URI: 
       # taz.de -- Naidoos Abkehr vom Verschwörungsglauben: Es kann nur besser werden
       
       > Xavier Naidoo veröffentlicht ein Video, in dem er sich von „rechten und
       > verschwörerischen Gruppen“ distanziert. Ein guter Anfang, aber nicht
       > genug.
       
   IMG Bild: Jetzt offiziell entschwört: Xavier Naidoo, hier auf einer Montagsdemo
       
       Am Dienstag überraschte Xavier Naidoo seine Fangemeinde – und viele andere,
       die ihn teilweise schon seit Jahren kritisch beobachten. Nicht dadurch,
       dass er verschwörungsideologische Inhalte verbreitet hat. Stattdessen hat
       er [1][auf Youtube] und [2][auf Instagram] ein Video geteilt, in dem er
       sich dafür entschuldigt, dass er sein näheres Umfeld, Fans und andere
       Menschen „mit verstörenden Äußerungen irritiert und provoziert“ habe. Er
       distanziere sich „von allen Extremen“, insbesondere von „rechten und
       verschwörerischen Gruppen“. Bis zum Mittwochmittag wurde das Video auf
       YouTube und Instagram mehr als 500.000-mal aufgerufen.
       
       Nun sagt Naidoo, er habe „Dinge gesagt und getan“, die er heute bereue. Er
       sei „von Verschwörungserzählungen geblendet“ gewesen. Auch wenn er dabei
       vage bleibt, nicht sagt, was genau ein Fehler gewesen sei, was er aber
       vielleicht auch jetzt noch glaube: das Video ist ein Anfang. Sein Statement
       reicht allerdings nicht aus, um ihn wieder in den Kreis der
       Mehrheitsgesellschaft aufzunehmen, ihn als einen Menschen wahrzunehmen, der
       sich gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten wie Antisemitismus,
       Rassismus, Homofeindlichkeit stellt.
       
       Denn diese Feindlichkeiten hat Naidoo lange Zeit selbst vertreten. Erst im
       Dezember 2021 [3][urteilte das Bundesverfassungsgericht], dass die Expertin
       für Verschwörungserzählungen bei der Amadeu-Antonio-Stiftung, Melanie
       Hermann, Naidoo als „Antisemiten“ bezeichnen durfte. Naidoo vertrat auf
       seinen Social-Media-Kanälen Verschwörungserzählungen wie die, dass Kinder
       von einem pädophilen Elitenetzwerk festgehalten werden. [4][Er zog
       Parallelen zwischen der Corona-Impfung und der Zombieapokalypse]. Im Mai
       2021 sperrte Youtube nach kurzer Zeit ein Video, in dem Naidoo mit anderen
       Musikern zusammen gegen die Corona-Impfung singt.
       
       In „Ich mach da nicht mit“ säuselt er ins Mikro: „Dieses Gift kommt niemals
       in eure Körper rein.“ Ein anderer Musiker ruft dazu auf, sich zu bewaffnen
       und den „tiefen Staat“ zu vernichten, ein Verschwörungsmythos, der
       insbesondere von der QAnon-Bewegung aufgegriffen und in das Weltbild
       eingepasst wird. Im Hintergrund explodiert ein Impfzentrum. Im selben Monat
       veröffentlichte das Musikprojekt „Die Konferenz“ das Lied „Heimat“, an dem
       Naidoo ebenfalls mitgewirkt hat – gemeinsam mit Hannes Ostendorf, dem
       ehemaligen Sänger der Rechtsrock-Band Kategorie C, [5][der 1991 an einem
       Brandanschlag auf ein Asylheim in Bremen beteiligt war].
       
       ## Schon vor Corona auffällig
       
       Doch Naidoo fiel auch schon vor Corona mit verschwörungsideologischen
       Äußerungen auf. 2011 sagte er im „ARD-Morgenmagazin“, Deutschland sei ein
       „besetztes Land“. Die Erzählung von der andauernden Besetzung ist eine
       Lüge, die besonders in der Reichsbürger*innen-Szene genutzt wird. Passend
       zu dieser offensichtlichen ideologischen Nähe trat Naidoo [6][im Oktober
       2014 bei einer „Montagswache“] vor dem Bundestag auf und sprach zu den etwa
       300 Teilnehmenden. Vor der Bühne: Transparente mit Aufschriften wie
       „Friedensvertrag jetzt. Nur so können wir uns von dem alliierten Diktat
       befreien“ und „Hochverrat im Bundestag“. Es wurden Hefte verteilt, die die
       Lüge von der „BRD-GmbH“ verbreiteten.
       
       Wer möchte, kann Naidoo also sicherlich als einen Menschen bezeichnen, der
       sowohl die Mythen der Reichsbürger*innen als auch die von QAnon in
       Deutschland noch populärer gemacht und dadurch zur Gefahr durch Rechte
       beigetragen hat.
       
       ## Kontakt in die Szene abbrechen
       
       Und jetzt der Sinneswandel. In dem Video sagt Naidoo, er habe ihn
       durchlebt, weil seine Frau aus der Ukraine komme und er Freunde und Familie
       aus dem Land holen musste. Er sei „bestürzt und aufgerüttelt“ von der
       „russischen Invasion“. Dabei wirkt er ernst, gefasst, organisiert. Er
       schildert seine „Suche nach Wahrheit“, während der er auf Irrwege gekommen
       sei. Am Ende noch mal eine Entschuldigung und die Bitte um Verzeihung.
       
