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       # taz.de -- nord🐾thema: Lieber neben dem Hund als neben der Nachbarin
       
       > Auf dem Friedhof Hamburg-Schiffbek können sich Menschen bald gemeinsam
       > mit ihren Tieren bestatteten lassen. Er ist der erste kirchliche Friedhof
       > im Norden, der das erlaubt
       
   IMG Bild: Das ist bald Vergangenheit: Extra-Grab für Frauchens Liebling
       
       Von Lisa Bullerdiek
       
       „Sie bellte nie ohne Grund, aber jetzt ist sie still.“ Das steht auf einem
       Grabstein aus dem antiken Rom, gewidmet der kleinen Hündin Myia. Vom alten
       Ägypten über die Bronzezeit bis zum Grab Friedrichs des Großen im Potsdamer
       Park von Sanssouci: Haustiere gehören für viele Menschen zum Leben und auch
       zum Tod. Sogar Katzenmumien gab es im alten Ägypten.
       
       In Deutschland werden heutzutage zwischen 5.000 und 20.000 Tiere pro Jahr
       auf extra dafür angelegten Tierfriedhöfen beerdigt. Aber eines war bisher
       nur ganz selten möglich, vor allem auf kirchlichen Friedhöfen: dass
       Menschen sich gemeinsam mit ihren Haustieren beerdigen lassen. Das soll
       sich jetzt zumindest in Norddeutschland teilweise ändern. Auf dem
       evangelischen Friedhof Hamburg-Schiffbek können im Familiengrab demnächst
       auch die kleinsten und pelzigsten Familienmitglieder beigesetzt werden.
       
       Theoretisch möglich ist es eigentlich schon seit einigen Jahren, dass
       Menschen und Tiere auf evangelischen Friedhöfen in Norddeutschland zusammen
       bestattet werden: „Schon vor vier Jahren haben wir uns zusammengesetzt und
       beschlossen, dass wir dem wohlwollend gegenüberstehen“, sagt Dirk Abts. Er
       leitet die Arbeitsgemeinschaft der Friedhofsbeauftragten der Nordkirche,
       die 1.600 Friedhöfe umfasst. Damals legte der Arbeitskreis auch einige
       wichtige Rahmenbedingungen fest. Tiere und Menschen können in Zukunft zwar
       auf dem Friedhof zusammen beerdigt werden, aber nur auf einem extra
       abgetrennten Feld, und die Tiere müssen eingeäschert sein. Offiziell gelten
       die Haustiere dann als Grabbeigaben.
       
       Durch die Trennung des Friedhofs wolle die Nordkirche sicherstellen, dass
       sich keine Angehörigen derjenigen, die in der Nähe bestatte sind, beleidigt
       fühlen. „Wir möchten vermeiden, dass es jemandem negativ aufstößt, wenn
       neben dem Grab der Oma auf einmal ein Tier liegt“, sagt Abts.
       
       Außerdem müsse bei der Gestaltung der Grabstätte deutlich werden, dass es
       eine Humanbestattung sei, bei der unter anderem auch Tiere dabei seien. „Es
       geht nicht, dass dort ein riesiger Grabstein für den Hund und nur ein
       winziger für die Tante ist.“ Damit solle die Menschenwürde gewahrt werden,
       die natürlich auch nach dem Tod gelte.
       
       Ansonsten gebe es wenige Beschränkungen – auch nicht bei der Art von
       Tieren, die bestattet werden können. Wer sich zum Beispiel mit seinem Pferd
       und nicht nur mit der Katze die letzte Ruhestätte teilen möchte, kann das
       tun.
       
       Warum diese Entscheidung? Abts sagt, dass die Kirche schließlich auch ein
       Dienstleister sei und sich den gesellschaftlichen Bedingungen anpassen
       wolle. Denn das Verhältnis von Menschen zu Friedhöfen ändere sich sehr
       schnell. Beerdigungen würden auch für Menschen individueller und immer
       ausgefallener. Sarg, Gottesdienst, Asche zu Asche, wie wir es seit
       altersher kennen – das sei längst ein Auslaufmodell.
       
