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       # taz.de -- Sexismus und Politik: #MeToo bei der Linken
       
       > Parteichefin Wissler wehrt sich gegen Vorwürfe, auf Beschwerden wegen
       > sexueller Belästigung nicht rechtzeitig reagiert zu haben.
       
   IMG Bild: Zunehmend unter Druck: Die Co-Parteivorsitzende der Linken, Janine Wissler
       
       Berlin taz | Nach den Vorwürfen sexueller Belästigung innerhalb der
       hessischen Linken haben sich weitere mutmaßlich Betroffene an die mit der
       Partei verbundene Linksjugend [1][solid] gewandt. Solid-Bundessprecherin
       Sarah Dubiel erklärte, es hätten sich 20 Personen aus mehreren
       Landesverbänden gemeldet, die von sexistischen Übergriffen berichteten. Die
       neuen Vorwürfe beträfen auch Bundespolitiker, so Dubiel. Der
       [2][Bundesvorstand der Linken] kommt am Mittwoch zu einer außerplanmäßigen
       Sitzung zusammen, um sich mit den Vorwürfen zu beschäftigen, sagte ein
       Parteisprecher der taz.
       
       Der Spiegel hatte am Freitag über mutmaßliche Fälle von sexualisierter
       Gewalt in der hessischen Linkspartei berichtet. Man habe mit zehn Frauen
       und Männern gesprochen, die vor allem Vorwürfe gegen Mitglieder der
       hessischen Linken erheben, hieß es in dem Artikel. Es gebe „Chatverläufe,
       Fotos, E-Mails, eidesstattliche Versicherungen der Betroffenen und weitere
       Dokumente, die Hinweise auf mutmaßliche Grenzüberschreitungen,
       Machtmissbrauch und eine toxische Machokultur liefern“, schrieb das
       Magazin.
       
       Janine Wissler, heute eine von zwei Bundesvorsitzenden der Linken, war zum
       Zeitpunkt der mutmaßlichen Übergriffe in den Jahren 2017 bis 2019
       Fraktionsvorsitzende der Linken in Hessen. Sie wandte sich jetzt
       entschieden dagegen, „dass mir unterstellt wird, ich hätte irgendjemanden
       geschützt“.
       
       Einer der Hauptvorwürfe kommt von einer heute 22-jährigen Betroffenen. Sie
       hatte als 17-Jährige mit einem damaligen Mitglied des hessischen
       Landesvorstandes und Wiesbadener Kreisverbands der Linken, dem heute
       46-jährigen Adrian G., eine Affäre begonnen. Er habe sie beim Sex gegen
       ihren Willen mit einer Kamera gefilmt. Zudem sei er einmal über den Balkon
       unangekündigt in ihre Wohnung eingestiegen, sie habe dann „nachgegeben“,
       mit ihm zu schlafen. Die Beziehung zu G. ging danach noch ein halbes Jahr
       weiter.
       
       ## Freund der Landeschefin
       
       Janine Wissler war damals die Freundin von Adrian G., sie wurde von der
       Betroffenen 2018 darüber informiert, dass diese ein Verhältnis mit Wisslers
       Partner hatte. „Ich war darüber zutiefst bestürzt“, erklärte [3][Wissler in
       einer Stellungnahme] zu den Vorwürfen. Sie habe damals mit der Betroffenen
       telefoniert. In keinem der Kontakte mit der Betroffenen wurde von dieser
       der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs oder der sexuellen Gewalt gegen G.
       erhoben, betont Wissler. Sie selbst beendete damals die Beziehung zu Adrian
       G.
       
       Im Gespräch mit der taz erklärte Adrian G. am Montag, er arbeite an einer
       Gegendarstellung und werde „alles transparent machen“. Öffentlich äußern
       wollte er sich derzeit nicht. Er verwies dabei auf zwei laufende
       Ermittlungen. In einem Ermittlungsverfahren werde er als Geschädigter, im
       zweiten als Zeuge geführt, sagte G.
       
       Im Spiegel werden weitere Fälle beschrieben. Unter anderem beschwert sich
       eine junge Frau über sexuelle Belästigung durch einen älteren Politiker.
       Außerdem schildert ein junger Mann Zudringlichkeiten eines 54-jährigen
       Bundestagsabgeordneten der Linken. Beide Betroffene waren damals Mitglieder
       der Linksjugend.
       
       ## Unabhängiger Expertinnenrat gefordert
       
       Wissler verwies nun auf die im Oktober 2021 gegründete „Vertrauensgruppe“
       im Linken-Bundesvorstand, die Kontakt mit den Betroffenen aufnehmen solle.
       Die Vertrauensgruppe besteht aus fünf Frauen, die dem 44-köpfigen
       Bundesvorstand der Partei angehören.
       
       Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Martina Renner, kündigte
       an, die Linke werde einen „unabhängigen Expertinnenrat zur Aufarbeitung der
       Vorwürfe“ zusammenrufen. Dubiel von der Linksjugend betonte, nötig seien
       professionell geschulte Ansprechpartner. Die Partei müsse „Geld in die Hand
       nehmen“ sowohl zur Aufarbeitung als auch für Ansprechpersonen.
       
       18 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/linksjugend-solid/
   DIR [2] https://www.die-linke.de/start/presse/detail/die-linke-stellungnahme-zur-berichterstattung-des-spiegel/
   DIR [3] https://www.die-linke.de/start/presse/detail/wissler-stellungnahme-zur-berichterstattung-des-spiegel/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
   DIR Sexuelle Übergriffe
   DIR Schwerpunkt #metoo
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   DIR Schwerpunkt #metoo
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