# taz.de -- Debatte um Waffenlieferungen: Wo Habermas irrt
> Der Philosoph Jürgen Habermas unterstellt uns Jüngeren Naivität. Doch
> auch unsere Abkehr vom Pazifismus ist von vergangenen Kriegen geprägt.
IMG Bild: Warnt vor einer einhelligen Befürwortung der Waffenexporte: Jürgen Habermas (Archivbild)
Nun hat sich auch [1][Jürgen Habermas in die Debatte um deutsche
Waffenlieferungen] an die Ukraine eingeschaltet. Differenzierter als
andere, sich auf Pazifismus berufende Kollegen warnt der Philosoph vor
einer einhelligen Befürwortung der Waffenexporte und vor einer möglichen
Eskalation des Krieges. Gegen eine Atommacht könne man nicht gewinnen,
glaubt er, was nicht ganz falsch ist, aber auch nicht ganz richtig.
Regionale Niederlagen hat Russland in der Vergangenheit ja bereits erlebt.
Den Jüngeren, die weder den Zweiten Weltkrieg noch die Logik des Kalten
Krieges aus eigener Erfahrung kennen, unterstellt Habermas Naivität und
findet die konvertierten einstigen Pazifisten kurzschlüssig. Dabei ist die
Abwendung von einem klassischen Pazifismus so plötzlich nicht geschehen,
sondern geht insbesondere bei den Grünen auf [2][Joschka Fischers]
Neuinterpretation der historischen Verantwortung Deutschlands zurück. Er
habe gelernt, nie wieder Krieg, aber er habe auch gelernt, nie wieder
Auschwitz, erklärte Fischer 1999 und rechtfertigte so den deutschen
Kriegseinsatz im Kosovo.
[3][Habermas]’ größter Denkfehler steht schon im ersten Satz. „Nach 77
Jahren ohne Krieg“, so hebt er an. Mit der Autorität des Älteren übersieht
er, dass auch die jüngere Generation von Krieg geprägt ist. Für Menschen
aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Iran, Irak oder Syrien müssen die 77
Jahre wie Hohn klingen. Sie sind vor Kriegen nach Deutschland geflohen und
prägen heute unsere Gesellschaft mit.
Gerade die Kriege auf dem [4][Balkan], aber auch der Völkermord in Ruanda,
das Versagen der UN-Blauhelmsoldaten in Kigali wie in Srebrenica,
veränderte die Frage nach Friedenssicherung und ihrer ethischen Grundlage.
Im Völkerrecht entwickelte sich die Schutzverantwortung der
Staatengemeinschaft heraus. Nichtbeteiligung am Krieg ist so simpel, wie
Habermas sie wünscht, eben längst nicht mehr. Dass die Nato nicht
Kriegspartei wird, bleibt dennoch das Gebot, übrigens auch für die meisten
Konvertierten.
5 May 2022
## LINKS
DIR [1] /Habermas-zu-SPD-und-Ukrainekrieg/!5849275
DIR [2] /Joschka-Fischer-ueber-den-Ukrainekrieg/!5846190
DIR [3] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/kultur/das-dilemma-des-westens-juergen-habermas-zum-krieg-in-der-ukraine-e068321/
DIR [4] /Vor-30-Jahren-begann-der-Bosnienkrieg/!5842991
## AUTOREN
DIR Nora Bossong
## TAGS
DIR Schwere Waffen
DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
DIR Pazifismus
DIR Jürgen Habermas
DIR Pazifismus
DIR Schlagloch
DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
DIR Ukraine
DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Pazifismus und der Ukraine-Krieg: Mein Krieg mit der Waffe
Unser Autor brach den Wehrdienst ab. Der Ukraine-Krieg stellt seinen
Pazifismus jetzt infrage. Kann man als Verweigerer für Waffenlieferungen
sein?
DIR Krieg und Pazifismus: Die Friedensziele im Blick behalten
Imperialistische Gelüste und Aufrüstung zielen auf Krieg. Stattdessen
sollte die Weltgemeinschaft genährt werden, ein gemeinsames Haus.
DIR Bundespräsident nach Kiew eingeladen: Steinmeier nun doch erwünscht
Der ukrainische Präsident hat Steinmeier nach Kiew eingeladen. Zuvor will
noch eine andere Politikerin kommen.
DIR Krieg in der Ukraine: Zurückhaltung ist gefährlich
Kritik an Waffenlieferungen: Zehn Gegenthesen zum offenen Brief an
Bundeskanzler Olaf Scholz und den Debattenbeitrag von Jürgen Habermas.
DIR +++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Deutsche Panzer für die Ukraine
Die Bundesregierung will „Gepard“-Panzer an die Ukraine liefern. Erdogan
will Putin und Selenskyj an einen Tisch bringen.
DIR Waffenlieferung an die Ukraine: Warten auf die Haubitzen
Darf Estland alte DDR-Geschütze an die Ukraine liefern? Die Bundesregierung
zaudert seit Wochen. Dabei geht es in der Frage vor allem um Symbolik.