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       # taz.de -- AfDler scheitert mit Klage gegen die taz: Den Namen zu Recht genannt
       
       > Der Initiator eines Beamten-Netzwerks in der AfD klagte gegen die Nennung
       > seines Namens in der taz. Damit ist er gescheitert.
       
   IMG Bild: Hofiert wie ein Staatsgast: Tino Chrupalla (re.) mit Außenminister Sergei Lawrow Ende 2020 in Moskau
       
       Der in dem [1][Bericht] benannte Thorsten Althaus hat versucht, der taz die
       Nennung seines Namens zu untersagen. Das Kammergericht Berlin hat jetzt
       angekündigt, seine Berufung gegen die Klageabweisung zurückzuweisen
       (Hinweisbeschluss vom 7. 3. 2022 zum Az. 10 U 53/21).
       
       Ein Exzerpt aus dem Beschluss:
       
       Der Kläger ist allein in seiner Sozialsphäre betroffen. Eine die
       Privatsphäre betreffende Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte kann
       bei der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei nur so lange angenommen
       werden, als der Betroffene lediglich eine passive Mitgliedschaft innehat
       und sich nach außen hin nicht offen zur Mitgliedschaft bekennen will. Denn
       zu der in Art. 9 Abs.1 GG grundrechtlich verbürgten Vereinsfreiheit gehört
       auch die freie Entscheidung, ob die Mitglieder mit der Mitgliedschaft oder
       den Grundsätzen der Vereinigung in die Öffentlichkeit treten wollen (BGH,
       Urt. v. 20.12.2011 – VI ZR 262/10 – Juris, dort Rn. 16). Hier folgt die
       Zugehörigkeit zur Sozialsphäre aber daraus, dass der Kläger nicht nur – zum
       Berichterstattungszeitpunkt jedenfalls auf lokaler Ebene – seine politische
       Karriere verfolgt, sondern parteiintern als einer der verantwortlichen
       Initiatoren des zu gründenden Arbeitskreises hervorgetreten ist. Auf die
       Frage, ob es öffentlichkeitswirksame Auftritte gegeben hat, kommt es dann
       nicht an (BGH, a.a.O.), ebenso wenig darauf, ob sich der Kläger sonst
       innerhalb der Partei um eine Trennung der beruflichen Sphäre von dem
       parteiinternen Engagement bemüht hat.
       
       Da das Schutzinteresse des Klägers die schutzwürdigen Belange der Beklagten
       nicht überwiegt, greift die Berichterstattung nicht rechtswidrig in seine
       Sozialsphäre ein. Entgegen der Annahme der Berufung kommt es bei der
       Abwägung der widerstreitenden verfassungsrechtlich geschützten Positionen
       nicht darauf an, ob auch ohne Identifizierung ohne Gehaltsverlust hätte
       berichtet werden können. Vielmehr muss der Einzelne grundsätzlich
       Einschränkungen seiner Rechte hinnehmen, wenn und soweit solche
       Beschränkungen von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls getragen werden
       und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem
       Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenzen des Zumutbaren noch
       gewahrt sind (BGH, a.a.O. Rn. 18 m.w.N.).
       
       Die Behauptung wahrer Tatsachen, die Vorgänge aus der Sozialsphäre
       betreffen, muss grundsätzlich auch dann hingenommen werden, wenn sie
       nachteilig sind, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht keinen Anspruch
       darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es genehm
       ist. Für Berichterstattungen über die berufliche Sphäre des Betroffenen
       gilt, dass der Einzelne sich in diesem Bereich von vornherein auf die
       Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit wegen der
       Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, einstellen muss.
       
       Wer sich im Wirtschaftsleben betätigt, setzt sich in erheblichem Umfang der
       Kritik an seinen Leistungen aus. Zu einer solchen Kritik gehört auch die
       Namensnennung. Die Öffentlichkeit hat in solchen Fällen ein legitimes
       Interesse daran zu erfahren, um wen es geht und die Presse könnte durch
       eine anonymisierte Berichterstattung ihre meinungsbildenden Aufgaben nicht
       erfüllen. Insoweit drückt sich die Sozialbindung des Individuums in
       Beschränkungen seines Persönlichkeitsschutzes aus. Denn dieser darf nicht
       dazu führen, Bereiche des Gemeinschaftslebens von öffentlicher Kritik und
       Kommunikation allein deshalb auszusperren, weil damit beteiligte Personen
       gegen ihren Willen ins Licht der Öffentlichkeit geraten (BGH, Urt. v.
       21.11.2006 – VI ZR 259/05 – Juris, dort Rn. 14, NJW-RR 2007, 619; Urt. v.
       20.01.1981 – VI ZR 163/79 – Juris, dort Rn. 29).
       
