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       # taz.de -- Verteilungsschlüssel bei Geflüchteten: Kommunen fordern Unterstützung
       
       > Hunderttausende sind bislang aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet.
       > Kommunen fordern eine bessere Verteilung und eine Übernahme der Kosten.
       
   IMG Bild: Neu errichtetes Ankunftszentrum auf dem ehemaligen Flughafens Tegel in Berlin
       
       Berlin taz | Knapp 6.000 Geflüchtete aus der Ukraine werden derzeit täglich
       neu in Deutschland registriert, fast 300.000 sind es bislang seit dem
       russischen Überfall am 24. Februar. Die meisten wollen entweder zu Freunden
       oder Verwandten – oder [1][in Ballungsgebiete] und Orte mit guten
       Verkehrsverbindungen, um möglichst schnell zurück zu können, sobald das
       möglich ist. Das haben Befragungen der Behörden unter den Angekommenen
       ergeben. Doch in Städten wie Hamburg oder Berlin ist der Wohnraum knapp,
       die Aufnahmekapazitäten an der Grenze.
       
       Eine Verteilung ist nicht ohne Weiteres möglich. Ukrainer:innen dürfen
       frei einreisen und sich 90 Tage frei im Land bewegen. Spätestens dann
       müssen sie sich registrieren, sofern sie nicht schon vorher staatliche
       Leistungen in Anspruch nehmen wollen. Erst ab der Registrierung gilt für
       sie die Residenzpflicht. Ihnen kann dann – genau wie
       Asylbewerber:innen – ein Wohnort verpflichtend zugewiesen werden. Nur
       dort erhalten sie Sozialleistungen.
       
       Doch die 90 Tage sind noch nicht um. Und für den Moment sei es sehr
       schwierig, die Menschen dazu zu bewegen, auch in die Provinz zu gehen,
       heißt es bei den Behörden. Laut dem Königsteiner Schlüssel müssten derzeit
       täglich rund 3.000 Menschen in die Bundesländer Hessen, Niedersachsen und
       Nordrhein-Westfalen umverteilt werden. Doch nur etwa halb so viele werden
       tatsächlich umverteilt.
       
       ## Kostenfragen zwischen Bund und Ländern ungeklärt
       
       Die an Polen angrenzenden Regionen tragen die größte Last in der
       Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten, sagt Brigitte Meier, Leiterin
       des Verwaltungsstabes Ukraine in Potsdam, der taz. Für sie stellt sich vor
       allem die Frage nach der Kostenerstattung. Die bisherigen Pauschalen dazu
       seien „für die Kommunen nicht auskömmlich“, klagt sie. „Die Länder müssen
       hier vom Bund unterstützt werden, um die Kommunale Ebene hier zu
       entlasten.“
       
       In vielen Regionen Deutschland gebe es Leerstände, seien es
       Plattenbauwohnungen im Osten Deutschlands jenseits der Metropolen oder
       kirchliche Immobilien wie Pfarrhäuser oder leerstehende Schulen in
       ländlichen Regionen im Westen Deutschlands. Diese Potentiale müssten
       jenseits des Königsteiner Schlüssels erschlossen werden, fordert Meier.
       
       Bund und Länder haben eine Arbeitsgruppe dazu eingerichtet. Die Kommunen,
       die die Flüchtlinge letztlich unterbringen müssen, sind dabei allerdings
       nicht beteiligt. Am Freitag trafen sie sich deshalb mit Bundeskanzler Olaf
       Scholz. Die Erwartungen sind hoch.
       
       „Wir erwarten, dass Bund und Länder die Kommunen entlasten und zwar
       vollumfänglich,“ sagt Alexander Handschuh vom Deutschen Städte und
       Gemeindebund (DStGB) der taz. Der Verband rechnet mit Kosten von ungefähr
       1.000 bis 1.500 Euro pro aufgenommene:r Ukrainer:in je Monat. Die
       Länder haben vom Bund eine Kostenerstattung von 1.000 Euro gefordert. Offen
       ist aber bislang, wie viel davon bei den Kommunen landet.
       
       ## Ein rechtliches Novum
       
       Denn die Aufnahme der Ukrainer:innen ist rechtlich gesehen ein Novum.
       Reguläre Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellen, bekommen Leistungen
       nach dem so genannten Asylbewerberleistungsgesetz. Dafür zahlt der Bund
       Geld an die Länder. Diese geben das in sehr unterschiedlicher Höhe an die
       Kommunen weiter. In manchen Regionen müssen die Kommunen deshalb nur
       geringe Kosten selber tragen, anderswo bleiben sie fast auf den gesamten
       Kosten sitzen. Das ändert sich in der Regel dann, wenn Asylbewerber
       anerkannt werden. Dann haben sie Anspruch auf Hartz IV – und die trägt der
       Bund.
       
       Ukrainer:innen aber stellen keinen Asylantrag. Die rechtliche Grundlage
       des Aufenthalts ist die EU-“Massenzustromrichtlinie“. Die wurde noch nie
       aktiviert, deshalb ist die Art der gezahlten Sozialleistungen in
       Deutschland ungeklärt – und somit auch deren Träger.
       
       Am kommenden Donnerstag treffen sich die Ministerpräsidenten mit Scholz.
       Dann soll diese Frage abschließend geklärt werden. Die Kommunen gehen davon
       aus, dass ihre Forderungen erfüllt werden. „Wir sind sehr optimistisch,
       dass die uns nicht im Regen stehen lassen, davon gehen wir aus“, sagt der
       Städtetags-Sprecher Handschuh. Letztlich setzen die Kommunen aber darauf,
       dass sich viele der Ukrainer:innen bald selbst versorgen können. „Wir
       hoffen darauf, dass viele [2][rasch auf den Arbeitsmarkt] kommen, die sind
       ja vielfach gut qualifiziert“, sagt Handschuh.
       
       1 Apr 2022
       
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