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       # taz.de -- Demokratiekrise in Tunesien: Präsident löst Parlament auf
       
       > Seit acht Monaten war das tunesische Parlament suspendiert. Nachdem sich
       > die Abgeordneten trotzdem trafen, löst Präsident Kais Saied es nun auf.
       
   IMG Bild: Auch die tunesische Bevölkerung protestiert gegen die autokratischen Tendenzen des Präsidenten
       
       Tunis afp | Tunesiens Präsident Kais Saied hat [1][das bereits seit acht
       Monaten suspendierte Parlament] aufgelöst. Der Staatschef verkündete am
       Mittwoch in einer von ihm geleiteten Sitzung des Nationalen
       Sicherheitsrates, dass das Parlament einen „Putschversuch“ gestartet habe
       und die Abgeordneten „strafrechtlich verfolgt“ würden. Die Abgeordneten
       hatten sich zuvor über die von Saied verhängte Suspendierung hinweggesetzt
       und in einer virtuellen Sitzung für die Rücknahme der seither von ihm
       angeordneten Maßnahmen gestimmt.
       
       An der virtuellen Sitzung hatten 120 der insgesamt 217 Abgeordneten
       teilgenommen. In dem von ihnen angenommenen Gesetzesentwurf werfen sie dem
       Staatschef vor, demokratische Prozesse zu blockieren und ein
       [2][autokratisches System einführen] zu wollen. Die Abgeordneten forderten
       außerdem Parlaments- und Präsidentschaftswahlen und einen nationalen
       Dialog, um den politischen Stillstand zu überwinden.
       
       Saied war Ende 2019 gewählt worden. Im vergangenen Juli berief er sich auf
       einen Notstandsartikel der Verfassung, setzte die Regierung ab,
       suspendierte das Parlament und hob die Immunität der Abgeordneten auf. Er
       regiert seitdem per Dekret. Der Staatschef hat einen Fahrplan für die
       Ausarbeitung einer neuen Verfassung aufgestellt. [3][Demnach soll im Juli
       ein Referendum über die Verfassung abgehalten werden], gefolgt von Wahlen
       am Ende des Jahres.
       
       Die Opposition wirft Saied vor, er betreibe einen Putsch gegen die
       demokratische Revolution, durch die 2011 während des Arabischen Frühlings
       der Langzeit-Machthaber [4][Zine El Abidine Ben Ali gestürzt] worden war.
       Saieds Schritte waren zunächst von vielen Tunesiern begrüßt worden, die das
       oft festgefahrene politische System leid waren.
       
       Das Büro der Volksvertreter, dem das Parlamentspräsidium und Vertreter der
       Fraktionen angehören, hatte bereits am Montag eine virtuelle Sitzung
       abgehalten. Dabei wurde die Parlamentssitzung am Mittwoch anberaumt, bei
       der über die „Sondervollmachten“ beraten werden sollte, die Saïed für sich
       beansprucht.
       
       Der Staatschef hatte die Sitzung umgehend als „illegal“ bezeichnet. Die von
       dem Gremium angekündigten Parlamentssitzungen hätten „keinen Wert“ und
       seien ein „versuchter Staatsstreich“, sagte er bereits damals.
       
       31 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Tunesiens-Praesident-verlaengert-Putsch/!5802962
   DIR [2] /Gewaltenteilung-in-Tunesien/!5834888
   DIR [3] https://www.aljazeera.com/news/2021/12/13/tunisia-president-announces-referendum-and-elections
   DIR [4] https://www.france24.com/en/20110728-ben-ali-corruption-trial-goes-ahead-despite-absentia-tunisia
       
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