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       # taz.de -- Russische Söldner-Firma rekrutiert: Äthiopier wollen in Russlands Krieg
       
       > Wegen der Wirtschaftskrise im eigenen Land hoffen äthiopische Männer auf
       > Jobs im Krieg gegen die Ukraine. Die Waffen sind ihnen vertraut.
       
   IMG Bild: Binyam Woldetsadik, 40, Ex-Soldat, wartet auf seine Registrierung in der russischen Botschaft
       
       Kampala taz | Es sind täglich Hunderte junge Männer, die sich schon im
       Morgengrauen vor der russischen Botschaft in Äthiopiens Hauptstadt Addis
       Abeba versammeln. Die meisten haben eine Mappe oder einen Umschlag mit
       Dokumenten dabei: Bewerbungsschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse ihres
       Militärdienstes. Ihr Ziel: Sich von Russland rekrutieren zu lassen für den
       Feldzug in der Ukraine.
       
       Feleke Gebrekidan ist einer von ihnen. Drei Tage lang reihte er sich jeden
       Morgen in der Warteschlange vor der Botschaft in der Comores-Straße ein,
       erzählt er Reportern des Radiosenders Voice of America. Er habe in
       Äthiopien Militärdienst geleistet, habe Kampferfahrung – aber sonst keinen
       Job. Nun habe er gehört, dass die russische Regierung Kämpfer rekrutiere,
       um sie in der Ukraine zu unterstützen.
       
       Nachbarn berichten lokalen Medien, dass die Warteschlange vor der Botschaft
       täglich länger werde. Gründe für Äthiopiens Jugend gibt es viele: Die
       meisten haben wegen der Wehrpflicht in ihrem Land eine Militärausbildung.
       Doch wie Gebrekidan finden sie keinen Job. Nach der Coronapandemie und dem
       internen Krieg in der Tigray-Region liegt die Wirtschaft am Boden, die
       Inflation steigt.
       
       Äthiopien hat sich in der UN-Generalversammlung im Februar bei dem Votum
       enthalten, das Russlands Angriff auf die Ukraine verurteilte. Äthiopien
       fühlt sich historisch mit Russland verbunden. In den 1980er Jahren regierte
       in dem Land eine kommunistische Regierung mit engen Beziehungen zur
       Sowjetunion.
       
       ## „Unzerbrechliche Bande brüderlicher Freundschaft“
       
       Viele damalige Militärs haben in Russland trainiert. Bis heute besteht das
       Waffenarsenal hauptsächlich aus russischem Gerät, das die Äthiopier
       bedienen können.
       
       Die russische Botschaft in Addis Abeba „bedankt“ sich für „E-Mails und
       persönliche Besuche von Bürgern Äthiopiens“ sowie für den „Ausdruck ihrer
       Solidarität und Unterstützung für die Russische Föderation“, heißt es in
       einer Erklärung vom 19. April. „Wir betrachten es als weitere Manifestation
       der unzerbrechlichen Bande brüderlicher Freundschaft und gegenseitiger
       Unterstützung zwischen den beiden Völkern.“
       
       Die Vertretung betont jedoch konkret: „Die Rekrutierung von Ausländern in
       die Streitkräfte der Russischen Föderation“ sei nicht Teil der Aufgabe der
       Botschaft. Sie möchte darüber „informieren, dass die Botschaft keine
       Bewerbungen für die Rekrutierung bei den Streitkräften der Russischen
       Föderation entgegennimmt“.
       
       Weiter heißt es: „Wir sind zuversichtlich, dass die Streitkräfte der
       Russischen Föderation über ausreichende Kapazitäten verfügen, um alle ihnen
       übertragenen verantwortungsvollen Aufgaben zu erfüllen.“
       
       ## Rekrutierung für ausländische Streitkräfte illegal
       
       Äthiopiens Regierung begrüßt die russische Erklärung und betont ihrerseits,
       dass eine solche Rekrutierung „gegen die Aufgaben einer diplomatischen
       Mission verstoßen hätte“. Das Außenministerium ergänzte, eine Rekrutierung
       äthiopischer Bürger in ausländische Militärverbände sei illegal.
       
       Doch seit dem Herbst und verstärkt seit Beginn des Krieges in der Ukraine
       zirkulieren afrikaweit in den sozialen Medien Gerüchte über russische
       Rekrutierungsversuche auf dem Kontinent.
       
       [1][Die russische Söldnerfirma Wagner], die in zahlreichen afrikanischen
       Ländern aktiv ist und auch Kämpfer im Osten der Ukraine unterhält, betreibt
       seit November eine [2][englischsprachige Rekrutierungs-Webseite]. Sie wurde
       in der Zentralafrikanischen Republik erstellt, wo Wagner-Söldner
       stationiert sind.
       
       Bereits im März [3][berichtete die taz], von in der Ukraine getöteten
       zentralafrikanischen Söldnern. Wagner hatte schon in Syrien und Libyen, wo
       die Söldnerfirma lukrative Verträge zur Bewachung von Ölfeldern eingegangen
       ist, lokale Rekruten angeheuert. Diese wurden jetzt für Wagner nach Afrika
       entsandt.
       
       ## Russische Söldnerfirma zahlt lukrativen Sold
       
       Wagner bezahlt laut taz-Recherchen seinen Kämpfern zwischen 2.000 und 4.000
       Dollar pro Monat – für junge afrikanische Männer ein Vermögen.
       
       Russlands Regierung weist jede Verbindung zu Wagner zurück. Doch ist die
       Firma mit dem russischen Militärgeheimdienst GRU verwoben. Denn kooperiert
       die russische Regierung militärisch mit afrikanischen Staaten, kommen
       Wagner-Söldner statt offizieller Soldaten nach Afrika.
       
       26 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Krieg-in-der-Ukraine/!5841496
   DIR [2] http://www.join-wagner.com
   DIR [3] /Moskaus-enger-Partner-in-Afrika/!5841283
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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