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       # taz.de -- Tiere in der Großstadt: Landflucht der Feldhasen
       
       > Wer nach Hasen Ausschau hält, wird in Berlin eher fündig werden als in
       > Brandenburg. Über Ostern sollen die Tiere im Stadtgebiet gezählt werden.
       
   IMG Bild: Im Tiergarten zu Hause: Berliner Wildkaninchen
       
       Berlin taz | Der Osterspaziergang oder die Eiersuche lässt sich in diesem
       Jahr gut mit einem Hilfsdienst für die wissenschaftliche Forschung
       verbinden. Das Berliner Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) hat
       zusammen mit dem Naturschutzbund (Nabu) die Bevölkerung dazu aufgerufen, im
       Stadtgebiet nach Feldhasen und Kaninchen Ausschau zu halten und die
       Beobachtungen den Wissenschaftlern zu melden. Die untersuchen nämlich, wie
       [1][Wildtiere ihre angestammten Lebensräume] in Wald und Feld verlassen und
       in die Städte der Menschen wandern.
       
       Auch wenn Meister Lampe zum Osterfest alle Jahre wieder eine Sympathiewelle
       erfährt – gut geht es ihm nicht. „Der Osterhase ist in Gefahr“, warnt der
       Nabu. Auf der Roten Liste der gefährdeter Tier- und Pflanzenarten wird der
       Feldhase bundesweit als „gefährdet“ eingestuft – mit negativem
       Entwicklungstrend. Ursache dafür ist die immer intensiver [2][betriebene
       Landwirtschaft], die störende Hecken und Büsche abräumt, dem bisherigen
       Lebensraum der Langohren, wo sie Schutz vor Greifvögeln und ihre Nahrung
       fanden.
       
       Seit etwa 15 Jahren wird [3][die „Landflucht“ der Feldhasen] in die Städte
       beobachtet. Dort treffen sie auf die schon länger ansässigen Kaninchen. „In
       vielen Großstädten, so auch in Berlin, sind Wildkaninchen eine vertraute
       Erscheinung“, berichtet Dieter Köhler vom Nabu. Hier sind sie selbst auf
       kleinen Grünflächen zu finden. „Die Seuchen der 80er Jahre haben sie stark
       zurückgedrängt, aber mittlerweile scheint die Art in Berlin wieder im
       Kommen zu sein“, stellt Köhler fest.
       
       Eine Besonderheit Berlins ist die Ost-West-Trennung der Langohren.
       Wildkaninchen sind nach der Kartierung der IZW-Wildtierforscher besonders
       in den Westbezirken heimisch, während es die Feldhasen in östlichen
       Plattenbaustadtteile zieht, vor allem Lichtenberg und Marzahn. Der Grund
       dafür ist die Naturlandschaft, die sich aus der Blockbebauung ergibt.
       
       „Zwischen den Hochhäusern befinden sich große Freiflächen, die teils über
       50 Jahre nicht gedüngt wurden, auf denen sich aber eine vielfältige Flora
       entwickelt hat, die den Hasen die lebensnotwendige, abwechslungsreiche
       Nahrung bietet“, erläutert Naturschützer Köhler. Auf seinem Speiseplan
       stehen Gräser und Kräuter sowie Feldfrüchte, aber auch Triebe, Knospen und
       Blätter junger Bäume.
       
       Die Hecken und Büsche der Grünanlagen bieten den Tieren Schutz vor der für
       sie größten Bedrohung in der Stadt, den Hunden. Anders als die Kaninchen,
       die ihren Schutz in unterirdischen Grablöchern finden, sind die Hasen auf
       Rückzugsräume über der Erde angewiesen.
       
       „Im Stadtgebiet Berlins tummeln sich 59 Säugetierarten, darunter Füchse,
       Feldhasen und Wildkaninchen, die etwas kleineren Vertreter unserer
       einheimischen Hasenartigen“, haben die Wissenschaftler vom Leibniz-Institut
       für Zoo- und Wildtierforschung herausgefunden. Den größten Ärger
       verursachen die Wildschweine, die in Rotten aus dem Grunewald in die
       Villenviertel strömen, um die Abfalltonnen nach Essbarem zu durchwühlen.
       Hasen und Kaninchen kommen mit dem Menschen nicht ins Gehege.
       
       ## Stadthasen bleiben unter sich
       
       Bei der Zählung an Ostern im vergangenen Jahr konnten 60 Feldhasen und 29
       Wildkaninchen registriert werden. Pro 100 Hektar wurden in den Ostbezirken
       zwischen 10 und 12 Hasen gezählt. Das ist doppelt so viel wie im
       landwirtschaftlich geprägten Brandenburg. „Wir gehen nach dem jetzigen
       Stand davon aus, dass die Stadthasen weitgehend unter sich bleiben und es
       kaum einen Austausch mit den Hasen Brandenburgs gibt“, sagt der Biologe
       Konstantin Börner, Biologe am IZW. „Das jährliche Monitoring und
       wiederholte Meldungen sind sehr wichtig, um Trends in der räumlichen
       Verbreitung und Populationsentwicklung besser einschätzen zu können“, so
       der Forscher.
       
       Momentan gehe man bei den Hasen „von einer stabilen und vitalen städtischen
       Subpopulation“ aus. Wo sich die Wildtiere genau befinden, das wollen die
       Forscher mithilfe von „Bürgerwissenschaftlern“ herausfinden. Das sind
       Laien, die durch ihre Beobachtungen die Datenbasis der Profiwissenschaft
       verbessern sollen. Bei der diesjährigen Beobachtung ist als dritte
       Wildtierart auch der Fuchs von Interesse. Über die Internetseite
       [4][berlin.stadtwildtiere.de] können Interessierte bis einschließlich 24.
       April gezielt Beobachtungen von Fuchs, Hase und Wildkaninchen melden und
       Bilder hochladen.
       
       Die Seite bietet auch Bestimmungs- und Beobachtungstipps für die drei Arten
       an. „Wenn der Hase dem Fuchs als seinem Fressfeind aus dem Weg gehen
       sollte, wie wahrscheinlich ist es dann, dass beide gemeinsam entdeckt
       werden?“ Dies ist eine Fragestellung, der die Biologin Sophia Kimmig vom
       Projekt Berliner Stadtwildtiere (SWT) nachgehen will. Die Aktion wird auch
       vom Bezirksamt Lichtenberg unterstützt.
       
       ## Hasen am Morgen
       
       Gerade die Ostertage bieten laut Köhler beste Voraussetzungen, um Feldhasen
       zu beobachten – insbesondere in den Morgen- und Abendstunden. „Hier können
       Eltern ihren Kindern wirklich Hasen zeigen“, so der Naturschützer. Zudem
       befinden sich in den Monaten März und April „die Hasen im Liebesrausch“,
       ergänzt das Brandenburger Landwirtschaftsministerium in einer aktuellen
       Mitteilung. „Das Beobachten von Rangkämpfen der Hasen oder einer
       Hasenhochzeit kann zu einem ganz besonderen Erlebnis beim Osterspaziergang
       in der Feldflur werden.“
       
       Und wer dabei ein Exemplar mit Eierkorb entdeckt, den wahren „Osterhasen“,
       der hat das Bild des Tages geschossen.
       
       14 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Waschbaeren-in-Berlin/!5811954
   DIR [2] /Naturschutz-Nachhilfe-fuer-Biohoefe/!5201760
   DIR [3] /Wildtiere-machen-sich-die-Stadt-zu-eigen/!5167022
   DIR [4] https://berlin.stadtwildtiere.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Ronzheimer
       
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