       Doch wenn Naidoo es ernst damit meint, wenn er wiedergutmachen möchte, dass
       er verschwörungsideologische Lügen unter seinen Anhänger*innen
       verbreitet hat, und welche Folgen das unter Umständen für uns als gesamte
       Bevölkerung hatte, dann kann das nicht das Ende sein. Es muss eine Abkehr
       erfolgen von allen Kontakten, die er im verschwörungsideologischen Millieu
       pflegt – egal, wie praktisch sie sein mögen. Diese Abkehr könnte als Opfer
       gedeutet werden, das er aus Reue erbringen muss. Doch vor allem wäre sie
       ein Zeichen und Selbstschutz. Denn wie soll Naidoo einen Ausstieg schaffen,
       wenn die Menschen, die ihn in seinem Verschwörungswahn gestützt haben, noch
       in seinem Umfeld sind?
       
       ## Fehler klar benennen
       
       Außerdem muss Naidoo klar benennen, welche Fehler er gemacht hat. Er muss
       sich selbst darüber klar werden, wen er bei welcher Gelegenheit wodurch
       verschwörungsideologisch beeinflusst oder durch Verschwörungsideologien
       direkt oder indirekt verletzt hat. Er kann nicht vage von einem „Irrweg“
       reden und hoffen, dass sich die Opfer seiner vorherigen Äußerungen
       angesprochen und gewürdigt fühlen.
       
       Eine Entschuldigung besteht im Idealfall aus mehreren Komponenten:
       
       1. „Es tut mir leid, dass“,
       
       2. Eine klare Benennung des Fehlers oder der Tat
       
       3. Eine Erklärung, weshalb man den Fehler oder die Tat begangen hat
       
       4. Eine Absichtserklärung: „In Zukunft möchte ich …, um mein Verhalten
       wiedergutzumachen.“
       
       Diese Entschuldigungskette hält Naidoo bisher nicht durch. Besonders der
       letzte Punkt fehlt schmerzlich in seinem Video: Was gedenkt Naidoo nun zu
       tun?
       
       Er sollte sich öffentlich und bei jeder Gelegenheit gegen
       Verschwörungserzählungen aussprechen. Ein*e Aussteiger*in kann für
       Verschwörungsgläubige glaubhafter sein als ein Mensch, der schon seit
       Jahren gegen Verschwörungsideologien argumentiert. Naidoo weiß, wie es sich
       anfühlt, in ein Loch aus Lügen hineingezogen zu werden. Er weiß aber auch,
       wie es ist, diesen Sturz zu erkennen und zu versuchen, sich vom Glauben zu
       lösen. Diese Erfahrungen können wertvoll sein – wenn er sie öffentlich
       äußert, nicht nur für ihn selbst, sondern auch für alle Zuhörenden.
       
       20 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=rbo9RrQ4V6w
   DIR [2] https://www.instagram.com/p/Cci4rPslFhZ/?hl=de
   DIR [3] /Saenger-Xavier-Naidoo/!5821139
   DIR [4] https://www.derstandard.at/story/2000131380255/xavier-naidoo-geimpfte-schuld-an-der-baldigen-zombie-apokalypse?ref=rss
   DIR [5] https://www.weser-kurier.de/bremen/stadtteil-mitte/schnelles-aus-fuer-rechtsrocker-imbiss-an-der-uni-doc7e479vm2mip6qz4insa?reloc_action=artikel&reloc_label=%2Fbremen%2Fbremen-stadt_artikel%2C-schnelles-aus-fuer-rechtsrockerimbiss-an-der-uni-_arid%2C1762640.html
   DIR [6] https://www.youtube.com/watch?v=LVx4tBdsu08
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Drosdowski
       
       ## TAGS
       
   DIR Xavier Naidoo
   DIR Verschwörung
   DIR QAnon
   DIR Reichsbürger
   DIR Antisemitismus
   DIR Verschwörungsmythen und Corona
   DIR GNS
   DIR Xavier Naidoo
   DIR Xavier Naidoo
   DIR Antisemitismus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Comeback von Xavier Naidoo: Der Weg zur Entschwörung kann kein leichter sein
       
       Xavier Naidoo will wieder auftreten. Das weckt Proteste, aber auch
       Interesse. Unsere Autorin denkt nicht an Musik – sondern an verlorene
       Lebensjahre.
       
   DIR Meinungsfreiheit und Xavier Naidoo: „Antisemit“ ist ein Werturteil
       
       Der Beschluss des Verfassungsgerichts in der Causa Naidoo ist gut und
       wichtig. Man sollte aber nicht vergessen, dass ein Björn Höcke gefährlicher
       ist.
       
   DIR Sänger Xavier Naidoo: Antisemitismusvorwurf war erlaubt
       
       Durfte Xavier Naidoo als Antisemit bezeichnet werden? Das
       Bundesverfassungsgericht gibt einer Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung
       recht.
       
   DIR Coronaproteste in Wien: Mit Judenstern gegen die Impfpflicht
       
       In Österreich haben Zehntausende gegen den kommenden Lockdown und die
       Impfpflicht demonstriert. Mit dabei: Rechtsextreme, die FPÖ und Xavier
       Naidoo.