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       # taz.de -- Spannungen auf dem Tempelberg: Gegenseitige Provokationen
       
       > Israelis und Palästinenser:innen provozieren sich gegenseitig,
       > dennoch bleibt es zu Pessach relativ ruhig. Der Druck auf beiden Seiten
       > wächst jedoch.
       
   IMG Bild: Palästinenser:innen schießen mit Feuerwerkskörper auf israelische Truppen in Jerusalem
       
       Tel Aviv taz | Jerusalem, das sowohl Palästinenser:innen als auch
       Israelis als Hauptstadt für sich beanspruchen, steht wieder im
       Spannungsfeld der beiden Gesellschaften: Am Sonntagmorgen ist die
       israelische Polizei erneut auf den Tempelberg angerückt. Mehrere Hundert
       Palästinenser:innen hatten laut Polizeiangaben zuvor versucht,
       Jüd:innen daran zu hindern, den Vorplatz des Tempelberges zu betreten.
       
       Laut derzeitigem Status quo dürfen sie den Tempelberg nur zu festgelegten
       Zeiten aufsuchen und nicht dort beten. Jordaniens König Abdullah II.
       verurteilte die Besuche als „Provokation“. [1][Das jordanische
       Außenministerium betonte], die israelische Polizei habe nicht das Recht,
       Besuche nichtmuslimischer Gläubiger auf dem Tempelberg zu organisieren.
       
       Zwei Tage zuvor war die israelische Polizei in die Al-Aksa-Moschee auf dem
       Tempelberg eingedrungen, mehr als 150 Palästinenser:innen wurden
       verletzt, nach Angaben der israelischen Polizei mindestens 300 Menschen
       festgenommen. Am Montag und kommenden Mittwoch könnte sich die Situation
       noch einmal verschärfen, wenn Zehntausende jüdische Gläubige zu
       Gebetszeremonien an die Klagemauer kommen, die nur wenige Meter von der
       Al-Aksa-Moschee entfernt steht.
       
       Angefeuert wird die Situation auch vom [2][Vorgehen der israelischen
       Streitkräfte im Westjordanland]. Dort unternahm das israelische Militär
       am Wochenende weitere Razzien, unter anderem in der Stadt Jamun, nahe
       Dschenin – zwei Palästinenser wurden getötet. Dschenin ist derzeit das
       Zentrum der Militäroperationen im Westjordanland. Die Täter der jüngsten
       Anschläge von Tel Aviv und [3][Bnei Brak] in Israel kamen aus der Umgebung
       der Stadt.
       
       ## Ausgangssperre für Palästinenser:innen an Pessach
       
       Am Sonntag protestierten Palästinenser:innen außerdem im Rahmen des
       „Palestinian Prisoners Day“ unter anderem in den im Westjordanland
       gelegenen Städten Ramallah, Nablus und Hebron gegen die Inhaftierung und
       Haftbedingungen von palästinensischen Gefangenen. Nach [4][Angaben von
       AlJazeera] sitzen derzeit mehr als 4.400 Palästinenser:innen in
       israelischen Gefängnissen, davon 530 ohne Verurteilung.
       
       Gleichzeitig hat Israel im Vergleich zu früheren Jahren die
       palästinensischen Gebiete nicht für die gesamte Pessach-Woche abgeriegelt,
       die noch bis zum 23. April anhält. [5][Zwischen Freitagnachmittag und
       Samstagnacht galt die Ausgangssperre dennoch] – Palästinenser:innen
       durften Israel nicht betreten. Wer zum Freitagsgebet in die Al-Aksa-Moschee
       wollte, musste vor Beginn der Sperre zurück in den palästinensischen
       Gebieten sein. Verteidigungsminister Benny Gantzs Entscheidung beruht auf
       Empfehlungen von Sicherheitskreisen und wurde mit der Rückendeckung von
       Ministerpräsident Naftali Bennett getroffen. Dahinter dürfte der Versuch
       stehen, die Frustration auf palästinensischer Seite nicht zusätzlich
       anzuheizen.
       
       Der Druck auf Mansour Abbas, palästinensischer Israeli und
       Regierungsmitglied, und seine islamische Partei Ra’am, die an der extrem
       breiten Rechts-links-Regierungskoalition beteiligt ist, wächst dennoch. Aus
       den eigenen Reihen kommen Rufe, aus der Regierungskoalition auszusteigen.
       Abbas verurteilte zwar die Gewalt der israelischen Sicherheitskräfte auf
       dem Tempelberg, versucht aber gleichzeitig, die Regierung
       aufrechtzuerhalten.
       
       Angesichts der Spannungen hat Ra’am die Mitgliedschaft in der Koalition für
       vorerst zwei Wochen eingefroren, in der Hoffnung, so den Druck auf die
       Partei zu verringern und einen dauerhaften Bruch mit der Regierung zu
       verhindern. Derzeit befindet sich das israelische Parlament in der
       Frühlingspause. Der mit Bennett abgesprochene Schritt hat also zunächst
       kaum Auswirkungen. Vor zwei Wochen hatte die Regierungskoalition [6][wegen
       des Austritts eines rechtsgerichteten Mitglieds ihre ohnehin dünne Mehrheit
       verloren] und steht seitdem auf der Kippe.
       
       Bisher verhält sich die den Gazastreifen regierende Hamas recht ruhig. Zwar
       hatte sie Jerusalem vergangene Woche als „rote Linie“ bezeichnet, bislang
       aber daraus keine Konsequenzen gezogen. Grund dafür dürfte unter anderem
       die Furcht davor sein, weiter an Popularität bei der Bevölkerung Gazas zu
       verlieren. Doch je länger die Zusammenstöße andauern, desto größer wird der
       Druck auf die militante Gruppe, zu reagieren.
       
       18 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.haaretz.com/israel-news/israel-police-enter-temple-mount-compound-to-allow-jewish-visitors-in-1.10746398
   DIR [2] /Israel-Palaestina-Konflikt/!5845111
   DIR [3] /Erneuter-Terrorakt-in-Israel/!5845380
   DIR [4] https://www.aljazeera.com/news/2022/4/17/infographic-how-many-palestinians-are-imprisoned-by-israel
   DIR [5] https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-israel-decides-against-extending-west-bank-curfew-over-passover-1.10745802
   DIR [6] https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-who-is-idit-silman-the-lawmaker-who-took-down-the-coalition-1.10724324
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Judith Poppe
       
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