       Deshalb müsse die Kirche auf neue Anforderungen und Bedürfnisse reagieren.
       Es gebe auch bereits Gottesdienste für Tiere, und sie seien als
       Gottesgeschöpfe fest in der Theologie verankert. „Viele sehen die Kirche
       als ständigen Bedenkenträger und Blockierer“, sagt Abts, „aber die Realität
       vor Ort ist eine ganz andere.“
       
       Damit ist die Kirche deutlich näher an der Zeit als der klassische Weg, mit
       toten Haustieren umzugehen, denn der trägt den unschönen Namen
       Tierkadaversammelstelle. Wenn ein pelziger Freund beim Tierarzt stirbt und
       die Angehörigen den Leichnam nicht mit nach Hause nehmen wollen, landet er
       dort. Kleinere Tiere bis zehn Kilo darf man auch im Garten begraben und nur
       da – eine Regel, die wohl schon von jedem Kind mit totem Hamster gebrochen
       wurde.
       
       Ein weiteres offenes Geheimnis: Auch wenn es nur selten erlaubt ist, haben
       viele Menschen die Urnen von Haustieren unauffällig mit im Familiengrab
       vergraben, so berichtet es die Fachliteratur.
       
       Um tote Haustiere ist in Deutschland in der Tat inzwischen eine ganze
       Infrastruktur gewachsen: Es gibt bundesweit etwa 120 Tierfriedhöfe, den
       ältesten seit 1932 in Mainz. 2015 eröffneten in Deutschland die ersten
       beiden privaten Tierfriedhöfe, auf denen die gemeinsame Bestattung von
       Mensch und Tier möglich ist – sowie einige kirchliche, zum Beispiel in
       Essen und Görlitz.
       
       Einige Tierfriedhöfe gehören zur Kirche, andere sind privat. Zu den
       kirchlichen Tierfriedhöfen gehört derjenige in Niederkleveez zwischen Kiel
       und Lübeck. Dort werden etwa 15 Tiere pro Jahr beerdigt, vor allem Hunde
       und Katzen. Das erzählt Ulrich Moeller, der den Friedhof verwaltet. Er
       kümmert sich neben dem Tierfriedhof auch um die Humanfriedhöfe im Ort.
       
       Soll ein Tier bestattet werden, läuft das meistens so ab: Eine Familie
       bringt ihr totes Tier vorbei, oft kommen sie direkt vom Tierarzt. Die
       FriedhofsmitarbeiterInnen begraben das Tier dann. In Niederkleveez wird das
       ganze Haustier in einem Tuch oder Sarg bestattet. Kühe oder andere
       Nutztiere dürfen hier nicht begraben werden.
       
       Die meisten Menschen würden im Laufe des Tages nach der Beisetzung
       vorbeikommen und sich verabschieden, eine richtige Beerdigung gebe es
       meistens nicht. Dafür aber Särge, Grabsteine mit Aufschrift, zum Beispiel
       steht dort „Mein Lieblingstier“ oder der Name des tierischen Freundes. „Es
       sind ähnliche Dinge, die sie auch auf dem Menschenfriedhof erleben:
       Herzblut, Trauer, Meckern,“ sagt Moeller.
       
       Moeller findet es richtig, dass Tiere und Menschen zusammen bestattet
       werden können. Er hat selbst Kater zu Hause, die sein Sohn „Kinder mit
       Pelz“ nennt. Einer habe 18 Jahre in seiner Familie verbracht. „Wenn man so
       eng mit einem Tier zusammenlebt, dann ist das dein Mitbewohner und nicht
       nur der blöde Kater, der an der Tapete kratzt“, sagt er. Obwohl er anmerkt,
       dass seine Kater nie an der Tapete kratzen. „Der gehört mit zur Familie und
       mit ins Familiengrab.“ Manche Menschen, sagt er, würden sowieso lieber
       neben ihrem Hund als neben dem Nachbarn begraben werden.
       
       8 Apr 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lisa Bullerdiek
       
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