Bei einem weiteren Drittel ist
       der Verbleib unklar. Viele dürften den Beruf aufgegeben haben. Einer ist in
       Haft.
       
       Laut der Monitoringseite [3][Reportingasean.net] (Stand 31. März) wurden
       seit dem Putsch 122 Journalisten festgenommen. 48 sind noch in Haft, 22
       wurden verurteilt. Drei wurden nach Medienberichten bei der Arbeit getötet,
       einer starb im Gefängnis. „Wirst Du bei einer Razzia als Journalist
       identifizierst, wirst Du festgenommen,“ sagt Kyaw Soe.
       
       Einmal konnte er sich gerade noch verstecken. Das Militär hatte die Straße
       mit seinem Unterschlupf abgeriegelt und durchsuchte Haus für Haus nach dort
       nicht gemeldeten Personen. „Ich wurde zur Gefahr für die Familie, die mich
       aufgenommen hatte. Ich musste weg.“
       
       ## Angst um Leben und Einkommen
       
       Laut einer Umfrage von Reportingasean unter Journalisten von Mitte März
       fürchten 76 Prozent um ihr Leben und 56 Prozent, dass ihre Arbeit sie nicht
       mehr ernähren kann.
       
       In Deutschland hat sich Kyaw Soe auf ein Studium für internationale
       Journalisten beworben. Die Heimat holt ihn auch hier ein. Im Februar sah er
       bei der Berlinale den preisgekrönten Film „[4][Myanmar Diaries]“, der die
       Proteste gegen den Putsch dokumentiert.
       
       Darin ist zu sehen, wie Soldaten die Wohnung eines Journalisten beschießen,
       bevor sie ihn verhaften. „Das war ein Freund und Kollege von mir“, sagt
       Kyaw Soe.
       
       2 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Staatssteich-in-Myanmar/!5744873
   DIR [2] http://english.dvb.no/
   DIR [3] https://www.reportingasean.net/
   DIR [4] https://myanmardiaries.com/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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