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       # taz.de -- Kinotipps für Berlin: Verspieltes und Geheimes
       
       > „Le stade de Wimbledon“ erzählt von einem Literaten, der nie ein Buch
       > veröffentlicht hat, „Petite Maman“ von einer Freundin, die es nicht gab.
       
   IMG Bild: „Petite Maman“ (FR 2021)
       
       Der französische Schauspieler Mathieu Amalric hat seit vielen Jahren
       Star-Appeal auch im internationalen Kino und ist dabei gleichermaßen für
       Verspieltes (er wirkt beispielsweise regelmäßig in Wes-Anderson-Filmen
       mit), Experimentelles und Kommerzielles mit Niveau zu haben. [1][Das Kino
       Arsenal widmet ihm im April eine Hommage], die besonderen Wert auf seine
       Regiearbeiten legt, die in Deutschland oft genug nicht ins Kino kamen.
       
       Eröffnet wird die Reihe am 2. April mit „Le stade de Wimbledon“ (2001),
       einer Literaturverfilmung, die sich mit dem künstlerischen Schaffensprozess
       beschäftigt und Jeanne Balibar auf die Spur eines Literaten setzt, der nie
       ein Buch veröffentlicht hat. Mathieu Amalric wird zur Vorstellung zu Gast
       sein (2. 4., 19 Uhr, Arsenal 1).
       
       „Geheimnisse sind nicht immer Dinge, die man zu verstecken sucht. Manchmal
       ist nur niemand da, dem man sie erzählen kann.“ Die kluge, aber traurige
       Lebensweisheit entstammt einem Rollenspiel, das sich zwei kleine Mädchen in
       „[2][Petite Maman]“ ausgedacht haben, irgendetwas mit einer
       Schlossbesitzerin und einem Polizeiinspektor.
       
       Was die Sache etwas kompliziert macht, ist die Tatsache, dass eines der
       Mädchen gar nicht existiert – oder jedenfalls nicht so richtig. Denn es ist
       lediglich eine sehr real wirkende Figur, die sich das andere Mädchen, die
       achtjährige Nelly (Joséphine Sanz), in einer Art Zeitreise in die Kindheit
       ihrer Mutter imaginiert, während sie mit ihren Eltern das Haus der jüngst
       verstorbenen Großmutter ausräumt.
       
       Das war einst auch das Zuhause von Nellys Mutter Marion, Nelly kennt das
       Haus aus ihren Erzählungen. Legendär ist eine Hütte, die die Mutter als
       Kind im angrenzenden Wald baute, wenige Tage, bevor sie sich im Krankenhaus
       einer Operation unterziehen musste.
       
       Als Nelly am nächsten Tag feststellen muss, dass ihre depressive Mutter
       abgereist und sie allein mit ihrem Vater im Haus zurückgeblieben ist,
       erkundet sie die Gegend und lernt im Wald ein gleichaltriges Mädchen
       (Gabrielle Sanz, Joséphines Zwillingsschwester) kennen. Es heißt, Marion
       baut gerade eine Hütte und muss in drei Tagen ins Spital.
       
       Die französische Regisseurin Céline Sciamma hat sich in ihren Arbeiten
       schon oft mit Kindheit und Jugend auseinandergesetzt und vermag auch hier
       die Befindlichkeiten eines Kindes klug in Szene zu setzen. Denn Nellys neue
       Freundschaft zur „kleinen Mama“ bietet Halt und Trost sowie die
       Gelegenheit, sich mit den Mitteln der Fantasie der manchmal sehr entfernt
       wirkenden Mutter anzunähern (u.a. 2.-3. 4., 15.30 Uhr, [3][fsk-Kino], 2.
       4., 16.30 Uhr, [4][Wolf Kino], 31. 3., 4. 4., 6. 4., 17.15 Uhr, 2. 4.,
       15.45 Uhr, 3. 4., 17.45 Uhr, [5][Sputnik-Kino]).
       
       Der Amerikaner Robert Flaherty ist der wohl bekannteste Dokumentarist des
       frühen Kinos, seine Filme waren Welterfolge. Eine besondere Faszination
       hatte er für die Kultur der Inuit im Norden Kanadas entwickelt, mit der er
       erstmals als Mitarbeiter einer Minengesellschaft in den 1910er Jahren in
       Berührung kam.
       
       Auf weiteren Reisen machte er erste Dokumentaraufnahmen (die durch einen
       Brand vernichtet wurden), schrieb ein Buch und schuf schließlich den Film
       „Nanook of the North“ (1922) über eine Inuit-Familie und ihren
       Überlebenskampf in der feindlich kalten Umwelt. In späteren Jahren musste
       Flaherty für seine Filmmethoden allerdings viel Kritik einstecken. Denn die
       Jagdmethoden der Inuit waren 1922 längst nicht mehr so archaisch wie im
       Film geschildert:
       
       Flaherty hatte seinem Helden die ursprünglichen Bräuche seines Volkes zum
       Teil wieder beigebracht. Ausgesucht hat den Film für das Kino Arsenal die
       brasilianische Filmemacherin und DAAD-Stipendiatin Paula Gaitán, sie hält
       auch eine Einführung (31. 3., 19 Uhr, Arsenal 1).
       
       31 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmreihe/mathieu-amalric-filmemacher-und-schauspieler/
   DIR [2] https://fsk-kino.peripherfilm.de/events/event/petite-maman-4/
   DIR [3] https://fsk-kino.peripherfilm.de/events/event/petite-maman-4/
   DIR [4] https://wolfberlin.org/de
   DIR [5] https://www.sputnik-kino.com/program/movie/2376
       
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   DIR Lars Penning
       
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