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       # taz.de -- Neue Erlebniswelt im Tierpark Berlin: Im Spielzeuggebirge
       
       > Wandern im Himalaya? Geht auch gemütlich an der Spree. Genauer gesagt im
       > Berliner Tierpark, wo es nun eine künstliche Berglandschaft gibt.
       
   IMG Bild: Hauch von Berg inmitten der Großstadt: Im Tierpark Berlin kann man nun den Himalaya erkunden
       
       Berlin taz | Ein Jahr Bauzeit, 3.000 Tonnen Naturstein auf 60.000
       Quadratmetern, 5,3 Millionen Euro ausgegeben – und heraus kommt: Die neue
       „Himalaya-Erlebniswelt“ des [1][Berliner Tierparks], einem von zwei Zoos in
       der Hauptstadt. Es gibt zwar keinen 8.000er – doch immerhin 60 Meter hoch
       ist das Kunstgebirge. Kletter- und sonstige Bergsteigausrüstung kann mensch
       also getrost zu Hause lassen, selbst mit Sneakers lässt sich die Strecke
       mühelos bewältigen.
       
       Der Aufstieg beginnt am Fuße des Himalayas, wo mit Bambus und dichtem
       Baumbewuchs die Flora des tropischen Monsunklimas konstruiert wurde. Hier
       leben die Bartgeier, die nicht nur im Himalaya-Gebiet, sondern mittlerweile
       auch in den Alpen wieder anzutreffen sind. Die riesigen Vögel wurden
       hierzulande zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet. Es hatte sich das
       Gerücht verbreitet, dass sie Lämmer und sogar Kinder fräßen. Nichts davon
       stimmt, in Wirklichkeit sind die Geier Aasfresser, die „bei der
       Abfallbeseitigung eine zentrale Rolle im Ökosystem spiel(en)“, wie die
       Infotafel am Gehege verrät. Durch Bildungsarbeit und erfolgreiche
       Auswilderungsprojekte sind die imposanten Tiere in den Alpen wieder da.
       
       ## Wege durchs Gebirge
       
       Die kurvigen Pfade führen, an den Tiergehegen vorbei, unaufhaltsam
       aufwärts. An verschiedenen Punkten gibt es die Möglichkeit, vom
       asphaltierten Spazierweg auf „Abenteuerwege“ – querfeldein – abzubiegen.
       
       In Höhenlagen zwischen 1.500 und 3.000 Metern wird der Bambus kleiner und
       geht in die Strauchschicht über. Hier fühlen sich nur noch anspruchslose
       Nadelhölzer wie Kiefern wohl. Im echten Himalaya ist es in dieser Höhenlage
       schon recht kalt, knapp unter der Schneegrenze, bei etwas über null Grad,
       leben der Gold- und der Sezuantakin sowie die vermeintlichen Stars der
       Fauna: In der begehbaren Anlage sind fünf rote Pandas zu bestaunen. Die vom
       Aussterben bedrohten Tiere wurden im letzten Jahr aus Zoos in Schwerin,
       Dublin und der Türkei nach Berlin gebracht.
       
       Vorbei an den riesigen Marco-Polo-Schafen gehts zu einer weiteren
       Hauptattraktion: Die Schneeleoparden sind super an den Lebensraum
       angepasst, mit ihren breiten Pfoten können sie sich auf dem nachgebildeten
       gerölligen Gebirgsstein grazil fortbewegen. Das dichte Fell und die
       vergrößerten Lungen, mit denen sie trotz der dünnen Gebirgsluft atmen
       können, brauchen sie im Berliner Spielzeuggebirge aber nicht.
       
       Felsen prägen das karge Landschaftsbild, nur vereinzelte kleine Bäumchen
       und Flechten trotzen dem Klima. Eiskalte Schneewehen bringen die ungeübte
       Stadthikerin fast zum Absturz, doch plötzlich öffnet sich vor ihr ein
       riesiges Bergpanorama und da ist er endlich: der Gipfel – aber okay, das
       ist frei erfunden. Denn was vom höchsten Punkt des Himalaya-Gebirges im
       Tierpark aus tatsächlich zu sehen ist: der Fernsehturm.
       
       ## Berechtige Frage
       
       Beseelt von der schönen Aussicht beginnt der Abstieg, voller Eindrücke,
       aber auch Gedanken über Sinn und Unsinn eines künstlichen Stadtgebirges, in
       dem zur Unterhaltung der Besucher_innen Tiere ausgestellt werden.
       
       Es drängt sich die Frage auf, ob die 5,3 Millionen Euro für den Bau der
       Himalaya-Erlebniswelt nicht besser in den Artenschutz vor Ort investiert
       worden wären. Natürlich ist es wichtig, das Bewusstsein der Berliner_innen
       und der Tourist_innen für Arten- und Klimaschutz durch sensibilisierende
       Bildungsarbeit, wie etwa den Lehrpfad durch die Erlebniswelt, zu fördern.
       Es scheint andererseits paradox, Bildung zum Thema Artenschutz an einem Ort
       stattfinden zu lassen, an dem mit 110 Lkw-Fuhren das Klima belastet wurde,
       um den Naturstein heranzukarren.
       
       Dass der [2][Tierpark zum sogenannten Geo-Zoo] umgebaut wird, ist eine
       Verbesserung, weil das mehr Platz sowie bessere Rückzugsmöglichkeiten für
       die Tiere bedeutet. Aber macht die Angleichung an den natürlichen
       Lebensraum die Gefangenschaft der Zootiere akzeptabler? Auch ein schöner
       Käfig ist immerhin ein Käfig.
       
       15 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tierpark-berlin.de/de
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Geozoo
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bo Wehrheim
       
       ## TAGS
       
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