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       # taz.de -- Cafébesuch am Elberadweg: Fragen über Fragen
       
       > Woran erinnern wir? Wie schützen wir Flora und Fauna? Und was hat das mit
       > unserer Zukunft zu tun? Über den Besuch eines Cafés an der Elbe.
       
   IMG Bild: An den Elbwiesen: Das Café Katharina wartet schon am Horizont
       
       An einem Samstag im Frühling. Seit ein paar Minuten sitzen wir im
       Außenbereich des [1][Café Katharina in Dornburg], einem kleinen Ort an der
       Elbe, zwischen Dessau und Magdeburg. Die warme Abendsonne strahlt in unsere
       Gesichter. Wir trinken Radler, lassen es uns gut gehen. Du lächelst
       entspannt, nimmst das Buch, das du dabei hast, und versinkst augenblicklich
       darin. Ich schlecke an meinem Ananas-Minze-Eis, schaue mich um und denke
       über unsere Umgebung nach.
       
       Das Café sieht einladend und freundlich aus. Sonnengelbe Wände, liebevoller
       Schnickschnack. Ein Schild, auf dem in unterschiedlichen Farben das
       Tagesangebot geschrieben steht: Soljanka, Möhrensuppe, Kartoffelsalat.
       Drinnen wartet eine üppige Kuchentheke mit zwei freundlichen jungen
       Menschen dahinter. Das Angebot reicht von Donauwelle bis Quarkkuchen.
       
       Natürlich gibt es auch eine Katharina-Torte, liebevoll verziert und aus
       Buttercreme. Leider ist nichts davon vegan. Vielleicht kommt das ja noch.
       Immerhin wird das Eis schon in einer Glasschale serviert – „der Umwelt
       zuliebe“.
       
       Namensgeberinnen des Cafés sind weder Bäckerin noch Betreiberin, sondern
       eine „von Rang und Namen“. [2][Katharina die Große] lebte wohl einst für
       eine gewisse Zeit im mittlerweile leerstehenden Barockschloss Dornburg, nur
       einen Steinwurf von unserem sonnigen Sitzplatz entfernt.
       
       ## Wie wäre es mit Café Rosa Luxemburg?
       
       Wurden einfachere Menschen von ihrem Fürstenhaus Anhalt-Zerbst-Dornburg so
       gut behandelt, dass der Name des Cafés gerechtfertigt wäre? Hätten wir hier
       früher so entspannt sitzen können? Werden solche Fragen bei einer
       Namensgebung bedacht oder geht es nur um eine ruhmvolle Geschichte, mit der
       sich geschmückt werden kann, um Reisende anzuziehen? Falls Letzteres:
       Welchem Ruhm wird hier gehuldigt?
       
       Katharina war als Kaiserin von Russland eine mächtige, absolutistische
       Herrscherin – leider keine Kämpferin für Gleichberechtigung und Demokratie.
       Denken wir uns ihre Gestalt einmal in die Gegenwart. Was wäre wohl los,
       würden morgen Gastronomiebetriebe auf die Idee kommen, sich nach Alice
       Weidel zu benennen, käme sie heute zu politischer Macht? Warum beziehen wir
       uns positiv auf vergangene Dikatator*innen, besonders in so
       demokratiefeindlichen Zeiten wie heute? Sollten wir nicht umdenken und
       umbenennen? Wie wäre es mit Café Rosa Luxemburg?
       
       Lautes, lustiges Lachen vom nahegelegenen Spielplatz. Welche Welt erwartet
       die Kinder in wenigen Jahren – Stichwort Klimakrise? Glasschalen statt
       To-go-Becher für Eis sind ein Anfang. Aber genügt das?
       
       Mit dem Fahrrad erreicht man Dornburg über den [3][Elberadweg]. Kommt man
       von Dessau, geht es auf den letzten Kilometern durch das
       [4][Biosphären-Reservat Mittlere Elbe]. Weitläufige Auwiesen laden zum
       Träumen und Durchatmen ein. Zur DDR-Zeit wurde hier noch bis zum Elbstrom
       Ackerbau betrieben, erzählt mir später eine Mitarbeiterin des
       Bürgermeisters.
       
       Heute sind die Wiesen größtenteils Schutzgebiete, sogenannte
       Flora-Fauna-Habitate. Ihre landwirtschaftliche Nutzung unterliegt strengen
       Regeln. Bedrohte Vogelarten wie Silberreiher oder Weißstörche und seltene
       Pflanzenarten wie die Sand-Silberscharte sollen geschützt werden. Dennoch
       darf paradoxerweise zeitweise gedüngt und gemäht werden. Es scheint, als
       würde der Status quo an Artenvielfalt nur kultiviert.
       
       Wieder frage ich mich: Genügt das? Sollten die Flächen im Sinne der
       Biodiversität und des Klimas nicht besser gänzlich sich selbst überlassen
       werden? Wenn wir uns in einer klimagerechten Zukunft größtenteils vegan
       ernährten, würden hektarweise Flächen frei. Um ausreichend
       landwirtschaftliche Nutzfläche müssten wir uns also nicht sorgen. Und es
       gäbe einen schönen Nebeneffekt: Im Café in Dornburg würden wir dann auch
       einen veganen Kuchen bekommen.
       
       26 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.katharina-dornburg.de/
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Katharina_II.
   DIR [3] https://www.elberadweg.de/
   DIR [4] https://www.mittelelbe.com/mittelelbe/front_content.php
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Bachmann
       
       ## TAGS
       
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