       Nichts anderes gilt, wenn die Belange der beruflichen Tätigkeit – wie hier
       – nicht nur in einen Konflikt mit der politischen Orientierung geraten
       könnten, sondern der Betroffene initiativ wird, und als einer der
       Protagonisten der parteiinternen Initiative aus dem aktiven höheren Dienst
       als Oberstudienrat heraus als Repräsentant der Berufsgruppe der Lehrkräfte
       an die Parteiöffentlichkeit geht, um Mitbetroffene zur Gründung eines
       Arbeitskreises aufzurufen. Die Beklagte brauchte dies nicht zu
       verschweigen. Denn mit der Herstellung eines Bezuges zwischen
       Parteimitgliedschaft und Beamtenstatus hat der Kläger den aktuellen Anlass
       für die Berichterstattung selbst gesetzt.
       
       Eben dies ist der von der Berufung vermisste „Mehrwert“; einer
       überregionalen Bekanntheit bedarf es dafür nicht. Der Kläger hat durch die
       Beteiligung an dieser Initiative zu seiner namentlichen Benennung mehr
       Anlass gegeben als es ein stilles Parteimitglied tut. Er muss es deshalb
       auch hinnehmen, als einer der Träger der Initiative benannt und in das
       Licht der Öffentlichkeit gestellt zu werden.
       
       Zu den hinzunehmenden Folgen der eigenen Entscheidungen und
       Verhaltensweisen gehören auch solche Beeinträchtigungen, die sich aus
       nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung wahrer Tatsachen
       ergeben, solange sie sich im Rahmen der üblichen Grenzen individueller
       Entfaltungschancen halten und konkrete Nachteile beruflicher Art nicht
       ersichtlich sind (BGH, Urt. v. 20.12.2011, a.a.O. Rn. 20).
       
       Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird bei der Mitteilung
       wahrer Tatsachen über die Sozialsphäre regelmäßig erst überschritten, wo
       sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu
       dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, schwerwiegende
       Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen
       verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale
       Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind. (vgl. nur BVerfG,
       Beschluss vom 29.06.2017 – 1 BvR 3487/14 – Juris, dort Rn. 14 m.w.N.).
       
       Solche Belange vermag die Berufung nicht aufzuzeigen. Der Beklagten steht
       es als meinungsbildendes Medium zu, sich offen und kritisch gegen die AfD,
       ihre Mitglieder und deren konkrete Pläne zu positionieren. Die vom Kläger
       aufgezeigten Nachteile ergeben sich aus der Thematisierung einer von ihm
       federführend mitgetragenen Initiative und nicht daraus, dass er ohne Grund
       und Anlass aus einem Kreis gleichermaßen in Betracht kommender Personen
       hinausgehoben und der Öffentlichkeit vorgeführt wird.
       
       Das Landgericht Berlin ist auch von einer zutreffenden Tatsachengrundlage
       ausgegangen. Es ergibt sich aus dem unstreitigen Tatbestand des
       angefochtenen Urteils, dass das parteiinterne Anschreiben sich nicht an
       alle Parteimitglieder, sondern an diejenigen richtete, die sich im
       öffentlichen Dienst befinden. Die in den Entscheidungsgründen gewählte
       Formulierung grenzt die Aktivitäten des Klägers eingangs der weiteren
       Erörterungen von den Belangen eines stillen Parteimitglieds ab. Dass die
       nach außen gerichteten Bemühungen des Klägers sich entgegen der
       einleitenden Formulierung nicht auf „alle Parteimitglieder“, sondern auf
       die Angehörigen des öffentlichen Dienstes bezogen, ist zutreffend. Diese
       Unrichtigkeit ist jedoch ohne Auswirkung auf die Würdigung geblieben. Denn
       diese geht davon aus, dass das Engagement des Klägers sich an einen
       beschränkten Adressatenkreis gerichtet hat. Das ergibt sich nicht nur aus
       dem erweiterten Zusammenhang, namentlich der das zentrale Thema des
       gesamten Artikels bildenden Vernetzung von betroffenen AfD-Mitgliedern zu
       einem „Beamtennetzwerk“, sondern auch aus dem engeren Kontext, insbesondere
       den zur Gewichtung der jeweiligen Belange angestellten Ausführungen des
       Urteils, mit denen die innerparteilichen Bemühungen als auf die
       Berufsgruppe des öffentlichen Dienstes bezogen in die Abwägung eingestellt
       worden sind.
       
       Johannes Eisenberg ist Rechtsanwalt in Berlin. Er vertritt die taz
       regelmäßig.
       
       25 Mar 2022
       
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