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       # taz.de -- Verurteilter Boxer Schwarz kehrt zurück: Geschäft mit Gewalttäter
       
       > Tom Schwarz zertrümmerte den Kiefer seiner Exfreundin Jetzt feiert er
       > sein Comeback. Das sei schlecht für das Boxen, sagt der Verbandschef.
       
   IMG Bild: Sein letzter Kampf: Tom Schwarz (r.) gegen Ilja Mezencev im September 2019 in Magdeburg
       
       Aufmerksamkeit verschafft sich Almin Kuc recht einfach. Am Samstagabend
       veranstaltet der 41-jährige Berliner Bau- und Immobilienunternehmer seinen
       ersten Profiboxkampf in der brandenburgischen Kleinstadt Falkensee. Und
       damit möglichst viele über das Ereignis in der Provinz schreiben und reden,
       lud er sich jemanden ein, den bislang partout niemand mehr einladen wollte.
       
       Am späten Abend wird in der Falkenseer Stadthalle der 1,97 Meter große
       Schwergewichtler Tom Schwarz auf die Boxbühne gebeten, der in der Nacht zum
       31. Mai 2020 seiner ehemaligen Lebensgefährtin im Streit mit einem Schlag
       dreifach den Kiefer brach. Die Zähne im Unterkiefer mussten komplett
       ersetzt werden.
       
       „Öffentliche Aufmerksamkeit ist für jeden Veranstalter interessant, aber
       ich will das nicht in eine Richtung bewegen, wo das nicht hingehört“, sagt
       Kuc. Ihm gehe es um das Sportliche, um zufriedene Zuschauer. Was ein Boxer
       leisten kann, wenn er seit September 2019 nicht mehr im Ring stand, ist
       spekulativ, auch wenn Schwarz einmal als große deutsche
       Schwergewichtshoffnung gehandelt wurde und sich seine Bilanz (26 Siege und
       eine Niederlage) gut liest.
       
       Der erste Teil von Kuc’ Plan ist jedoch schon aufgegangen. Der
       auflagenstarke Boulevard schreibt fleißig vom Comeback des
       „Skandal-Boxers“, mit dessen Vergangenheit will Kuc allerdings nichts zu
       tun haben: „Ich werde mich nicht dazu äußern, was passiert ist.“
       
       ## Box-Stilkritik vom Gericht
       
       [1][Auf Facebook] hat er bereits wegen der vielen Presseanfragen eine
       Stellungnahme verfasst. Sein Hauptargument, weshalb er Schwarz die Rückkehr
       ermögliche, war der Respekt vor der deutschen Justiz („Wir leben
       bekanntermaßen in einem deutschen Rechtsstaat“). Das ist schon kurios,
       stützt er sich doch damit auf einen Gerichtsbeschluss, der als
       „Skandal-Urteil“ (Bild-Zeitung) bundesweit für Aufsehen sorgte. Denn gegen
       die Zahlung von 2.500 Euro wurde das Verfahren gegen Tom Schwarz im
       vergangenen November eingestellt.
       
       Das Amtsgericht Burg in der Nähe von Magdeburg urteilte im
       Schnellverfahren, hörte sich nur eine Zeugin an, sah beim Gewaltopfer eine
       Mitschuld und hielt dem Gewalttäter zugute, dass er „der Meister der
       fliegenden Fäuste und nicht der Meister des gesprochenen Wortes“ sei. Der
       Schlag als solcher wurde weniger hinterfragt als die Ausführung. Die
       Stilkritik des Gerichts lautete: „Der Schlag hätte anders ausgeführt werden
       können und müssen – und als Profiboxer muss man in der Lage sein, das
       dosieren zu können.“
       
       Triumphierend hob Schwarz nach dem Urteil die Faust in die Höhe. Er wusste,
       wie billig er davongekommen war. Mit Kämpfen vor Justizbehörden kennt er
       sich aus. Wegen Beleidigungen und Gewalttaten hatte er sich bereits vor
       dieser Verhandlung mehrmals zu verantworten. Im Frühjahr 2021 etwa musste
       er für die Beleidigung von Polizeibeamten bei einer Verkehrskontrolle
       (2.000 Euro) fast genauso tief in die Tasche greifen.
       
