URI: 
       # taz.de -- Überwachungsaffäre in Spanien: „Catalan Gate“ weitet sich aus
       
       > Auf dem Handy von Pedro Sánchez wurde ein Spionageprogramm gefunden. Mit
       > derselben Software wurden katalanische Politiker gehackt.
       
   IMG Bild: Wurde Opfer von Cyberattacken: der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez
       
       Madrid taz | Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und
       Verteidigungsministerin Margarita Robles wurden 2021 Opfer von
       Cyberattacken auf ihre Mobiltelefone. Das gab am Montag der Kabinettschef
       von Sánchez, Felix Bolaños, auf einer überraschend einberufenen
       Pressekonferenz bekannt. Eine Untersuchung des Nationalen Institutes für
       Verschlüsselungstechnik habe dies ergeben. Das Institut gehört zum
       spanischen Geheimdienst CNI. Die Handys der restlichen Regierungsmitglieder
       werden noch untersucht.
       
       Zum Einsatz sei das Spionageprogramm [1][Pegasus der israelischen
       Softwareschmiede NSO] gekommen, erklärt Bolaños. Das Handy von Sánchez
       wurde im Mai 2021 zweimal geknackt. Beim ersten Angriff wurden 2,6 Gigabyte
       Daten kopiert, beim zweiten 130 Megabyte. Vom Telefon der
       Verteidigungsministerin wurden im Juni 2021 9 Megabyte Daten gestohlen. Die
       Regierung hat nun Anzeige beim obersten Strafgerichtshof, der Audiencia
       Nacional, erstattet.
       
       Die Handys von Sánchez und seinen Ministern wurden untersucht, nachdem
       bekannt wurde, dass die Telefone von mindestens 65 Personen aus dem Umfeld
       der katalanischen und baskischen Unabhängigkeitsbewegungen mit Pegasus und
       einem weiteren Malware-Programm angegriffen worden waren. Das ergab eine
       Untersuchung durch das [2][Citizen Lab], einer sich mit Cybersicherheit
       beschäftigenden Einrichtung der Universität Toronto in Kanada. Unter den
       Betroffenen von „Catalan Gate“ – so der Name, den Citizen Lab dem Fall gab
       – befindet sich auch der derzeitige Präsident der katalanischen
       Autonomieregierung, [3][Pere Aragonès], zwei seiner Vorgänger, sowie das
       Umfeld eines weiteren ehemaligen katalanischen Regierungschefs, [4][Carles
       Puigdemont], der im Exil in Brüssel lebt. Außerdem wurden die Handys von
       katalanischen Abgeordneten im spanischen Parlament und in Brüssel, sowie
       Aktivisten und mehreren Anwälten infiziert.
       
       „Wir sind mit illegalen und externen Infektionen konfrontiert“, so Bolaños.
       Wer die externen Angreifer seien, benannte er nicht. Doch es habe weder
       eine gerichtliche Genehmigung gegeben, noch seien sie von einer offiziellen
       Stelle durchgeführt worden. Er betonte mehrmals, dass Spanien „eine
       vollumfängliche Demokratie“ sei. Pegasus wird allerdings, laut Hersteller
       NSO, nur an Regierungen und deren Behörden zur Bekämpfung der organisierten
       Kriminalität und des Terrorismus verkauft.
       
       ## Pegasus wurde auch in 45 weiteren Ländern eingesetzt
       
       Catalan Gate und die Attacken auf die Regierung Sánchez sind nicht die
       einzigen Fälle, in denen Pegasus zu anderen Zwecken benutzt wurde – das
       Programm wurde auf Telefonen von Oppositionellen und Journalisten in 45
       Staaten gefunden, darunter auch die EU-Länder Ungarn und Polen.
       
       Neben der Audiencia Nacional beschäftigt sich seit Montag auch ein Gericht
       in Barcelona mit dem Fall Pegasus. Dort klagte die katalanische
       Kulturvereinigung [5][Òmnium Cultural], deren Sprecher ausspioniert wurde,
       gegen NSO. In den kommenden Tagen wollen andere Betroffene in ihren
       jeweiligen Aufenthaltsländern ähnliche Klagen einreichen. Einer der
       Anwälte, der diese Klagen vorbereitet, ist [6][Gonzalo Boyé], Verteidiger
       von über 20 Betroffenen, darunter Puigdemont. Boyés Handy wurde ebenfalls
       infiziert.
       
       Er sieht einen Zusammenhang zwischen den Attacken auf die Regierung und auf
       die katalanischen Unabhängigkeitspolitiker: Sánchez sei Ziel des Angriffs
       geworden, als er deren Begnadigung vorbereitete, sagt er. Hinter den
       Angriffen steckten „Teile des staatlichen Sicherheitsapparates, die
       außerhalb jeglicher Kontrolle handeln“.
       
       3 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.occrp.org/en/the-pegasus-project/
   DIR [2] https://citizenlab.ca
   DIR [3] /CatalanGate-mit-Pegasus-Spyware/!5846431
   DIR [4] /Nach-Festnahme-auf-Sardinien/!5803731
   DIR [5] https://www.omnium.cat/de/omnium/
   DIR [6] https://twitter.com/boye_g
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
   DIR Spanien
   DIR Katalonien
   DIR Spionage
   DIR Hacking
   DIR Madrid
   DIR Pedro Sánchez
   DIR Katalonien
   DIR Spanien
   DIR Spanien
   DIR Felipe VI.
   DIR Schwerpunkt Berlinale
   DIR Katalonien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Strafreform in Spanien: Puigdemont kein „Aufständischer“
       
       Die spanische Strafreform tritt am Donnerstag in Kraft. Die neue
       Gesetzeslage verringert die Haftstrafen im Fall „Unabhängigkeit
       Kataloniens“
       
   DIR Spionageskandal in Spanien: Erstes Opfer des „Catalangate“
       
       Weil sie katalanische Politiker bespitzeln ließ, muss Spaniens
       Geheimdienstchefin gehen. Der Skandal bringt die Minderheitsregierung ins
       Wanken.
       
   DIR Überwachungsaffäre in Spanien: Geheimdienst gibt „Catalan Gate“ zu
       
       Spaniens Geheimdienst räumt ein, katalanische Politiker und Aktivisten
       bespitzelt zu haben. CNI-Chefin Esteban wurde vor einen Ausschuss zitiert.
       
   DIR Monarchie in Spanien: Transparenzzwang im Königshaus
       
       Spaniens Monarchie soll transparenter werden und sich künftig einer
       Buchprüfung unterziehen. Ihr Ruf hat unter Altkönig Juan Carlos I.
       gelitten.
       
   DIR Finale der Berlinale: Festival auf Abstand
       
       Auf der 72. Berlinale gewinnt mit „Alcarràs“ ein Film über Obstbauern in
       Katalonien. Das Filmfestival stand im Zeichen der Pandemie.
       
   DIR Unterricht an Schulen in Katalonien: Politisch heikle Sprache
       
       Sollen Kinder in Katalonien auf Spanisch oder Katalanisch unterrichtet
       werden? Ein Gerichtsurteil erregt die katalanischen Gemüter.