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       # taz.de -- Nach Massaker in Butscha: AfD verbreitet Desinformation
       
       > Einige AfD-Politiker bleiben auch nach den Gräueltaten in der Ukraine auf
       > Kreml-Kurs. Die Russlandfrage sorgt in der Partei weiter für Streit.
       
   IMG Bild: Das zerstörte Butscha, Aufnahme vom 4. April 2022
       
       Berlin taz | Teile der AfD säen Zweifel an der Authentizität der Bilder von
       ermordeten Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha. Und das, obwohl unabhängige
       Journalisten vor Ort über [1][die Gräueltaten] berichten sowie mittlerweile
       [2][Abgleiche von Satellitenbildern] belegen, dass Tote wochenlang auf den
       Straßen der Stadt lagen.
       
       Russland spricht dabei von einer „Inszenierung“ durch die Ukraine – und
       AfD-Politiker greifen die Erzählung auf. So verbreitete der sächsische
       EU-Abgeordnete Maximilian Krah am Montag Desinformationen, die verdächtig
       nach Kreml klangen und rief mit einer ähnlichen Argumentation wie die
       russische Regierung zur Vorsicht auf.
       
       Während die Bundesregierung nach dem Massaker von Butscha [3][40 russische
       Diplomaten auswies], dienen sich also einige AfD-Politiker weiter dem
       russischen Regime an. Krah war nicht der einzige. Auch der bayerische
       AfD-Politiker Johannes Normann verbreitete Desinformationen. Und das
       Berliner Abgeordnetenhausmitglied Gunnar Lindemann relativierte die
       Verbrechen, indem er auf Kriegsverbrechen der USA im Irak verwies.
       Lindemann hatte bereits vor ein paar Wochen russisch gefärbte
       Desinformationen nach der Bombardierung eines Kinderkrankenhauses in
       Mariupol verbreitet und trat in der Vergangenheit bei Reisen in
       Separatisten-Gebiete des Donbass als Pseudo-Wahlbeobachter auf.
       
       Ungeheuerlichkeiten wie diese sorgen auch innerhalb der AfD [4][auf allen
       Ebenen für Konflikte]. So beschäftigt sich die heutige Fraktionssitzung
       auch mit der Bundestagsrede des AfD-Abgeordneten Steffen Kotré von Ende
       März, in der dieser das unbelegte Propagandamärchen von amerikanischen
       Biowaffenlaboren in der Ukraine nachplapperte und sein Fraktions-Vize
       Norbert Kleinwächter das wiederum „widerliche Putin-Propaganda“ nannte und
       Ordnungsmaßnahmen forderte.
       
       Eine klare Verurteilung Kotrés durch den Fraktionsvorstand blieb bisher
       aus. Vielmehr fordern 17 Mitglieder der AfD-Fraktion nun in einer
       Beschlussvorlage Ordnungsmaßnahmen ausgerechnet gegen Kleinwächter, weil
       der seine Kritik an der Putin-Propaganda öffentlich geäußert hatte. Nun
       drohen diesem drei Monate Redeverbot und eine Rüge.
       
       ## Auf der Pressekonferenz geht das Chaos weiter
       
       Die Beschlussvorlage gegen Kleinwächter stammt wiederum zum Teil von
       Abgeordneten, die sich in der Vergangenheit als Pseudo-Wahlbeobachter
       Russland andienten: Also etwa Steffen Kotré und Marcus Frohnmaier. Aber
       auch der offizielle außenpolitische Sprecher der Fraktion, Petr Bystron,
       der vom Militärgeheimdienst als rechtsextrem eingestufte Hannes Gnauck
       sowie die AfD-Politiker Jürgen Pohl, Stephan Protschka und Karsten Hilse
       brachten die Beschlussvorlage ein. Die Gruppe bezeichnete Kleinwächters
       Kritik als „grob partei- und fraktionsschädigend“ und kritisierte, dass
       Kleinwächter in einer Rede den Ausschluss Russlands aus dem Europarat
       gefordert hatte.
       
       Die AfD erlebt derzeit aufgrund des russischen Angriffskrieges und
       traditionell eher enger Verbindungen nach Russland viele Austritte – vor
       allem in westdeutschen Landesverbänden wird die Putin-Nähe nicht zuletzt
       des Parteichefs Tino Chrupalla und Co-Fraktionschefin Alice Weidel in
       Teilen äußerst kritisch bewertet –, aber auch in der Parteispitze [5][ist
       Chrupalla nicht unumstritten].
       
       Der Konflikt war auch Thema bei der wöchentlichen Fraktionspressekonferenz
       am Dienstagvormittag. Hier sagte der Parlamentarische Geschäftsführer,
       Bernd Baumann: „Beide Seiten sind unklug vorgegangen und müssen
       zurückrudern.“ Die Behauptung, in der Ukraine gebe es Biowaffenlabore,
       scheine ihm „nicht erhärtet“, aber auch die öffentliche Reaktion sei „eine
       Form, die wir nicht weiter pflegen wollen“. Man wolle das nun intern
       klären.
       
       Mit einer scharfen Verurteilung Russlands wegen der Verbrechen in Butscha
       tat sich auch Baumann schwer. Auf die Frage, ob Kriegsverbrechen an der
       ukrainischen Zivilbevölkerung nicht ein Grund wären, beim eher
       zurückhaltenden Positionspapier der Fraktion nachzuschärfen, sagte er, dass
       es zunächst einer lückenlosen Aufklärung bedürfe – „und dann sieht man, wer
       schuldig ist für was.“ Dann werde man reagieren.
       
       Es bleibt also beim Fraktionskonsens, von wirtschaftlichen Sanktionen
       abzusehen und Waffenlieferungen an die Ukraine abzulehnen. Vor diesem
       Hintergrund zynisch: In dem Papier betrauert die AfD die „zivilen Opfer
       beider Seiten“.
       
       Um Kopf und Kragen redete sich zudem der sächsische AfD-Abgeordnete Karsten
       Hilse. Angesprochen auf den desinformierenden Tweet seines sächsischen
       Kollegen Krah forderte er eine unabhängige Aufklärung der „schrecklichen
       Vorgänge“ durch eine Untersuchungskommission, äußerte aber mit Blick auf
       Krahs Äußerungen auch vage Zweifel an bisherigen Darstellungen zu Butscha:
       „Da gibt es ein paar Dinge, die sich nicht so nachvollziehbar darstellen“,
       sagte Hilse. Absurd: Ein paar Minuten später stritt er seine eigene Aussage
       ab, obwohl die Pressekonferenz live gestreamt wurde und mehrere
       Journalist*innen die Aussagen mitgeschrieben hatten.
       
       5 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Massaker-in-Butscha/!5843277
   DIR [2] https://www.nytimes.com/2022/04/04/world/europe/bucha-ukraine-bodies.html
   DIR [3] /Ausweisung-russischer-Diplomaten/!5846055
   DIR [4] /Die-AfD-und-der-Krieg-in-der-Ukraine/!5844230
   DIR [5] https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-tino-chrupalla-ukraine-russland-1.5556856
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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