       Wegen Gewalt gegen Frauen stand er jedoch erstmals vor Gericht, obwohl nun
       auch seine frühere Freundin, die Schlagersängerin Annemarie Eilfeld,
       berichtete, von Schwarz geschlagen worden zu sein. Nach Angaben des
       Familienministeriums erleidet in Deutschland jede vierte Frau in ihrer
       Partnerschaft Gewalt. Angezeigt wird das in den seltensten Fällen.
       
       ## Demonstration vor der Halle
       
       Die frühere [2][Boxerin und mehrfache Weltmeisterin Regina Halmich]
       forderte nach dem Urteil in Burg Schwarz’ lebenslangen Ausschluss aus dem
       Boxsport. Boxtrainer-Legende Ulli Wegner drückte sein Unverständnis
       gegenüber dem Kollegen Yoan Pablo Hernandez aus, der die Betreuung von
       Schwarz übernommen hat.
       
       Und in Falkensee vor der Stadthalle haben linke Bündnisse aus Berlin und
       Magdeburg, die sich für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen engagieren,
       eine Demonstration am Samstag gegen den Auftritt von Tom Schwarz
       angemeldet. Boxpromoter Almin Kuc bleibt trotz der breiten Kritik unbeirrt:
       „Sie haben ihre Meinung, ich habe ein bisschen eine andere Meinung. Jeder
       kann seine Meinung haben.“
       
       Es wäre aber zu einfach, die Empörung allein gegen den Comeback-Ermöglicher
       Kuc zu richten. Er kann sich eindimensional auf seine Geschäftslogik
       beschränken, weil der deutsche Profiboxsport – wie andere Sportarten auch –
       sich selbst nur unzureichende, zivilisierende Regeln setzt, obwohl sonst
       gern von Respekt, Fairness und gesellschaftlicher Vorbildfunktion
       gesprochen wird. Nachweislich brutale Gewalt gegen Frauen in der
       Privatsphäre bleibt aber weiter eine Privatangelegenheit.
       
       Für Kuc ist alles recht einfach: „Er hat die Lizenz, er ist ein freier
       Mann, er kann boxen.“ Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher
       Berufsboxer, sagt: „Die Lizenz können wir ihm nicht entziehen. Wir haben
       das juristisch prüfen lassen. Das käme einem Berufsverbot gleich und würde
       gegen die Statuten unseres eigenen Verbandes verstoßen.“ Handeln hätte man
       nur können, wenn das bei einer Boxveranstaltung passiert wäre.
       
       Warum aber nicht einfach die eigenen Statuten ändern? Er werde das Thema am
       7. Mai in der Generalversammlung auf die Tagesordnung setzen, versichert
       Pütz. Er könne sich die Installation eines Ethikausschusses vorstellen, das
       müsse noch mit Juristen besprochen werden. Fast zwei Jahre liegt die
       Gewalttat von Schwarz zurück. Die Reaktionszeit der Boxfunktionäre ist
       nicht die schnellste, und man wird abwarten müssen, was aus der
       angekündigten Initiative wird.
       
       ## „Verachtenswürdiges Verhalten“
       
       In der Bewertung der Causa Schwarz lässt Pütz an Deutlichkeit nichts zu
       wünschen übrig: „Die Veranstaltung in Falkensee schadet definitiv dem
       deutschen Profiboxsport. Das Verhalten von Tom Schwarz ist nicht zu
       akzeptieren und verachtenswürdig.“ Er begrüße die Demonstration vor der
       Halle. Der Bund Deutscher Berufsboxer habe selbst versucht, Einfluss auf
       Kuc zu nehmen, um einen Auftritt des Magdeburgers zu verhindern.
       Vergeblich.
       
