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       # taz.de -- West Ham United in der Europa League: Entschädigung nach langem Irrflug
       
       > Nach den Erfolgen mit West Ham United genießt Trainer David Moyes wieder
       > Respekt. Im Europa-League-Halbfinale ist Frankfurt der Gegner.
       
   IMG Bild: Erfolgreicher Dirigent: David Moyes versucht sein Team auf dem Spielfeld zu ordnen
       
       Am 9. Mai 2013 war David Moyes auf dem Höhepunkt angekommen. Der
       schottische Trainer hatte elf Jahre lang beachtliche Arbeit beim FC Everton
       geleistet, er hatte den Stadtrivalen des FC Liverpool in den oberen
       Tabellenregionen der Premier League etabliert und ganz nebenbei einem
       ungeschliffenen Talent aus dem eigenen Nachwuchs namens Wayne Rooney zum
       Durchbruch verholfen. Am 9. Mai 2013 wurde Moyes belohnt, und zwar mit dem
       größten Job, den Englands Fußball damals zu vergeben hatte. Rekordmeister
       Manchester United ernannte ihn [1][zum Nachfolger von Sir Alex Ferguson],
       der sein Amt nach einer einzigartigen Epoche von 26 Jahren voller Titel und
       Triumphe niederlegt hatte. Die scheidende Ikone selbst hatte Moyes
       empfohlen.
       
       Die Aufgabe war, wie sich schnell zeigte, ein paar Nummern zu groß für
       Moyes. [2][Nach zehn Monaten wurde er bei Manchester United entlassen.] Es
       folgten desaströse Engagements bei Real Sociedad und dem AFC Sunderland,
       und nur vier Jahre, nachdem er auf dem Höhepunkt angekommen war, schien
       seine Karriere am Ende. „Er war als taktisch ahnungsloser Dinosaurier
       abgeschrieben“, so formulierte es der Guardian vor einer Weile.
       
       West Ham Uniteds Einzug ins Halbfinale der Europa League gegen Eintracht
       Frankfurt (Hinspiel an diesem Donnerstag) hat viele erstaunliche
       Komponenten, aber am erstaunlichsten ist wohl, dass der Verein den Erfolg
       vor allem einem Mann zu verdanken hat – David Moyes. Seit dem Jahreswechsel
       2019/2020 betreut er den einstigen Arbeiterklub aus dem Osten Londons zum
       zweiten Mal, und der Schotten hat West Ham von einem Abstiegskandidaten zu
       einem Verein gemacht, der mit Klubs wie den Londoner Rivalen Tottenham und
       Arsenal und seinem Ex-Arbeitgeber Manchester United um die Plätze hinter
       dem FC Chelsea, FC Liverpool und Manchester City kämpft und die Chance auf
       den ersten großen internationalen Titel seit dem Sieg im Europapokal der
       Pokalsieger 1965 hat.
       
       In der Liga spielte West Ham in der vergangenen Saison lange um den Einzug
       in die Champions League mit, in der laufenden Spielzeit fehlt dazu die
       Konstanz. Konsequenz ist der unspektakuläre, aber immer noch ordentliche
       siebte Platz. Die Konzentration gilt der Europa League. Wie für Eintracht
       Frankfurt ist es auch für West Ham eine große Sache, im Halbfinale des
       Wettbewerbs zu stehen und ein paar magische Nächte auf internationaler
       Bühne zu erleben. Die Fangemeinde wird entschädigt für chaotische Jahre,
       die gekennzeichnet waren von einem sportlichen Irrflug, dem Umzug aus dem
       stimmungsvollen Upton Park in das kühle Olympiastadion von 2012 und
       Protesten gegen die Besitzer David Sullivan und David Gold.
       
       ## Als Witzfigur abgeschrieben
       
       Für Moyes ist das Halbfinale der vorläufige Höhepunkt seiner
       Rehabilitierung, auch wenn er das so nie formulieren würde. Er hat sich
       Anerkennung in England erarbeitet, nachdem er schon als eine Art Witzfigur
       abgeschrieben war. Selbst West Ham traute ihm höchstens einen Job als
       Feuerwehrmann zu. Im November 2017 übernahm er den Verein in akuter
       Abstiegsgefahr zum ersten Mal, schaffte den Klassenerhalt und wurde als
       Dank wieder vom Hof gejagt. Der Klub wollte einen Trainer mit mehr Glanz
       und verpflichtete Manchester Citys einstigen [3][Meistercoach Manuel
       Pellegrini]. Anderthalb Jahre später war Pellegrini gescheitert – und Moyes
       zurück.
       
       Unter dem Schotten hat West Ham einen Kulturwandel vollzogen. Der Klub
       verabschiedete sich davon, auf Spieler mit großen Namen und entsprechenden
       Gehältern zu setzen, und vertraut auf unbekanntere Profis, die sich für
       keine Arbeit zu schade sind. Sinnbildlich dafür stehen die beiden Tschechen
       Vladimír Coufal und Tomás Soucek, die für nur etwas mehr als 20 Millionen
       Euro von Slavia Prag kamen.
       
       Der Fußball, den Moyes spielen lässt, ist nicht für Genießer gemacht, aber
       er ist effektiv. Eine Waffe von West Ham sind Standards. In der Premier
       League haben in dieser Saison nur zwei Mannschaften mehr Tore durch
       Freistöße, Ecken und Elfmeter erzielt, nämlich Manchester City und
       Liverpool. David Moyes dürfte in Europa wieder sehr gefragt sein, sollte er
       am 18. Mai mit West Ham im Finale der Europa League stehen.
       
       28 Apr 2022
       
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