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       # taz.de -- Kooperation mit russischem Staatskonzern: Siemens bleibt Rosatom treu
       
       > Zusammen mit Russlands Staatskonzern will Siemens neue AKWs bauen. Das
       > Wirtschaftsministerium hat keine Einwände.
       
   IMG Bild: Im geplanten Neubau soll die Technik von Siemens kommen: Kontrollraum des ungarischen AKW Paks
       
       Berlin taz | Dass die Europäische Union bei Erdgas und Öl auf Importe aus
       Russland angewiesen ist, ist als Problem mittlerweile allgemein bekannt –
       und seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird nach
       Kräften daran gearbeitet, diese [1][Abhängigkeit so schnell wie möglich zu
       beenden].
       
       Sehr viel weniger Aufmerksamkeit findet die Abhängigkeit bei einem anderen
       Energieträger: Auch viele europäische Atomkraftwerke sind auf
       Brennstofflieferungen aus Russland angewiesen. Und zwar so sehr, dass
       solche Lieferungen nicht nur von den bestehenden Sanktionen ausgenommen
       sind.
       
       Sogar das Flugverbot für russische Maschinen muss dafür zurückstehen: Weil
       der übliche Transportweg per Bahn durch die Ukraine kriegsbedingt nicht
       möglich war, [2][landete vergangene Woche ein Flugzeug mit neuen
       Brennstäben im ungarischen Papa]. Das Überflugverbot für russische
       Maschinen wurde für diese Maschine in Polen und der Slowakei außer Kraft
       gesetzt, teilte das ungarische Außenministerium mit.
       
       Doch nicht nur für bestehende Atomkraftwerke russischer Bauart gibt es
       Ausnahmen von den Sanktionen. Auch der Bau neuer Reaktoren durch den
       russischen Staatskonzern Rosatom ist trotz des Ukrainekriegs weiterhin
       vorgesehen, und zwar im finnischen Hanhikivi und im ungarischen Paks.
       
       Und in beiden Fällen ist mit Siemens Energy ein deutscher Konzern in
       entscheidender Funktion beteiligt. Zusammen mit dem französischen
       Unternehmen Framatome hat Siemens im Jahr 2019 den Zuschlag für den Bereich
       Instrumentations and Control erhalten, zu dem die zentralen Sicherheits-
       und Überwachungseinrichtungen in AKWs gehören.
       
       Während es in Finnland angesichts des Ukrainekriegs zumindest [3][eine neue
       Debatte über das Projekt des russischen Staatskonzerns] gibt, will Ungarn
       auf jeden Fall daran festhalten. „Wenn das Atomkraftwerk nicht gebaut wird,
       müssen wir uns auf einen brutalen Anstieg der Energiekosten einstellen“,
       hatte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto im März gesagt.
       
       Und auch Siemens Energy sieht offenbar keinen Grund, die Zusammenarbeit mit
       Rosatom zu beenden. Auf taz-Anfrage erklärte ein Sprecher zwar, das
       Unternehmen verurteile „die militärische Aggression Russlands“ und
       unterstützte die verhängten Sanktionen. Zudem erklärt das Unternehmen, es
       habe „sämtliches Neugeschäft in Russland gestoppt“. Doch für die geplanten
       Neubauprojekte, die nicht in Russland, aber im Auftrag des russischen
       Staatskonzerns stattfinden, gilt das demnach nicht; explizit äußern will
       sich das Unternehmen zur Zukunft dieser Vorhaben auf Anfrage nicht.
       
       ## Kritik von Grünem
       
       Der atompolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Stefan Wenzel,
       übt daran scharfe Kritik. „Es ist völlig unverständlich, dass sich die EU
       mit neuen AKW – geplant, gebaut und finanziert aus Russland – weiter in die
       Abhängigkeit von Putin begibt“, sagte er der taz. „Europäische Firmen wie
       Siemens dürfen diese Projekte nicht ermöglichen, sondern müssen konsequent
       ihre Geschäfte mit russischen Staatskonzernen umgehend kappen.“
       
       Das Bundeswirtschaftsministerium, das von Wenzels Parteifreund Robert
       Habeck geführt wird, plant allerdings nicht, in dieser Angelegenheit aktiv
       zu werden. Zwar sei Atomkraft eine „Risikotechnologie“, deren Nutzung
       Deutschland ablehne, teilte ein Sprecher mit. Die Siemens-Kooperation mit
       Rosatom sei aber „Ergebnis einer unternehmerischen Entscheidung, die wir
       nicht kommentieren“.
       
       Wenzel stellt das nicht zufrieden. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung
       sich auf EU-Ebene dafür einsetzt, auch solche nuklearen Neubauprojekte mit
       Rosatom in die Sanktionen einzubeziehen“, fordert der Grünen-Abgeordnete.
       
       13 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Energieembargo-gegen-Russland/!5844788
   DIR [2] https://ungarnheute.hu/news/update-russisches-flugzeug-transportierte-nuklearmaterial-nach-ungarn-24878/
   DIR [3] /Russland-baut-AKW-in-Finnland/!5838391
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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