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       # taz.de -- Vor dem Tennisturnier in Stuttgart: Tennisboom gegen den Trend
       
       > Das Turnier in Stuttgart steht für die neue Blüte der deutschen
       > Tennisevents. Das deutsche Frauentennis steckt derweil in der Krise.
       
   IMG Bild: Nummer eins ohne nationale Konkurrenz: Angelique Kerber
       
       Stuttgart taz | Es ist noch gar nicht so lange her, da war die Stuttgarter
       Arena Schauplatz deutscher Tennisfestspiele. Angelique Kerber startete mit
       dem Heimtriumph 2015 ihre beste Karrierezeit, 2016 glückte ihr als
       Australian-Open-Siegerin die Titelverteidigung. Und 2017 sorgte Laura
       Siegemund, die zupackende Außenseiterin und Lokalmatadorin, gar für einen
       nationalen Hattrick bei einem der bestbesetzten Turniere jenseits des
       Grand-Slam-Universums.
       
       Kerber und Siegemund spielen auch in diesem Jahr wieder bei Deutschlands
       bestbesetztem Wettbewerb. Aber die Tenniswelt ist eine andere geworden für
       das Duo, für das deutsche Frauentennis, für die Macher des Topevents.
       Kerber ist als nationale Führungskraft nur noch die Nummer 17 der
       Weltrangliste, Siegemund kann – nach ungezählten Verletzungsproblemen – als
       Nummer 231 bloß mit einer Wild Card ins Rennen gehen.
       
       Und beide haben auch noch eine bittere, symbolbeladene Niederlage im
       Gepäck, eine 1:3-Pleite vom Billie-Jean-King-Cup in Kasachstan am
       Osterwochenende, die dafür sorgt, dass das Team von Rainer Schüttler im
       November gegen den Abstieg aus der Weltgruppe spielen muss.
       
       So bleibt ein frappierender Befund vor den ersten Ballwechseln beim Grand
       Prix in Stuttgart, vor den nächsten großen Höhepunkten der Tennissaison:
       Während die Turnierlandschaft hierzulande aufblüht, mit den neu
       geschaffenen oder wiederbelebten Wettbewerben in Bad Homburg, Berlin und
       Hamburg, spielt das deutsche Frauentennis international nur noch eine
       zweitklassige Rolle. Spielerinnen, die schon zum ganz großen Schlag auf
       großen Bühnen ausholen könnten, sind nicht in Sicht. [1][Die Durststrecke],
       die DTB-Frauenchefin Barbara Rittner zuletzt immer mal wieder befürchtete,
       ist längst da – und könnte auch länger dauern.
       
       ## Andauernder Bedeutungsverlust
       
       Von den Spielerinnen, die einst um den Sieg beim FedCup, der nun nach
       Billie Jean King benannt ist, kämpften, ist nach dem Abschied und Abgang
       von Julia Görges gegenwärtig nur noch Angelique Kerber regelmäßig im
       Einsatz. Aber auch die 34 Jahre alte Kielerin steht für den
       Bedeutungsverlust der deutschen Fauentennis. Bei den Australian Open schied
       sie in der ersten Runde aus, nur in Indian Wells gelangen ihr einmal zwei
       Siege hintereinander.
       
       In Kasachstan verlor sie beide Einzel in jeweils drei Sätzen. Als positiv
       registrierte Kerber, im kasachischen Nur-Sultan angetreten zu sein und „mit
       Herz und Leidenschaft gekämpft zu haben.“ Die ehemalige Nummer eins der
       Welt, momentan ohne Trainer auf der Tour unterwegs, muss darauf hoffen, im
       Frühjahr in der Rasensaison ein ähnliches Erweckungserlebnis wie 2021 mit
       dem Sieg in Bad Homburg feiern zu können.
       
       Die dreimalige Grand-Slam-Gewinnerin, die das deutsche Tennis im
       vergangenen Jahrzehnt „zurück auf die Weltkarte brachte“ (Boris Becker),
       ist eine von nur noch zwei Top-100-Spielerinnen des DTB – die andere ist
       [2][Andrea Petković], deren Karriere mutmaßlich in dieser oder spätestens
       der nächsten Saison ausklingt.
       
       ## Zarte Blüten
       
       Hinter den alten Kämpferinnen, zu denen auch die Überraschungssiegerin von
       Bogotá, Tatjana Maria (34), zählt, hat sich eine beängstigende
       Generationenlücke aufgetan. In jungen Karrierejahren ist Jule Niemeier (22)
       derzeit die einzige Spielerin, die über Perspektiven verfügt und mit Platz
       108 in der Weltrangliste ordentlich dasteht.
       
       Immerhin: Mit der 18-jährigen Nastasja Schunk und der 20-jährigen Eva Lys
       setzten sich in Stuttgart zwei deutsche Talente energisch in der
       Qualifikation durch – möglicherweise auch ein Fingerzeig für Coach Rainer
       Schüttler, in Teamwettbewerben schon bald auf jüngere Akteurinnen zu
       setzen.
       
       Sieben von zehn Top-Ten-Spielerinnen können die Stuttgarter
       Turnierveranstalter um Macher Markus Günthardt in der nachösterlichen Woche
       dem Publikum präsentieren – vier Grand-Slam-Siegerinnen sind dabei. Eine
       davon ist Angelique Kerber. Dass sie noch einmal bei diesem Turnier
       triumphieren kann, daran glauben wohl die wenigsten in der Tennisszene.
       
       18 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Allmeroth
       
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