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       # taz.de -- Relativierung des Ukraine-Kriegs: Ostermarsch sucht Schuld bei Nato
       
       > Das Forum für Völkerverständigung organisiert die Hamburger Ostermärsche.
       > Im Aufruf für 2022 wird vor allem „der Westen“ angegriffen.
       
   IMG Bild: Bescheidenes Friedenszeichen: Ein Mann hält beim Hamburger Ostermarsch 2016 eine Osterglocke
       
       Hamburg taz | „Krieg ist ein Verbrechen“, schreibt das Hamburger Forum für
       Völkerverständigung und weltweite Abrüstung in seinem aktuellen Rundbrief
       von Anfang April, und: „Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen.“ Was dann
       folgt, ist im Großen und Ganzen eine Rechtfertigung Russlands.
       
       Das Forum organisiert alljährlich die Ostermärsche in Hamburg. Der Flyer
       mit der Einladung für die Märsche am Karsamstag und Ostermontag beinhaltet
       auf den ersten Blick vor allem pazifistische, antimilitaristische
       Positionen: Abrüstung, Verhandlungen, Aufnahme von Flüchtenden und keine
       Waffenlieferungen. Ähnliche Forderungen liest man [1][auch für andere
       Friedensdemos,] so auch für die Ostermärsche in Oldenburg, Bremen oder
       Osnabrück.
       
       Der Hamburger Aufruf unterscheidet sich aber durch eine Analyse, die die
       Schuld in erster Linie bei der Nato sucht. „Die Bundesregierung hat sich
       als Vasall an die Seite der USA gestellt, die im Kampf um die Erhaltung
       ihrer weltweiten Hegemonie mit der Nato-Osterweiterung Russland in die
       Knie zwingen will“, schreibt Markus Gunkel vom Hamburger Forum im
       Rundbrief.
       
       Und im Ostermarsch-Flyer selbst [2][heißt es:] „Die Kündigung vieler
       wichtiger Rüstungskontrollverträge durch die USA, die kontinuierliche
       Nato-Osterweiterung und die forcierte Nato-Aufrüstung, mediale Hetze gegen
       Russland und China haben zur Eskalation beigetragen und die
       Sicherheitsinteressen Russlands bedroht.“
       
       ## Russlands Rolle wird relativiert
       
       Aufgegriffen hatte das Schreiben die Hamburger Morgenpost [3][in ihrer
       Ausgabe vom Dienstag]. „Zoff um den Ostermarsch“ schreibt die Mopo dort und
       wirft dem Hamburger Forum vor, auf Kreml-Linie zu sein. Die Kritik hält
       Rundbrief-Autor Gunkel für verleumderisch. „Dort wird behauptet, dass ich
       für Putin bin“, bemängelt Gunkel. „Wir schreiben aber klar, dass wir den
       Rückzug der russischen Truppen fordern.“ Tatsächlich kommt Putin in den
       Texten Gunkels mit keinem Wort vor. Die Forderung nach einem Rückzug
       Russlands steht prominent am oberen Rand des Aufrufs.
       
       Doch es lohnt der Blick ins Detail: Aus Russlands Angriff auf die Ukraine
       wird bei Gunkel „Russlands Eintritt in den Ukrainekrieg, der innerhalb des
       Landes schon seit 2014 ausgetragen wird.“ Die Rede ist damit nur noch von
       einer „Ausweitung der Kampfhandlungen“ durch Russland.
       
       USA und Nato „wollen die Entwicklung hin zu einer multipolaren Welt nicht
       akzeptieren und gehen dafür über Leichen“, schreibt Gunkel, bevor er
       zugibt, dass „jetzt auch Russland im Ukrainekonflikt auf militärische
       Machtpolitik“ setze. Dies wird weiter relativiert: Schließlich gebe der
       Westen weit mehr Geld für Rüstung aus.
       
       ## Gewerkschaften werben für Teilnahme
       
       Die Mopo hatte in ihrem Artikel vermutet, dass nun der Ostermarsch
       geschwächt werde: Vertreter*innen der Linken, darunter die ehemaligen
       Bürgerschaftsabgeordneten Christiane Schneider und Kersten Artus gaben an,
       an der Friedensdemo nicht teilnehmen zu wollen. Schneider möchte sich nicht
       ein weiteres Mal öffentlich zu dem Thema äußern.
       
       Doch ob die Aussagen tatsächlich viele Besucher*innen abhalten werden,
       ist schwer zu ermessen. Der öffentlichen Äußerung von Schneider und Artus
       zum Trotz ruft etwa die Linke weiter zum Ostermarsch auf. Das kann kaum
       verwundern: Beim Parteitag der Hamburger Linken Ende März hatte sich
       ohnehin [4][keine Mehrheit für eine als „Minimalkonsens“] angekündigte
       schlichte Verurteilung des russischen Angriffs gefunden; große Zustimmung
       fand dagegen eine alte friedenspolitische Forderung, die vor
       Kriegsvorbereitungen der Nato warnte.
       
       Auch bei der Diakonie wird weiter für die Teilnahme am Ostermarsch
       geworben. Und anders, als in der Mopo impliziert, distanzieren sich auch
       die Gewerkschaften nicht von den Veranstalter*innen des
       Friedensmarsches.
       
       „Gerade jetzt ist es wichtig, gemeinsam zu zeigen, dass sich viele Menschen
       in Deutschland für Frieden in Europa und weltweit einsetzen“, sagt Hamburgs
       DGB-Pressesprecherin Savannah Guttmann. Die Ostermärsche spiegelten
       traditionell die ganze [5][Bandbreite der in der Friedensbewegung
       vertretenen Positionen]. Das zeige sich eben auch an der Vielzahl
       unterschiedlicher Aufrufe.
       
       14 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Linke-Demo-gegen-Russland-und-die-Nato/!5843627
   DIR [2] http://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/ff0c0fe2f571aec46e7681fcd1046fde186743/flugblatt-ukraine-02.03.2022.pdf
   DIR [3] https://www.mopo.de/hamburg/zoff-um-ostermarsch-kein-wort-zu-putin-aber-die-nato-ist-boese/
   DIR [4] /Ukrainekrieg-entzweit-Partei/!5844269
   DIR [5] /Friedensaktivist-ueber-Ukraine-Invasion/!5837777
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lotta Drügemöller
       
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