       Die eindeutige Haltung von Schwarz zwingt den Verband geradezu, sich
       deutlich zu positionieren. „Was ich bei ihm völlig vermisse“, sagt Pütz,
       „ist die Einsicht, etwas falsch gemacht zu haben.“ Er habe ihn persönlich
       getroffen, mache aber bei dem Thema völlig zu. Der Boxpromoter Ulf
       Steinforth, der ihn viel besser kenne, habe ebenso trotz zahlreicher
       Gespräche nichts bewirken können. Steinforth ist Leiter von SES Boxing, wo
       Schwarz unter Vertrag stand. Nach seiner brutalen Gewalttat wurde ihm
       umgehend gekündigt.
       
       Bis heute hat Tom Schwarz nicht einmal öffentlich Reue bekundet – wobei
       Almin Kuc einen anderen Eindruck erwecken will. In seinem
       Facebook-Statement heißt es, er habe ihn in mehreren Gesprächen als
       selbstkritischen und reflektierten Menschen kennengelernt. Bereut er
       mittlerweile doch? Kuc ziert sich. Er will das nicht weiter konkretisieren.
       Es sei so, wie er das geschrieben habe. „The show must go on“, das hat
       [3][Tom Schwarz via Instagram mitgeteilt], als er auf den Kampf am Samstag
       in Falkensee hinwies.
       
       Almin Kuc hat wohl vor, mithilfe eines Ausgestoßenen in den Profiboxsport
       einzusteigen. In Serbien hatte er bereits ein paar Kämpfe organisiert. Nach
       seinem Debüt in Deutschland will er hierzulande künftig zwei bis drei
       Veranstaltungen stemmen. Beim nächsten Mal möchte er schon eine größere
       Halle in Berlin mit 2.000 Zuschauern füllen. Begeisterung fürs
       darniederliegende deutsche Profiboxen soll bis in die Redaktionen der
       größeren TV-Sender geweckt werden. Unternehmer Kuc denkt groß.
       
       ## Großartig für den Boxsport
       
       Das Gericht in Burg hatte im November die Milde seines Urteils unter
       anderem damit begründet, dass Schwarz erhebliche berufliche Nachteile
       entstanden seien. Kuc wiederum betrachtet die Milde des Urteils als
       Grundlage, um Schwarz zu engagieren und den eigenen Aufstieg zu befördern.
       Immerhin stand Schwarz 2019 in Las Vegas [4][gegen den Weltklasseboxer
       Tyson Fury] im Ring, auch wenn er chancenlos war. Schon in der zweiten
       Runde wurde der Kampf abgebrochen.
       
       Mancherorts, wie im Anzeigenblatt Magdeburger-News, wird die Kuc-Initiative
       gefeiert: „Es sind großartige Nachrichten für den Boxsport: Tom Schwarz
       steigt nach langer Pause wieder in den Ring – und er hat Großes vor.“ Der
       Grund der Pause wird mit keinem Wort erwähnt.
       
       Wird Schwarz mit dem Kampf am Samstag die Tür für andere Auftritte
       geöffnet? BDB-Präsident Pütz glaubt das nicht. Wie nachsichtig Gewalt von
       Männern gegen Frauen bisweilen sanktioniert wird, daran wird am
       Samstagabend in Falkensee auch ein anderer erinnern. Im Hauptkampf zwischen
       Florian Wildenhof und Rico Müller im Super-Weltergewicht wird letzterem der
       ehemalige Europameister Michel Trabant als Trainer zur Seite stehen. Nach
       dem Karriereende schlug der im Jahre 2010 in einer Disko einer Frau ins
       Gesicht. Drei gesplitterte Frontzähne und ein gebrochenes Nasenbein waren
       beim Opfer die Folge, Trabant musste 1.350 Euro zahlen. Auch damals wollte
       die Staatsanwältin keine große Sache daraus machen. In der Berliner
       Morgenpost wurde sie mit dem Satz zitiert: „Zähne lassen sich ersetzen.“
       
       9 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.facebook.com/kucboxingpromotion/
   DIR [2] /Regina-Halmich-ueber-ihre-Boxkarriere/!5688121
   DIR [3] https://www.instagram.com/tomschwarz_official/?hl=de
   DIR [4] /Profiboxen-der-Maenner/!5804306
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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